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Musk fängt mit Umbau von Twitter an

Elon Musk
Elon Musk hat den Kurznachrichtendienst Twitter übernommen. Foto: Adrien Fillon
Elon Musk verliert nach dem Kauf von Twitter keine Zeit: Er will den Umgang mit kontroversen Inhalten neu regeln. Und laut Medienberichten soll bald ein Jobabbau beginnen.

San Francisco. Tech-Milliardär Elon Musk beginnt nach der Übernahme von Twitter, dem Online-Dienst seinen Stempel aufzudrücken. Unter anderem will er neues Gremium zum Umgang mit kontroversen Inhalten schaffen. Bevor ein solcher Rat zusammentrete, werde es keine großen Entscheidungen zur Inhalte-Politik oder der Wiederherstellung von Accounts geben, schrieb er bei Twitter.

Damit wäre auch die von Musk in den vergangenen Monaten ins Gespräch gebrachte Freischaltung des Accounts von Ex-Präsident Donald Trump nicht umgehend zu erwarten.

Zugleich versprach Musk am Wochenende per Tweet: «Alle, die aus geringfügigen und zweifelhaften Gründen gesperrt wurden, werden aus dem Twitter-Gefängnis freikommen.» Er zeigte sich zudem offen dafür, für Tweets die Begrenzung auf 280 Zeichen aufzuheben. Auch fand er es eine gute Idee, wenn Nutzer die Wahl zwischen verschiedenen Versionen des Dienstes haben könnten: «Wie eine Alterseinstufung im Kino.»

Laut Medienberichten sollten auch umgehend Stellenstreichungen bei Twitter eingeleitet werden. Der Finanzdienst Bloomberg schrieb, Musk habe Software-Entwickler des von ihm geführten Elektroautobauers in die Twitter-Zentrale geholt, um den Programmcode der Plattform zu begutachten. «Business Insider» berichtete, Musk sei in internen Profilen mit dem Titel Firmenchef aufgetaucht. Zuvor war bereits berichtet worden, er wolle den Posten zusätzlich zum Spitzenjob unter anderem bei Tesla und seiner Weltraumfirma SpaceX übernehmen.

Viele Veränderungen werden nur über Medienberichte bekannt

Musk hatte am Donnerstag die rund 44 Milliarden schwere Übernahme des Online-Dienstes abgeschlossen. Offizielle Angaben zum Geschehen bei Twitter blieben seitdem weitgehend aus. Auch die Entlassung von Top-Managern rund um den bisherigen Chef Parag Agrawal wurde zunächst nur über Medienberichte bekannt. Details zu seinen Plänen für die Twitter-Zukunft nannte Musk bisher ebenfalls nicht. Das könnte auch so weitergehen: Mit Kauf nimmt Musk Twitter von der Börse und muss danach nicht mehr über die Entwicklung des Geschäfts informieren.

Musk hatte oft kritisiert, bei Twitter werde die Redefreiheit zu sehr eingeschränkt. Das weckte Sorgen, bei Twitter könnte es unter seiner Kontrolle mehr Hass und Hetze geben. Die Bildung des Inhalte-Rates könnte nun einen vorsichtigeren Kurs signalisieren.

Mehr Tweets mit rassistischer Hassrede

Bobachtern fiel nach Vollzug der Twitter-Übernahme ein Anstieg von Tweets mit rassistischer Hassrede auf. Twitter zufolge kamen rund 50.000 solcher Tweets von nur 300 Accounts und man kämpfe dagegen an.

Musk reagierte zugleich auf eine Beschwerde aus dem rechten politischen Spektrum, wonach Twitter im Sinne «der Linken» zensiert werde. «Ich werde das prüfen», schrieb er. Twitter solle keine der Seiten bevorzugen. Der Dienst fährt seit Jahren einen strikten Kurs gegen falsche Informationen zu Wahlen - und vor allem Trump-Anhänger sprechen von Zensur. Musk solidarisierte sich zuletzt politisch mit der weiter von Trump beherrschten Republikanischen Partei. Die Demokraten von US-Präsident Joe Biden seien zur «Partei der Spaltung und des Hasses geworden», schrieb er im Mai bei Twitter.

Am Sonntag verbreitete Musk selbst an seine 112 Millionen Follower eine rein spekulative Verschwörungstheorie über den Angriff auf den Politikergatten Paul Pelosi weiter. Der 82-jährige Ehemann der Vorsitzenden des US-Abgeordnetenhauses, Nancy Pelosi, war im Haus des Paars angegriffen und mit einem Hammer am Kopf verletzt worden. In der von Musk retweeteten Verschwörungstheorie wurde grundlos gemutmaßt, dass Pelosi in einen Streit mit einem Mann geraten sein könnte, den er selbst ins Haus gelassen habe. Die Polizei spricht eindeutig von einem Einbruch. Einige Stunden später war der Tweet gelöscht.

Details zum dem geplanten Inhalte-Gremium gab Musk zunächst nicht bekannt. Beim Facebook-Konzern Meta gibt es schon seit einiger Zeit ein unabhängiges Expertengremium, das etwa die Löschung von Beiträgen und die Sperrung von Accounts rückgängig machen kann. Die Entscheidungen des Gremiums sind für das Management bindend.

Musk will keine «lebenslangen» Sperren mehr

Mit Bezug auf Trump sorgte das Meta-Gremium dafür, dass die zunächst unbefristete Sperre des Ex-Präsidenten bei Facebook in eine zweijährige umgewandelt wurde. Die Experten argumentierten, dass die Facebook-Regeln nur befristete Sperrungen vorsehen. Nun wird der Konzern im Januar prüfen, ob Trump auf die Plattform zurückkehren darf. Bei Twitter betonte das bisherige Management stets, dass nach einer Verbannung kein Weg zurück vorgesehen sei. Musk kündigte an, solche «lebenslangen» Sperren abschaffen zu wollen.

Trump hatte sich am 6. Januar 2021 noch als Präsident lobend über seine Anhänger geäußert, die gewaltsam das Kapitol in Washington erstürmten. Daraufhin war er bei Twitter und Facebook gesperrt worden. Inzwischen ist er bei seiner hauseigenen Twitter-Kopie Truth Social aktiv, hat dort aber eine deutlich geringere Reichweite.

Trump selbst bekräftigte am Wochenende, dass er nicht zu Twitter zurückkehren wolle, auch wenn dies möglich werden sollte. Stattdessen werde er bei Truth Social bleiben, sagte Trump Fox News Digital. «Es gefällt mir hier mehr», erklärte er. «Ich mag Elon, aber ich bleibe bei Truth.» Zugleich schränkte er ein: «Ich denke nicht, dass Twitter ohne mich erfolgreich sein kann.» Tatsächlich war es für Twitter nach seiner Verbannung nicht schlechter gelaufen. Musk hatte die permanente Sperre von Trump im Mai als «moralisch falsch und einfach nur dumm» kritisiert.

Trump hatte auch schon früher gesagt, dass er nicht zu Twitter zurückkehren würde, auch wenn er dürfte. Bei Twitter hatte Trump mehr als 80 Millionen Follower. Bei seiner Twitter-Kopie Truth Social sind es nur wenige Millionen. Wenn Trump sich für eine Kandidatur bei der Präsidentenwahl 2024 entscheiden sollte, könnte er eine größere Plattform gut gebrauchen.

© dpa-infocom, dpa:221028-99-295223/14