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Spannungen
Nach diplomatischem Druck: Kosovo verschiebt Einreiseregeln

Spannungen im Kosovo
Polizisten sichern mit ihren Fahrzeugen eine Brücke in Mitrovica. Im überwiegend serbisch bevölkerten Norden des Kosovos hatten militante Serben am Sonntag Barrikaden errichtet. Foto: Festim Beqiri
Kosovo
Polizisten sind in Mitrovica im Einsatz. Foto: Festim Beqiri
Barrikaden und Berichte über Schüsse auf Polizisten: Militante Serben wehren sich gegen neuen Einreiseregeln des Kosovo. In der aufgeheizten Lage intervenieren internationale Diplomaten. Berlin ist besorgt.

Pristina. Die Regierung des Kosovos hat auf Druck von US-amerikanischen und europäischen Diplomaten die Umsetzung neuer Einreiseregeln für Serben vorerst um einen Monat verschoben. Militante Serben im Norden des Landes begannen am Montag, die Barrikaden zu entfernen, die sie am Vortag aus Protest gegen die neue Regelung an den Zufahrtsstraßen zu zwei Grenzübergängen nach Serbien errichtet hatten.

Verordnung hätte heute in Kraft treten sollen

Die entsprechende Verordnung hätte am Montag in Kraft treten sollen. Demnach hätten sich Personen, die sich an der Grenze mit serbischen Personaldokumenten ausweisen, eine zusätzliche Bescheinigung der kosovarischen Grenzpolizei ausstellen lassen müssen. Auch serbische Kfz-Kennzeichen sollten nicht mehr anerkannt werden. Pristina verstand dies als Gegenmaßnahme dafür, dass das Nachbarland Serbien seit mehreren Jahren kosovarische Dokumente nicht anerkennt. Kosovarische Staatsbürger erhalten bei der Einreise ein ähnliches Dokument, wie es das Kosovo nun für Reisende mit serbischen Dokumenten einführen wollte.

Militante Aktivisten hatten am Sonntag im überwiegend von Serben bewohnten Norden des Landes die Straßen zu den Grenzübergängen Jarinje und Brnjak mit schweren Baumaschinen verbarrikadiert. Unbekannte hätten zudem Schüsse in Richtung kosovarischer Polizisten abgegeben, verletzt worden sei dabei niemand, sagte die Polizei in Pristina am späten Sonntagabend. Bei der Polizei in Pristina meldeten sich vier Bürger, die behaupteten, im Nord-Kosovo von militanten Serben festgehalten und misshandelt worden zu sein.

Vucic ruft zur Zurückhaltung auf

Unterstützung erhielten die Kosovo-Serben von der Führung in Belgrad. Serbiens Staatspräsident Aleksandar Vucic hatte in einer Fernsehansprache am Sonntagvormittag - also noch vor Errichtung der Barrikaden - Albaner und Serben zur Zurückhaltung aufgerufen. Zugleich betonte er aber auch: «Es wird keine Kapitulation geben, und Serbien wird gewinnen, wenn sie es wagen, Serben zu verfolgen, Serben zu töten.» Hinweise dafür, dass die kosovarischen Behörden ethnische Serben physisch attackieren wollten, lagen zu dem Zeitpunkt nicht vor.

Wegen der angespannten Lage traten internationale Diplomaten auf den Plan. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sowie der US-Botschafter im Kosovo, Jeff Hovenier, traten an den kosovarischen Ministerpräsidenten Albin Kurti heran, um einen Aufschub für das Inkrafttreten der Einreiseregeln zu erwirken. Der kosovarische Regierungschef teilte schließlich in der Nacht zum Montag auf Twitter mit, dass die Maßnahme für 30 Tage ausgesetzt werde, sobald die Serben die Barrikaden im Nord-Kosovo beseitigen würden.

Die Bundesregierung beobachtet die Spannungen an der Grenze mit Sorge. «Das war eine sehr ernstzunehmende Zuspitzung der Lage gestern im Norden Kosovos», sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin in der Bundespressekonferenz. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bemüht sich laut Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner in Kontakten mit den Regierungschefs beider Länder darum, «dass der Konflikt deeskaliert wird und dass dort ein gutes Miteinander ermöglicht wird». Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) erklärte: «Es ist gut, dass die kosovarische Regierung jetzt zunächst besonnen reagiert hat und so zur Entspannung beiträgt.»

Die EU hat die Konfliktparteien zu einem Krisentreffen nach Brüssel eingeladen. Ziel sei es, über das weitere Vorgehen zu beraten und zu verhindern, dass sich solche Spannungen wiederholten, sagte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell in Brüssel. Die Streitigkeiten ließen sich nur durch Dialog und Verhandlungen beigelegen.

Nato-Mission beobachtet die Lage

Die Nato-Mission KFOR hatte am Sonntagabend mitgeteilt, dass sie die Situation genau beobachte. Gemäß ihrem Mandat sei sie «bereit, einzugreifen, sollte die Stabilität gefährdet sein.» Der seit 1999 im Kosovo stationierten Schutztruppe gehören knapp 4000 Soldaten an. Darunter sind auch mehrere Dutzend Angehörige der Bundeswehr.

Das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo gehörte bis 1999 zu Serbien. Nach einem bewaffneten Aufstand der Kosovo-Albaner zwang die Nato den serbischen Staat mit Luftangriffen zum Rückzug. Von 1999 bis 2008 regierte die UN-Verwaltung Unmik die Provinz. Serbien erkennt die von den Kosovaren im Jahr 2008 ausgerufene Unabhängigkeit nicht an.

© dpa-infocom, dpa:220801-99-227863/10