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Schwere politische Krise
Nach monatelanger Hängepartie: Libanon hat neue Regierung

Hassan Diab
«Es ist Zeit, an die Arbeit zu gehen», sagt Diab. Foto: Bilal Hussein/AP/dpa
Hassan Diab dürfte die Regierungsbildung im Libanon einige Nerven gekostet haben. Nun verkündet der neue Ministerpräsident einen Erfolg - und stellt sein Kabinett vor. Mit bisher unbekannten Gesichtern versucht er in der Krise des Landes den politischen Neuanfang.

Beirut (dpa) - Nach landesweiten Massenprotesten und einer monatelangen Verzögerung hat der Libanon eine neue Regierung. Der neue Ministerpräsident Hassan Diab stellte sein 20 Mitglieder zählendes Kabinett vor.

Mit ihm soll das Mittelmeerland aus der schwersten politischen und wirtschaftlichen Krise seit dem Ende des Bürgerkriegs vor 30 Jahren finden. «Es ist Zeit, an die Arbeit zu gehen», sagte Diab nach der Kabinettsbildung.

Die Minister des neuen Kabinetts entstammen nicht den traditionellen politischen Parteien des Landes. Damit soll eine zentrale Forderung der Demonstranten, die einen Rücktritt der gesamten politischen Führung gefordert hatten, erfüllt werden. Zudem dient mit Saina Akar nun erstmals eine Frau als Verteidigungsministerin sowie als stellvertretende Ministerpräsidentin des Libanon.

Dem früheren Bildungsminister und Universitätsprofessor Diab war es wegen des Machtkampfs der wichtigsten politischen Blöcke lange nicht gelungen, ein neues Kabinett zu bilden. Besonders stark ist im Libanon die schiitische Hisbollah, die enge Kontakte zum Iran pflegt. Diab wurde unter anderem mithilfe der Hisbollah und des Präsidenten Michel Aoun zum neuen Regierungschef ernannt. Sein Vorgänger Saad Hariri war nach Massenprotesten im Land Ende Oktober zurückgetreten. Seitdem war der Libanon ohne Regierung.

Kurz nach Verkündung des neuen Kabinetts protestierten im ganzen Land Regierungsgegner, verbrannten Reifen und blockierten Straßen. Andere versammelten sich in der Nähe des Parlamentsgebäudes in Beirut und schleuderten Steine auf Polizisten. Diese schoss mit Tränengas zurück. «Ja, es sind neue Namen und Gesichter, aber sie scheinen die Berater von Ministern zu sein und die Minister sind jetzt Berater», sagte ein Demonstrant der Deutschen Presse-Agentur nach der Ankündigung. «Sie täuschen das libanesische Volk», sagte ein anderer, der von «geheimen Agenden hinter neuen Gesichtern» sprach.

Mit seinen 18 religiösen Gruppen gleicht das gut sechs Millionen Einwohner zählende Land am Mittelmeer einem konfessionellen Flickenteppich. All diese Gruppen sind im Parlament vertreten und haben bei der Regierungsbildung üblicherweise ein Wort mitzureden. Unter den neuen Ministern sind unter anderem Schiiten, Sunniten und christliche Maroniten. Sie bilden die drei größten religiösen Gruppen im Libanon.

Die Massenproteste hatten sich in den vergangenen Wochen beruhigt. Mit der zunehmenden Verzögerung bei der Regierungsbildung wuchs der Unmut der Demonstranten dann aber erneut. Am Wochenende kam es in Beirut vor dem Parlamentsgebäude zu gewaltsamen Zusammenstößen mit mehr als 460 Verletzten, darunter mehr als 140 Polizisten. Sicherheitskräfte setzten dabei Tränengas und Gummigeschosse gegen Demonstranten ein.