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Knatsch in der SPD
Nahles wehrt sich gegen den Vorwurf rechter Rhetorik

Ein bemerkenswerter Vorgang: Ein SPD-Landesverband wirft per Beschluss der Bundesvorsitzenden «rechte Rhetorik» vor. Andrea Nahles wehrt sich. Und man wundert sich über die Kanzlerin.

Berlin (dpa) - Die SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles verwahrt sich gegen parteinterne Vorwürfe, sie bediene in der Flüchtlingspolitik rechte Rhetorik.

Beim Landesparteitag der Berliner SPD war am Wochenende ein Antrag angenommen worden, der ihr einen Verstoß gegen Grundprinzipien sozialdemokratischer Politik und ein Anpassen an die Sprache der rechtspopulistischen AfD vorwirft.

«Nein, das werde ich nicht», sagte Nahles am Montag zur geforderten Änderung ihrer Wortwahl. Der Konflikt sei bei einer Klausurtagung der Fraktion aber zur Sprache gekommen. Sie betonte, für eine Ausweitung sicherer Herkunftsländer habe sie die Rückendeckung von Partei und Fraktion.

Nahles hatte die Unionslinie unterstützt, Tunesien, Algerien und Marokko zu sicheren Herkunftsländern zu erklären - das erleichtert schnelle Abschiebungen. «Wir können nicht alle bei uns aufnehmen», sagte sie dazu der «Passauer Neuen Presse».

Diese Aussage war von Parteikollegen kritisiert worden. Juso-Chef Kevin Kühnert, der dem Berliner Landesverband angehört, hatte betont, im Konflikt mit der AfD seien Sätze wie «Wir können nicht alle aufnehmen» nicht hilfreich. Niemand habe diese These aufgestellt oder gefordert.

In dem angenommenen Antrag der Berliner SPD heißt es: «Aussagen darüber, dass Deutschland nicht alle aufnehmen könne, greifen eine rechte Rhetorik auf, die wir von den politischen Gegnern der SPD kennen.» Es könne nicht der Ansatz einer linken Volkspartei wie der SPD sein, «Ressentiments der politischen Rechten aufzugreifen, die mit angeblichen Stimmungen in der Bevölkerung und angeblichen Belastbarkeitsgrenzen» Hetze betreiben würden.

Bei der Klausur der Fraktion ging es auch um den Erneuerungsprozess der weiter nur bei 16 bis 18 Prozent liegenden SPD. Nahles ist es bisher nicht gelungen, einen Aufbruch zu erzeugen.

Verwunderung und bei einigen Abgeordneten Unmut löste die Kommunikationsstrategie von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Vorstellung ihrer Europareformpläne aus. Merkel hatte in der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» unter anderem Details zur Schaffung eines Europäischen Währungsfonds genannt. In der SPD wurde kritisiert, dass Merkel die Vorschläge per Zeitungsinterview und nicht erst dem Parlament erläutert habe. Auch Nahles wurde überrascht. «Wir sind noch nicht so weit gekommen, dass die Frau Kanzlerin ihre Interviewplanungen mit mir abstimmt, aber wir arbeiten daran».»

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte einen Teil der Vorschläge mit seinem französischen Amtskollegen Bruno Le Maire vorbereitet - musste aber bei der Vorstellung Merkel den Vortritt lassen. In der SPD hieß es, dass der Rückhalt in der kritischen Unions-Fraktion größer sein könnte, wenn die Pläne - wie nun geschehen - von Merkel zunächst selbst vorstellt werden.

Nahles forderte von Merkel eine Nachbesserung ihrer Pläne. Sie begrüßte die Vorschläge Merkels zu Stärkung der Währungsunion gegen neue Finanzkrisen. Wichtig sei daneben aber auch, dass Digitalkonzerne in Europa mehr Steuern zahlen und endlich Fortschritte bei der schon lange geplanten Finanztransaktionssteuer erzielt werden. «Dazu hat Frau Merkel nichts gesagt.» Diese Punkte gehörten auch auf die Tagesordnung, genauso wie der Kampf für mehr soziale Absicherung und Mindestlöhne in Europa.