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Hintergrund
Neuer Brexit-Showdown im Parlament: Die Szenarien

Brexit-Gegner demonstrieren in London
Brexit-Gegner demonstrieren in London. Foto: Kirsty Wigglesworth/AP
London (dpa) - Die Gegner eines No-Deal-Brexits wollen am Dienstag die Kontrolle über die Tagesordnung im britischen Parlament an sich reißen, um einen EU-Austritt ohne Abkommen per Gesetz zu verhindern.

Premierminister Boris Johnson hat die Abstimmung am Dienstag faktisch zu einer Vertrauensabstimmung über seine Regierung erklärt. Unterliegt die Regierung, will er eine Neuwahl herbeiführen. Doch so einfach ist es nicht.

Noch ist es denkbar, dass die Rebellen scheitern. Beispielsweise könnte Parlamentspräsident John Bercow wider Erwarten keine Abstimmung über die Tagesordnung zulassen. Die Opposition hat in Großbritannien nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, eine Gesetzesinitiative einzubringen. Daher müssen die Rebellen zu einem Trick greifen, um ihr Gesetz gegen einen No Deal am Mittwoch vorlegen zu können. Die Abstimmung am Ende einer Dringlichkeitsdebatte ist eigentlich nicht dafür vorgesehen, die Tagesordnung zu ändern. Doch Bercow kann das ausnahmsweise erlauben. Fraglich ist aber auch, ob die Rebellen eine Mehrheit bei der Abstimmung zusammenbekommen. Es kommt alles darauf an, wie viele Abgeordnete der Regierungsfraktion mit der Opposition abstimmen. Die Regierung drohte Abweichlern mit Rauswurf aus der Fraktion und einem Bann für die nächste Wahl.

Gelingt es nicht, das Gesetz durchzubringen, bleibt den No-Deal-Gegnern noch ein Misstrauensvotum gegen die Regierung.Sollten die Rebellen die Regierung dabei stürzen, müssten sie sich innerhalb von zwei Wochen auf eine Übergangsregierung einigen. Nur so könnten sie verhindern, dass Johnson eine Neuwahl nach dem 31. Oktober ansetzt und das Land ungebremst aus der EU ausscheidet.

Sollten sich die Rebellen durchsetzen,gibt es kaum einen Zweifel, dass der Gesetzentwurf am Mittwoch durch das Unterhaus gehen wird. Die echte Herausforderung dürfte bei den Lords warten, wo die Brexit-Hardliner mit einer Flut von Anträgen und Filibuster (Dauerreden) wertvolle Zeit verschwenden können. Theoretisch könnte sich diese Auseinandersetzung bis ins Wochenende hineinziehen. Gehen die No-Deal-Gegner als Sieger hervor, wäre Johnson gezwungen, eine Brexit-Verlängerung zu beantragen, wenn nicht bis zum 19. Oktober ein Abkommen ratifiziert ist.

Die Regierung will aber eine Neuwahl herbeiführen, sollte sie am Dienstag unterliegen, möglicherweise am 14. Oktober. Doch dafür ist eine Zweidrittelmehrheit im Parlament notwendig. Obwohl Oppositionsführer Jeremy Corbyn seit Langem eine Wahl fordert, ist nicht ausgemacht, dass die Opposition dem Ansinnen Johnsons zustimmen wird. Das Problem ist, dass der Regierungschef möglicherweise den Wahltermin nachträglich ändern könnte, wenn das Parlament bereits aufgelöst ist. Die Abgeordneten müssten dann machtlos zusehen, wie Johnson das Land am 31. Oktober in einen Brexit ohne Abkommen führt und tags darauf wählen lässt.