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Antrittsbesuch
Noch viel zu tun in deutsch-polnischen Beziehungen

Es war ein Antrittsbesuch in schwierigen Zeiten. Der neue polnische Regierungschef und die Kanzlerin bemühen sich um Entkrampfung. Erledigt sind die Kontroversen damit allerdings nicht. Besonders die Pläne für eine neue Gaspipeline durch die Ostsee sorgen für Streit.

Berlin (dpa) - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht in den schwierigen Beziehungen zu Polen erheblichen Bedarf für Verbesserungen. Sie sprach an diesem Freitag in Berlin nach dem Antrittsbesuch des neuen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki von «ernsthaften Meinungsunterschieden» und einem intensiven Dialog.

«Es ist eine Menge zu tun, was wir noch besser machen können», sagte Merkel. Zugleich sei aber vieles bereits auf dem Weg. Sie nannte als Beispiel die Zusammenarbeit in der Verteidigungs- und Außenpolitik. Auch die wirtschaftlichen Beziehungen seien deutlich enger geworden.

Morawiecki erneuerte seine Kritik an dem geplante Bau einer weiteren Gas-Pipeline von Russland durch die Ostsee nach Deutschland, Nord Stream 2. Warschau warnt, Europa mache sich zunehmend von Russland abhängig.

Der polnische Regierungschef verteidigte außerdem die umstrittene Justizreform in seinem Land. Polen steht deswegen in Europa in der Kritik. Die EU-Kommission sieht die Unabhängigkeit der Justiz nach den Gesetzesänderungen bedroht. Brüssel leitete im Dezember erstmals in der EU-Geschichte ein Sanktionsverfahren ein, durch das Polen sogar seine Stimmrechte in der EU verlieren könnte.

Merkel hielt sich auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kritik zurück. Es gebe eine rechtsstaatliche Grundverpflichtung für alle EU-Mitglieder. Die Bundesregierung unterstütze die Kommission in ihrer Arbeit. Sie hoffe auf Fortschritte in den Gesprächen zwischen der Kommission und Polen.

Morawiecki sagte dem «Spiegel», Polen werde versuchen, «auf die Bedenken Punkt für Punkt zu antworten». Inhaltlich seien die Vorwürfe falsch, Polen verstoße damit gegen das Prinzip der Gewaltenteilung. «Wir werden das erklären und können so hoffentlich die Basis für einen Kompromiss ausarbeiten.»

Mit Blick auf das umstrittene polnische Holocaust-Gesetz sagte Merkel, es sei wichtig, dass Gedenkstätten etwa in Auschwitz immer wieder von jungen Leuten aus Deutschland besucht werden könnten. Deutschland bekenne sich «ganz eindeutig zu seiner Schuld am Holocaust und zu seiner historischen Verantwortung», betonte sie. Nach dem Gesetz soll bestraft werden, wer öffentlich dem polnischen Volk oder Staat Mitverantwortung für die von Nazi-Deutschland begangenen Verbrechen zuschreibt.

Bei einer Veranstaltung der Körber-Stiftung in Berlin rief Morawiecki Polen und Deutschland dazu auf, gemeinsam für das europäische Projekt zu arbeiten. «Ich wünsche mir, dass Deutschland und Polen die echten Lokomotiven eines Wachstums werden, von dem alle profitieren.» In den vergangenen Jahren habe die EU aber zahlreiche neue Regelungen beschlossen, die das Wachstum aufstrebender Unternehmen aus den Bereichen IT, Logistik und Transport in den Mitgliedsstaaten in Osteuropa behinderten. Die polnischen Wirtschaftsdaten sähen zwar gut aus, «aber unsere Wirtschaft ist in den Händen von Ausländern».