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Zehn Jahre Kim Jong Un
Nordkorea isolierter denn je

Kim Jong Un
Als er die Macht in dem totalitären Staat übernahm, war er nicht einmal 30 Jahre alt: Kim Jong Un. Foto: KCNA/KNS/AP/dpa
Als Kim Jong Un vor zehn Jahren die Macht in Nordkorea übernahm, galt er als unbeschriebenes Blatt. Jetzt steht er mächtig unter Druck.

Seoul (dpa) - Kim Jong Un ist als Person und Staatsmann für das Ausland auch nach zehn Jahren an der Macht nur schwer zu fassen.

Gegenüber den Bürgern seines Landes gibt sich Nordkoreas Machthaber gerne leutselig und volksnah, im Westen gilt Kim als eiskalter Despot eines Staates, dessen Kontrolle und Repressalien in alle Lebensbereiche der Bürger hineinreichen. Trotz heftiger internationaler Sanktionen, die die wirtschaftliche Entwicklung seines Landes seit Jahren hemmen, hält Kim knallhart am Atomwaffenprogramm fest.

Kim Jong Uns Vater, Kim Jong Il, starb am 17. Dezember 2011 infolge eines Herzinfarkts. Damit übernahm sein Sohn auch faktisch die Staatsgeschäfte. Allerdings wurde er erst nach einer 13-tägigen Trauerzeit am 29. Dezember offiziell zum «obersten Führer unserer Partei, des Militärs und des Volkes» ausgerufen. Ihm wurden die gleichen diktatorischen Befugnisse übertragen, über die schon sein Vater und Großvater Kim Il Sung verfügt hatten.

Was zunächst folgte, wird von Beobachtern als Phase der Machtkonsolidierung beschrieben. Kim erreichte das demnach auch durch politische Säuberungen, dem zahlreiche hochrangige Funktionäre einschließlich seines Onkels Jang Song Thaek zum Opfer fielen.

Als Kim die Macht in dem totalitären Staat übernahm, war er nicht einmal 30 Jahre alt. Die Nachbarländer sorgten sich damals, dass eine Phase der Instabilität im stalinistisch regierten Nordkorea folgen könnte. Kim Jong Un galt selbst im Nachbarland Südkorea als weithin unbekannt, seine politischen Ziel als unklar.

Zuhause wurde er von der unerschöpflichen staatlichen Propaganda-Maschinerie kurz nach der Machtübernahme als «Genie der Genies» beschrieben - damit sollte er bei seinen Landsleuten über alle Zweifel erhaben sein. Den 10. Todestag Kim Jong Ils am Freitag beging Nordkorea mit Aufrufen an die Bevölkerung und die Soldaten, dem Sohn gegenüber vollständig die Treue zu halten.

Doch zurzeit wird der zuletzt schlanker wirkende Kim in einer besonders kritischen Herrschaftsphase gesehen. Neben den Sanktionen setzten Nordkorea auch die Folgen der Corona-Pandemie stark zu. Schon früh hatte das ohnehin abgeschottete Land seine Grenzen wegen der Pandemie geschlossen, was sich stark auf den Handel mit China auswirkte. Seine wirtschaftlichen Ziele konnte Kim nicht einhalten. Seine Autorität könnte dadurch unterminiert werden, glauben deshalb Beobachter.

Die Preise seien im einheimischen Markt gestiegen, sagt der aus Nordkorea geflüchtete südkoreanische Abgeordnete Ji Seong Ho. «Die Hauptlast muss die Bevölkerung tragen.» Ohnehin sei heute unter jungen Nordkoreanern die «Opposition» gegen Kim größer als zu Kim Jong Ils Zeiten, glaubt Ji.

Bei allen seinen Aktionen spielten die Atomwaffen des Landes von Anfang an eine wichtige Rolle für Kims Machtentfaltung. Kims Vater habe mit Blick auf das Atomprogramm eine eher «zweideutige Haltung» gehabt, sagt der frühere südkoreanische Atomunterhändler Lee Do Hoon. Kim Jong Un habe dagegen schon «unmittelbar nach der Machtübernahme den Kurs auf eine aktive nukleare Entwicklung» gelenkt. Vier der bisher sechs Atomtests durch Nordkorea wurden unter Kim Jong Un durchgeführt, den bisher größten und letzten im September 2017. Zudem trieb er die Entwicklung von ballistischen Raketen, die die je nach Bauart auch atomare Sprengköpfe tragen können, voran.

Das Atomprogramm wird in einem großen Teil der Welt als Bedrohung wahrgenommen. Für die USA, denen Pjöngjang eine feindselige Politik vorwirft, stellt es eine direkte Herausforderung dar. Kims Drohungen gegen die USA, aber auch seine Diplomatie gegenüber Washington einschließlich seiner drei, auch medienwirksam inszenierten Treffen mit dem früheren US-Präsidenten Donald Trump zwischen Juni 2018 und Juni 2019 brachten ihn auf die politische Weltbühne. Am Ende standen beide mit leeren Händen da.

Wenn Kim die Atomwaffen als Garantie für das politische Überleben seiner Regierung sieht, warum lässt er sich auf Gespräche mit Trump über eine «Denuklearisierung» ein? Die Sanktionen hätten immer deutlicher werdende Folgen für die Wirtschaft gehabt, sagt Lee. «Er (Kim) benötigte etwas wirtschaftliche Entspannung». Doch Trump wollte die Sanktionen nicht lockern oder Wirtschaftshilfe leisten, solange Kim keine größeren Zugeständnisse bei der atomaren Abrüstung macht.

Nach Ansicht des früheren deutschen Diplomaten Thomas Schäfer spielen Sanktionserleichterungen für Nordkorea allerdings eine eher untergeordnete Rolle. «Bei Nordkorea muss man bei den langfristigen Zielen anfangen, und die Ziele sind seit mehreren Jahren, eigentlich seit dem Regierungsantritt von Kim Jong Un, die militärpolitischen Ziele», sagt der ehemalige deutsche Botschafter in Pjöngjang. Dazu gehöre ein Ende der gemeinsamen Manöver der USA und Südkoreas, «und dann als größeren Schritt der Abzug der amerikanischen Truppen».

Kim ist nach Ansicht Schäfers nicht der unumschränkte Machthaber des Landes. Er treffe die Entscheidungen nicht allein. Als 2013 auf die «Militär-zuerst»-Politik Kim Jong Ils die sogenannte «Byongjin»-Linie unter Kim Jong Un gefolgt sei, habe es die Hoffnung gegeben, Nordkorea könne mehr Ressourcen für die Wirtschaft verwenden. Die Linie sah die parallele Entwicklung einer Atomstreitmacht und der Wirtschaft vor. «Der Name war Propaganda», sagt Schäfer. Der Slogan sollte kaschieren, «dass aus der Militär-zuerst-Politik die Militär-zuallererst-Politik wurde».

© dpa-infocom, dpa:211217-99-421380/3