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Migration
Polen will an Grenze zu Belarus Ausnahmezustand verhängen

Polnisch-belarussische Grenze
Ein polnischer Polizist und Grenzschutzbeamte an der polnisch-belarussischen Grenze. Foto: Artur Reszko/PAP/dpa
Immer mehr Flüchtlinge versuchen, über die polnisch-belarussische Grenze in die EU zu gelangen. Polen plant nun, in der Grenzregion den Ausnahmezustand einzuführen. Das Land fürchtet weitere Provokationen aus Minsk.

Warschau (dpa) - Wegen vieler illegal über Belarus einreisender Migranten will Polen den Ausnahmezustand in der Grenzregion zu dem östlichen Nachbarland verhängen.

Einen entsprechenden Antrag habe die Regierung verabschiedet und Präsident Andrzej Duda vorgelegt, sagte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am Dienstag in Warschau. Duda kündigte an, er werde den Beschluss der Regierung gründlich prüfen und seine Entscheidung bald bekannt geben. In Polen tritt der Ausnahmezustand in Kraft, sobald der Präsident ein entsprechendes Dekret unterzeichnet. Er muss dieses aber innerhalb von 48 Stunden dem Parlament vorlegen, das die Anordnung aufheben kann.

Geplant sei eine Dauer von 30 Tagen an einem «engen Streifen» von drei Kilometern Breite entlang der Grenze, sagte Innenminister Mariusz Kaminski. Der Ausnahmezustand werde 183 Ortschaften im Osten des Landes betreffen. Die bürgerlichen Rechte würden dort für diese Zeit eingeschränkt. Weder Ausflüge oder Demonstrationen noch andere Aktionen seien dann erlaubt. Für die örtlichen Bewohner seien keine Behinderungen des Alltags zu befürchten. Ortsfremde dürften sich jedoch vorerst in dem Streifen nicht mehr aufhalten.

Nach Angaben von Kaminski haben allein im August mehr als 3000 Migranten versucht, illegal über die polnisch-belarussische Grenze zu gelangen. Polen hatte bereits in der vergangenen Woche begonnen, an der 418 Kilometer langen Grenze zu Belarus einen 2,5 Meter hohen Zaun zu bauen.

Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hatte Ende Mai angekündigt, dass Minsk Migranten nicht mehr an der Weiterreise in die EU hindern werde - als Reaktion auf verschärfte westliche Sanktionen. Seitdem hatte zunächst Litauen mit einem Andrang von Migranten aus dem Nahen Osten an die Grenze zu Belarus zu kämpfen. In den vergangenen Wochen ist auch Polen zunehmend unter Druck geraten.

Die Regierung habe sich für die Verhängung des Ausnahmezustands entschieden, weil sie sich Sorgen mache um die Sicherheit der polnischen Bürger und der EU-Außengrenze, sagte Morawiecki. Das Lukaschenko-Regime sei gefährlich. «Wir möchten gewissen Eventualitäten vorbeugen, die zu einer internationalen Krise führen könnten.»

Im Fokus der polnischen Öffentlichkeit steht derzeit das Schicksal einer Gruppe von 32 Flüchtlingen aus Afghanistan, die seit fast drei Wochen in der Nähe des Grenzorts Usnarz Gorny festsitzen. Polnische Grenzschützer, Polizisten und Soldaten haben das Lager abgeriegelt und lassen die Flüchtlinge nicht ins Land. «Wir können hier keine Präzedenzfälle schaffen», sagte Kaminski. «Wenn wir 30 reinlassen, kommen demnächst 300, dann 3000 und 30.000.» Die festsitzende Migrantengruppe in Usnarz Gorny werde regelmäßig von den belarussischen Grenzschützern mit Essen versorgt.

Die Opposition kritisierte die Pläne. Die Abgeordneten des Linksbündnisses betonten, der Ausnahmezustand bedeute auch, dass Sicherheitskräfte ortsfremde Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Journalisten aus dem Grenzgebiet ausweisen könnten. Die Regierung wolle verbergen, dass sie mit der Situation an der Grenze nicht fertig werde, sagte Fraktionschef Krzysztof Gawkowski. «Wir werden nichts über die menschenunwürdige Behandlung von derzeit 30 und später vielleicht mehreren Hunderten von Menschen erfahren.»

© dpa-infocom, dpa:210831-99-38281/4