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Streit um EU-Coronahilfen
Regierungskrise in Italien: Conte verliert Renzi als Partner

Regierungskrise in Italien
Matteo Renzi, Chef der in Italien mitregierenden Partei Italia Viva, hält eine Pressekonferenz in der italienischen Abgeordnetenkammer in Rom ab. Foto: Alberto Pizzoli/POOL AFP/dpa
Der frühere Regierungschef Matteo Renzi hat Ernst gemacht und im Streit um die EU-Coronahilfen das Regierungsbündnis in Rom platzen lassen. Die Ministerinnen seiner Partei Italia Viva verlassen das Kabinett. Die Zukunft von Premier Giuseppe Conte steht auf der Kippe.

Rom (dpa) - Mitten in der Corona-Krise ist in Italien die Regierung von Ministerpräsident Giuseppe Conte geplatzt. Der Chef der mitregierenden Partei Italia Viva, Matteo Renzi, kündigte heute die Rücktritte der beiden von seiner Partei gestellten Ministerinnen an.

Dabei handelt es sich um Landwirtschaftsministerin Teresa Bellanova und Familienministerin Elena Bonetti. Er habe die per Mail übermittelten Rücktrittsgesuche akzeptiert, sagte Conte der Agentur Ansa zufolge.

Mit dem Auszug von Renzis Kleinpartei Italia Viva steht die gesamte Mitte-Links-Regierung mit ihrer knappen Mehrheit im Parlament auf der Kippe. Ex-Premier Renzi machte Conte vor der Presse scharfe Vorwürfe. Er umgehe mit vielen Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie demokratische Regeln.

Die Krise gebe es schon seit Monaten, sagte Renzi. Italia Viva sei nicht ihr Urheber. «Wir spielen nicht mit den Institutionen», versicherte der 46-jährige Politiker. Zugleich machte er Angebote, über das weitere Vorgehen zu verhandeln. Er rechne nicht mit schnellen Neuwahlen: «Gewählt wird 2023», sagte Renzi.

Die Differenzen zwischen Renzi und Conte drehten sich zuletzt um die Pläne zur Verwendung der EU-Milliardenhilfen für die Corona-Krise. Der parteilose Ministerpräsident hatte seinen Entwurf für den Einsatz der Milliarden aus dem EU-Wiederaufbaufonds in der Nacht zu Mittwoch im Kabinett beschließen lassen - gegen den Widerstand der Ministerinnen Bellanova und Bonetti.

Beide Politikerinnen forderten Berichten zufolge erneut, dass Rom Gelder des europäischen Rettungsschirms ESM beantragen solle. Das lehnte Conte, der der Fünf-Sterne-Bewegung nahe steht, immer wieder ab. Die populistische Bewegung sträubt sich trotz aller Finanznot in Italien gegen ESM-Kredite. Sterne-Politiker sehen sie nach der Erfahrung aus der Finanzkrise 2008 als Instrument der Einmischung Brüssels.

Der 56-jährige Jurist Conte hatte am Mittwoch bereits mit Staatspräsident Sergio Mattarella über die Regierungskrise gesprochen. Das Mitte-Links-Bündnis regiert seit September 2019. Vorher stand Conte bereits an der Spitze einer Mitte-Rechts-Koalition zusammen mit Matteo Salvins Lega. Sollten der Premier oder die ganze Regierung stürzen, käme dem Staatschef eine wichtige Rolle bei den Entscheidungen über das weitere Vorgehen zu.

Renzis Partei ist zwar winzig, aber die Regierung war im Parlament mehrfach auf ihre Stimmen angewiesen - besonders im Senat, der kleineren der beiden Kammern. Unter den Senatoren hatte die Regierung bisher nur eine besonders knappe Mehrheit.

Die rechten Oppositionsparteien, darunter Salvinis Lega, forderten den Regierungschef zum Rücktritt auf. Sollte sich keine schnelle Lösung der Krise finden, müsse es Wahlen geben.

Italienische Medien vermuteten, dass Conte Neuwahlen vermeiden möchte. Er könnte im Parlament die Vertrauensfrage stellen und versuchen, andere Mehrheiten zu finden. Der Regierungschef selbst hatte am Mittwoch allerdings gesagt, er brauche «eine solide Mehrheit» für seine Regierung. Regulär sind Parlamentswahlen in Italien erst 2023 zu erwarten.

In Contes Bündnis sind die Fünf-Sterne-Bewegung und die Sozialdemokraten (PD) die großen Kräfte. Hinzu kommt die beiden Kleinparteien Italia Viva und Liberi e Uguali (Die Freien und Gleichen). Renzi hatte seine Partei erst 2019 nach seinem Austritt aus der PD gegründet, deren Chef er von 2013 bis 2018 gewesen war.

Die 66. Regierung der italienischen Republik ist seit September 2019 im Amt. Der Ministerpräsident berief für den späten Mittwochabend eine Kabinettssitzung ein. Darin sollte es um geplante Maßnahmen gegen die Corona-Krise gehen. Nun dürfte auch die Zukunft der Regierung Thema sein. In dem 60-Millionen-Einwohner-Land starben seit Februar 2020 offiziell schon mehr 80.000 Menschen im Zusammenhang mit dem Virus.

© dpa-infocom, dpa:210113-99-14611/6