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Nach EU-Sanktionen
Russland verhängt Einreiseverbot gegen EU-Vertreter

Russland verhängt Einreiseverbote
David Sassoli, Präsident des Europäischen Parlaments, während eines Plenums im Europäischen Parlament. Foto: Yves Herman/Reuters Pool/AP/dpa
David Sassoli
David Sassoli, Präsident des Europäischen Parlaments, während einer Plenarsitzung des Europäischen Parlaments in Brüssel. Foto: -/European Union/XinHua/dpa
Die Beziehungen zwischen Moskau und Brüssel sind mehr als angespannt. Durch den Fall des Kremlgegners Nawalny verschärfte sich der Ton noch einmal. Nun gibt es eine neue Antwort aus Russland. Die EU-Spitzen reagieren scharf.

Moskau (dpa) - Russland hat gegen acht hochrangige Vertreter aus EU-Staaten Einreisesperren verhängt und die Spannungen mit der Europäischen Union damit erneut verschärft. Moskau reagiere auf neue Sanktionen der EU, teilte das Außenministerium am Freitag mit.

Nicht mehr einreisen dürfen demnach etwa der EU-Parlamentspräsident David Sassoli, die Vize-Kommissionspräsidentin Vera Jourova und der Berliner Oberstaatsanwalt Jörg Raupach. Die EU hatte im März wegen der Inhaftierung des russischen Kremlgegners Alexej Nawalny Sanktionen gegen ranghohe russische Staatsfunktionäre verhängt.

Die Spitzen von EU-Kommission, Europäischem Rat und Europaparlament verurteilten das Vorgehen Moskaus am Freitagabend unverzüglich aufs Schärfste. Die Entscheidung sei inakzeptabel, ohne rechtliche Begründung und völlig gegenstandslos, erklärten Ursula von der Leyen, Charles Michel und David Sassoli gemeinsam.

Der Schritt richte sich direkt gegen die Europäische Union, nicht nur gegen beteiligte Personen. Dies sei die jüngste Demonstration dessen, dass Russland die Konfrontation mit der EU gewählt habe, anstatt zuzustimmen, den negativen Verlauf der bilateralen Beziehungen zu ändern. Die EU behalte sich das Recht vor, als Reaktion angemessene Maßnahmen zu ergreifen.

Sassoli selbst hatte sich zuvor bereits unbeeindruckt gezeigt. Er sei im Kreml offensichtlich nicht willkommen, schrieb der Sozialdemokrat auf Twitter. «Ich habe es ein wenig erwartet.» Er fügte hinzu: «Keine Sanktionen oder Einschüchterung werden das Europäische Parlament oder mich davon abhalten, Menschenrechte, Freiheit und Demokratie zu verteidigen. Drohungen werden uns nicht zum Schweigen bringen.» Wie schon der russische Schriftsteller Leo Tolstoi geschrieben habe, gebe es keine Größe, wo keine Wahrheit herrsche.

Auch Jourova sagte, sie werde weiter für Menschenrechte, Medienfreiheit und Demokratie eintreten. Russlands Bemühungen, Desinformationen zu verbreiten und Menschenrechte zu untergraben, verdiene eine starke und anhaltende Reaktion. «Wenn dies der Preis dafür ist, die Wahrheit zu sagen, dann zahle ich ihn gerne.»

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte bereits unter der Woche gewarnt, man müsse «auf eine lange und harte Phase in unseren Beziehungen zu Russland vorbereitet sein». Man sei erneut an einem Tiefpunkt und könne nicht ausschließen, dass der negative Trend sich fortsetze.

Russland kritisierte die Sanktionen der EU aus dem März am Freitag erneut und warf der EU «antirussische Hysterie» vor. Alle Vorschläge aus Moskau zur Lösung von Problemen zwischen Russland und der EU würden «konsequent ignoriert oder abgelehnt». Ziel es sei offenbar, die Entwicklung Russlands um jeden Preis einzudämmen», hieß es. Allein im März seien sechs Russen «unrechtmäßigen EU-Beschränkungen» ausgesetzt gewesen.

Von der Entscheidung der EU-Staaten betroffen waren etwa der russische Generalstaatsanwalt Igor Krasnow und der Chef des zentralen Ermittlungskomitees Alexander Bastrykin. Zudem richten sich die Sanktionen gegen den Chef des Strafvollzugs, Alexander Kalaschnikow, sowie den Befehlshaber der Nationalgarde, Viktor Solotow.

Wegen des Anschlags auf Nawalny im vergangenen Sommer hatte die EU bereits 2020 Einreise- und Vermögenssperren gegen mutmaßliche Verantwortliche aus dem Umfeld des Präsidenten Wladimir Putin verhängt - und Moskau hatte entsprechend reagiert. Die EU geht davon aus, dass staatliche Stellen in Russland hinter dem Attentat stehen. Russland hatte das stets zurückgewiesen und sich eine Einmischung in innere Angelegenheiten verbeten.

Der Oppositionspolitiker Nawalny war Anfang Februar zu Lagerhaft verurteilt worden. Er soll mehrfach gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren verstoßen haben. Die EU hält das Urteil für unzulässig, unter anderem weil Nawalny sich nach einem Nervengift-Anschlag auf ihn mehrere Monate in Deutschland behandeln lassen musste. Der 44-Jährige hatte erst vor einer Woche einen Hungerstreik im Straflager beendet.

Die russischen Behörden gehen derzeit verstärkt gegen Nawalnys Organisationen vor. Die Finanzaufsichtsbehörde nahm am Freitag die regionalen Vertretungen des Oppositionellen in die Liste extremistischer und terroristischer Organisationen auf.

Die Beziehungen zwischen Moskau und Brüssel sind seit langem zerrüttet. Das liegt nicht allein am Fall Nawalny. Die EU verhängte zum Beispiel Sanktionen gegen Moskau wegen Russlands Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim und des Konflikts in der Ostukraine.

© dpa-infocom, dpa:210430-99-421522/6