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Fall Skripal spitzt sich zu
Russland weist Dutzende Diplomaten aus

Am Anfang stand ein Giftanschlag auf einen russischen Ex-Agenten in England. Inzwischen hat sich der Fall Skripal zu einer globalen diplomatischen Krise ausgewachsen. Der UN-Generalsekretär sieht gar einen neuen Kalten Krieg heraufziehen.

Moskau (dpa) - Der Streit zwischen Russland und westlichen Staaten über den Nervengiftanschlag auf den russischen Ex-Agenten Sergej Skripal spitzt sich zu.

Die Regierung in Moskau hat die Ausweisung Dutzender westlicher Diplomaten verfügt. Allein aus den USA müssen 60 Diplomaten binnen einer Woche Russland verlassen. Das amerikanische Generalkonsulat in St. Petersburg wird geschlossen. Wie Außenminister Sergej Lawrow den Agenturen Tass und Interfax zufolge weiter ankündigte, werden auch Dutzende Diplomaten anderer Länder des Landes verwiesen.

Der Schritt ist Moskaus Antwort auf die Entscheidung von rund 25 Staaten sowie der Nato, mehr als 140 russische Diplomaten auszuweisen. Auch Deutschland hat vier russische Vertreter zu unerwünschten Personen erklärt. Auf deutsche Diplomaten ging Lawrow aber zunächst nicht konkret ein.

Anlass des Zwists sind die Vorwürfe nach dem Giftangriff Anfang März auf den russischen Ex-Doppelagenten Skripal und dessen Tochter Yulia in Südengland. Die beiden waren am 4. März in der Kleinstadt Salisbury bewusstlos auf einer Parkbank entdeckt worden. Großbritannien macht Russland dafür verantwortlich, weil angeblich der zu Sowjetzeiten entwickelte chemische Kampfstoff Nowitschok eingesetzt wurde. Moskau weist die Anschuldigungen zurück.

Angesichts wachsender Spannungen zwischen Russland und der westlichen Welt warnte UN-Generalsekretär António Guterres vor einer Art neuem Kalten Krieg.

Die USA hatten besonders scharf auf die britischen Vorwürfe gegen Russland reagiert. 60 russische Diplomaten wurden ausgewiesen und das Konsulat in Seattle muss geschlossen werden.

Die USA kritisierten die angekündigte Ausweisung ihres diplomatischen Personals als «nicht gerechtfertigt». «Wir lesen das, wir bewerten das und wir behalten uns das Recht einer Antwort vor», sagte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Heather Nauert. Moskau sei gegenwärtig offensichtlich nichts an einer Verbesserung der Beziehungen gelegen.

Lawrow sagte, der US-Botschafter in Moskau sei einbestellt worden. Das Außenministerium teilte mit, 58 der 60 ausgewiesenen US-Vertreter kämen aus der Botschaft in Moskau, zwei weitere seien aus dem Generalskonsulat in der Uralmetropole Jekaterinburg. Sie müssen Russland bis zum 5. April verlassen.

Aus den anderen Ländern, die sich an dem Vorgehen gegen Russland beteiligt hätten, müssten zudem ebenso viele Diplomaten das Land verlassen wie russische Vertreter ausgewiesen wurden. «Fürs Erste ist das alles», sagte Lawrow. Die deutsche Regierung äußerte sich zunächst nicht zu den verfügten Ausweisungen.

Der Streit zwischen Moskau und dem Westen schaukelt sich seit Tagen hoch. Doch das Vorgehen gegen Moskau ist in der EU umstritten. Russland verweist darauf, dass London keine konkreten Beweise gegen Moskau vorgelegt habe. Mehrere EU-Staaten, darunter Österreich, Luxemburg und Griechenland, haben sich nicht an der Aktion beteiligt und argumentieren ebenfalls mit der unklaren Beweislage.

«Wir haben einen Vorfall, dessen Sachverhalt der Aufklärung noch harrt», sagte Österreichs Außenministerin Karin Kneissl. Es hätte andere diplomatische Möglichkeiten gegeben, auf den Verdacht angemessen zu reagieren. «Das Ausweisen von Diplomaten war nie unsere Praxis», sagte Kneissl. Gerade in schwierigen Zweiten gelte es, die Kommunikation aufrechtzuerhalten.

Mehr Klarheit könnte möglicherweise eine Befragung der vergifteten Yulia Skripal bringen, sollte sie bald wieder vernehmungsfähig sein. Eine Mitteilung des Krankenhauses in Salisbury nährte Hoffnungen. Die 33-Jährige sei nicht mehr in einem kritischen Zustand, sie spreche gut auf die Behandlung an, hieß es. Der Zustand von Sergej Skripal (66) hat sich demnach nicht verändert, er bleibe «kritisch aber stabil».

Russland bekräftigte seine Forderung nach einem Zugang zu Yulia Skripal. Für den Mittwoch nach Ostern beantrage Moskau zudem eine Sondersitzung der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW), sagte Lawrow.

Seit dem Aufflammen des Streits hatten Großbritannien und Russland bereits gegenseitig 23 Diplomaten ausgewiesen. Moskau untersagte auch die Arbeit des britischen Kulturinstituts British Council. Zwischen beiden Ländern ist es schon in den vergangenen Jahrzehnten zu großen Spionagefällen mit der Ausweisung Dutzender Vertreter gekommen.

Mit Deutschland gab es zuletzt 2014 einen diplomatischen Konflikt, als eine ranghohe Mitarbeiterin der Botschaft in Moskau Russland verlassen musste. Kurz zuvor war ein Attaché am russischen Generalkonsulat in Bonn als Agent des Militärgeheimdienstes GRU enttarnt worden.