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Colorado
Schütze tötet zehn Menschen in US-Supermarkt

Tatort
Polizisten stehen vor einem Supermarkt im US-Bundesstaat Colorado, in dem zehn Menschen getötet wurden. Foto: Joe Mahoney/AP/dpa
Im US-Bundesstaat Colorado sterben zehn Menschen bei einer Attacke im Supermarkt. Die Rufe nach schärferen Waffengesetzen werden lauter - wieder einmal. Wann erreicht das Land einen Wendepunkt?

Boulder/Washington (dpa) - Erneut erschüttert ein schwerer Schusswaffenangriff die USA: Ein Schütze hat im Bundesstaat Colorado zehn Menschen in einem Supermarkt getötet.

Die Attacke ereignete sich am Montag (Ortszeit) in einem Einkaufskomplex mit mehreren Geschäften und Cafés in der Stadt Boulder nordwestlich von Denver. Unter den Toten ist auch ein Polizist. Er sei einer der ersten Beamten am Tatort gewesen und erschossen worden, sagte die örtliche Polizeichefin Maris Herold. Ein 21 Jahre alter Verdächtiger wurde in Gewahrsam genommen, wie die Polizei mitteilte. Es ist der zweite schwere Schusswaffenangriff mit mehreren Toten innerhalb einer Woche in den USA. Der Gewaltausbruch löste große Bestürzung aus.

Die Polizei veröffentlichte die Namen der Todesopfer. Sie waren zwischen 20 und 65 Jahre alt - darunter der 51 Jahre alte Polizist. Herold sagte, der Beamte hinterlasse sieben Kinder.

Der Tatverdächtige wurde laut Polizei in Gewahrsam genommen und zunächst mit einer Verletzung am Bein ins Krankenhaus gebracht. Möglichst bald sollte der Mann in ein Gefängnis überführt werden, hieß es. Ihm wird Mord in zehn Fällen vorgeworfen. Herold betonte, es sei noch zu früh, um etwas zum Motiv für die Tat zu sagen.

Der zuständige Bezirksstaatsanwalt Michael Dougherty erklärte, die Ermittlungen stünden ganz am Anfang. «Wir müssen noch viel herausfinden.» Nach bisherigen Erkenntnissen habe der Verdächtige den größten Teil seines Lebens in den USA gelebt. Konkreter wurde Dougherty nicht. Er betonte aber, man gehe davon aus, dass der Mann alleine gehandelt habe und keine weitere Gefahr für die Gemeinde bestehe. Die Bundespolizei FBI unterstützt bei den Ermittlungen.

«Es fühlt sich an wie der sicherste Ort in Amerika, und ich wurde gerade fast getötet, weil ich eine Limo und eine Tüte Chips gekauft habe», sagte ein schockierter Augenzeuge namens Ryan Borowski dem Sender CNN. Er berichtete, dass es im Supermarkt mehrmals laut geknallt habe. Beim dritten Knall seien die Leute nur noch gerannt.

Steve Staeger sagte dem Sender NBC, sein Schwiegersohn und zwei Enkelinnen hätten sich zur Tatzeit in dem Supermarkt befunden und rund eine Stunde lang in einer Umkleide versteckt. Die Polizei habe sie schließlich in Sicherheit gebracht. Er forderte eine Reform der Waffengesetze: «Jede Woche gibt es in den USA eine Schießerei. Diesmal waren wir dran. Das sollte sich nirgends wiederholen».

In den USA kommt es regelmäßig zu tödlichen Zwischenfällen mit Schusswaffen, die dort leicht zu kaufen sind. Die Gesundheitsbehörde CDC verzeichnete in ihrer jüngsten Statistik aus dem Jahr 2018 insgesamt 39.740 Schusswaffentote in den USA - also etwa 109 Tote pro Tag. Während der Pandemie und der Beschränkungen des sozialen Lebens waren blutige Schießereien etwas seltener geworden. Beobachter beklagten angesichts der zwei schweren Attacken innerhalb weniger Tage jedoch die Rückkehr zu einer düsteren «Normalität» in den USA.

Der Gouverneur von Colorado, Jared Polis, sprach von einer «sinnlosen Tragödie». Der demokratische Kongressabgeordnete aus Colorado, Joe Neguse, beklagte, Einkaufen im Supermarkt sei eine der wenigen Aktivitäten, die inmitten der Pandemie noch möglich seien. Dass das Leben der Opfer dort so jäh beendet worden sei, schmerze besonders. «Das kann nicht unsere neue Normalität sein.» Die Menschen müssten sich in Supermärkten, Schulen und Kinos sicher fühlen können.

US-Präsident Joe Biden reagierte erschüttert auf den Vorfall und ordnete an, die Flaggen an öffentlichen Gebäuden für mehrere Tage auf halbmast zu setzen, um der Opfer von Colorado zu gedenken.

Erst am vergangenen Dienstag waren in drei Massage-Salons in und um Atlanta im US-Bundesstaat Georgia acht Menschen erschossen worden. Sechs von ihnen hatten einen asiatischen Hintergrund, sieben Opfer waren Frauen. Als Motiv für die brutalen Angriffe nannte der weiße Tatverdächtige Sexsucht und das Ziel, die «Versuchung» durch Massage-Salons ausmerzen zu wollen. Der Angriff fachte in den USA die Debatte über zunehmenden Hass gegen asiatischstämmige Amerikaner an.

Die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, beklagte: «Zum zweiten Mal in einer Woche ist unsere Nation mit der Epidemie der Waffengewalt konfrontiert.» Es müsse endlich gehandelt werden, «um zu verhindern, dass diese Geißel unsere Gemeinden weiterhin verwüstet».

Rufe nach schärferen Waffengesetzen gibt es nach jeder größeren Schuss-Attacke in den USA - jedoch ohne größeren Erfolg. Die Demokraten im Repräsentantenhaus hatten erst kürzlich einen neuen Anlauf gestartet, um gesetzlich zu regeln, dass Waffenkäufer strenger kontrolliert werden. Bislang ist aber nicht in Sicht, dass es dafür im US-Senat die nötige Mehrheit geben dürfte. Viele Republikaner stehen strengeren Waffengesetzen kritisch gegenüber. Die Waffenlobby ist in den Vereinigten Staaten sehr stark.

Biden rief den Senat auf, den Initiativen aus dem Repräsentantenhaus zuzustimmen. Außerdem sprach er sich dafür aus, auch kriegsartige Waffen wie Sturmgewehre zu verbieten. Beides wird in den USA schon seit längerem diskutiert, fand bislang jedoch nicht die nötigen Mehrheiten im Kongress. «Wir müssen handeln», mahnte Biden.

Auch der frühere US-Präsident Barack Obama äußerte sich erschüttert über die Bluttat in Colorado und forderte schärfere Waffengesetze. Es sei lange überfällig, die Epidemie von Waffengewalt zu bekämpfen. Der «Widerstand feiger Politiker» und der Druck der Waffenlobby müssten und könnten überwunden werden. Es dürfe nicht sein, dass allein die Pandemie die Zahl an Schusswaffenattacken im Land verringere.

© dpa-infocom, dpa:210323-99-930471/6

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