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Hält die CDU-CSU-Einigung?
SPD hat noch Klärungsbedarf bei Asyl-Kompromiss der Union

Der Sturz der Kanzlerin ist abgewendet, der Rücktritt des Innenministers zurückgenommen. Aber der Kompromiss von CDU und CSU in der Flüchtlingspolitik wackelt noch. Die SPD will ihn nicht einfach abnicken, zeigt sich aber einigungswillig.

Berlin (dpa) - Der SPD hält sich eine Zustimmung zum hart errungenen Asylkompromiss von CDU und CSU offen.

Nach einem Treffen der Koalitionsspitzen in Berlin zeigten sich SPD-Chefin Andrea Nahles und Vizekanzler Olaf Scholz am Dienstagabend aber trotz Vorbehalten verhalten optimistisch, mit der Union eine Einigung zu erzielen. Besonders umstritten sind von der Union geplante Transitzentren an der deutsch-österreichischen Grenze in Bayern, in denen Flüchtlinge auf ihre Zurückweisung warten sollen.

«Alles ist noch im Fluss und wir brauchen noch etwas Zeit, um das präzise zu machen», sagte Scholz nach dem Gespräch, an dem auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer teilnahmen. «Mit einem politischen Bekenntnissatz ist es nicht getan.» Ziel sei eine «vernünftige, pragmatische, gesetzliche ordentliche Regelung», sagte Scholz ohne Details zu nennen.

SPD-Vize Ralf Stegner hatte vor Beginn des Treffens betont, gefängnisähnliche Einrichtungen lehne seine Partei ab. «Wir wollen keine Flüchtlingsfamilien hinter bewachten Zäunen». CDU und CSU wollen an der deutsch-österreichischen Grenze von ihnen so genannte Transitzentren für Flüchtlinge einrichten. Von dort sollen Asylbewerber, für deren Verfahren ein anderer EU-Staat zuständig ist, in diesen Staat zurückgebracht werden - wenn es denn entsprechende Abkommen gibt. In den Transitzentren sollen nach den Unionsplänen Menschen nur wenige Tagen bis zu einer Rückführung bleiben. Die SPD hatte aber bereits 2015 solche Einrichtungen als «Haftzentren» abgelehnt. Damals ging es allerdings um tausende die Grenze überquerende Menschen, heute nur um wenige Fälle mit zudem kurzer Aufenthaltszeit.

Eine Umsetzung des Kompromisses hängt auch stark von Österreich ab. So ist die Frage, was mit Flüchtlingen geschehen soll, die schon in anderen Staaten wie zum Beispiel Italien registriert sind, und über Österreich nach Deutschland eingereist sind. Da Deutschland mit der Mehrheit der EU-Staaten - darunter Italien - keine Vereinbarungen für beschleunigte Rückführungen hat, würden diese Menschen einfach nach Österreich geschickt werden. «Wir sind sicherlich nicht bereit, Verträge zu Lasten Österreichs abzuschließen», sagte dazu am Dienstag Österreichs Kanzler Sebastian Kurz. Die grundsätzliche Sympathie für die neue deutsche migrationskritische Linie habe ihre Grenzen. «Es ist noch nicht ganz klar geworden, was Deutschland hier genau vorhat.»

Kurz erwartet von einem Treffen mit dem deutschen Innenminister Seehofer (CSU) am Donnerstag in Wien weitere Aufklärung. Seehofer hatte zunächst im Asylstreit mit Kanzlerin Merkel (CDU) mit Rücktritt gedroht. Er wollte schon woanders registrierte Flüchtlinge direkt an der Grenze durch neue Kontrollen abfangen und wegschicken - auch wenn unklar ist, wohin sie dann gehen könnten. Merkel lehnte das ab. Als Lösung wurde die alte Idee der Transitzentren neu belebt.

Führende SPD-Landespolitiker kritisierten, der Unions-Kompromiss sei zu schwammig. Opposition und Hilfsorganisationen riefen die SPD auf, den Beschluss abzulehnen. Mit der Einigung war nach wochenlangem Streit ein Kompromiss zwischen Kanzlerin Merkel (CDU) Seehofer (CSU) vorerst befriedet worden. Auch ein Bruch zwischen CDU und CSU schien zwischenzeitlich möglich. Am Dienstagabend hatten SPD-Chefin Nahles und Vizekanzler Scholz bei dem Treffen mit Merkel und Seehofer noch viele Fragen, am Donnerstag soll es den nächsten Koalitionsausschuss geben.

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig warf Merkel mangelnde Absprachen vor. Die Ergebnisse der Unionseinigung seien ohne Beratung mit dem Koalitionspartner SPD präsentiert worden, sagte die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern im NDR.

Die österreichische Außenministerin Karin Kneissl kritisierte, die Pläne der Union würden «eine ganze Reihe von europarechtlichen und damit auch politischen Fragen» aufwerfen. «Wir wurden zu keinem Zeitpunkt einbezogen. Und wir warten jetzt auf weitere Details von deutscher Seite», sagte Kneissl am Dienstag in Schengen (Luxemburg) am Rande eines Treffens mehrerer europäischer Außenminister.

Kurz, Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) haben sich vorbehalten, Maßnahmen zur Sicherung der österreichischen Südgrenze mit Italien zu ergreifen - von dort kommen mit die meisten Asylsuchenden über Österreich nach Deutschland. Innenpolitisch hängt nun alles an der SPD: Nahles sagte, es gebe «noch ungedeckte Schecks in dieser Verabredung».

Neben fehlenden Abkommen mit Italien und Österreich sei der Begriff Transitzentren irreführend. Solche Zentren hatte die SPD 2015 unter allerdings völlig anderen Voraussetzungen abgelehnt. Damals kamen täglich Tausende Flüchtlinge nach Deutschland. In der Fraktion wurde besonders die Frage erörtert, ob die geplanten Aufnahmeeinrichtungen geschlossene, gefängnisähnliche Zentren sein sollen.

SPD-Generalsekretär Klingbeil sagte der «Rheinischen Post»: «Unser Beschluss gilt: Wir wollen keine geschlossenen Lager.» Juso-Chef Kevin Kühnert sagte der Deutschen Presse-Agentur, die SPD lehne geschlossene Lager klar ab. «Egal ob in Nordafrika, an der europäischen Außengrenze oder in Passau.»

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nannte den Asyl-Kompromiss von CDU und CSU einen «Erfolg» und mahnte die Rückkehr zu Stabilität, Ruhe und Verlässlichkeit an. «Bayern hat was bewegt: sowohl letzte Woche in Brüssel als auch jetzt in Berlin», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Transitzentren sind CSU pur. Transitzentren bedeuten eine klare Begrenzung der Zuwanderung.»

Scharfe Kritik an dem Kompromiss gab es aus der Opposition. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch rief die SPD dazu auf, den Plänen des Koalitionspartners nicht zuzustimmen. Die angepeilten Transitzonen seien rechtswidrig, kritisierte Bartsch. Auch Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte von der SPD, die Einigung der Union abzulehnen.

Ebenso argumentierten die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl und das internationale Kinderhilfswerk Terre des Hommes. «Schutzsuchende wegzusperren ist eine Verrohung unserer Gesellschaft. Wir fordern die SPD auf, nicht teilnahmslos zuzusehen und bei ihrer gut begründeten Position aus 2015 zu bleiben», sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt.

Aus Sicht der AfD kann von einer «Asylwende» keine Rede sein. Parteichef Jörg Meuthen sagte der dpa, Seehofer habe von der CDU «nur ungedeckte Schecks erhalten». Deutschland werde sich auch in Zukunft schwer damit tun, Asylbewerber, die einmal die Grenze passiert haben, wieder außer Landes zu bringen. Auch durch die Unterbringung in grenznahen Transitzentren werde dieses grundlegende Problem nicht gelöst.

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