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Vor EU-Sondergipfel
Streit um Brexit-Verlängerung: May bei Merkel und Macron

Westminster Palace
Britische Flaggen vor der Kulisse des Palace of Westminster, Sitz des Parlaments in London. Foto: Matt Dunham/AP
Theresa May
Theresa May, Premierministerin von Großbritannien, und ihr Mann Philip. Foto: Andrew Matthews/PA Wire
Michel Barnier und Leo Varadkar
EU-Chefunterhändler Michel Barnier (l) neben dem irischen Regierungschef Leo Varadkar in Dublin. Foto: Niall Carson/PA Wire
Anti-Brexit-Protest
Protest gegen den Brexit vor dem britischen Parlament in London. Foto: Rebecca Brown/PA Wire
Parlament in London
Harter Brexit oder geordneter Brexit? Noch immer ist das politische Ringen im britischen Parlament nicht beendet. Foto: Andrew Mccaren/London News Pictures via ZUMA
Brexit
Ein Demonstrant schwenkt eine britische und eine EU-Fahne vor den Parlamentsgebäuden in Westminster. Foto: Frank Augstein/AP
Spitzentreffen in letzter Minute: Großbritanniens Premierministerin May reist noch schnell nach Berlin und Paris. Hilft ihr das beim Brexit-Gipfel der EU am Mittwoch?

London/Berlin (dpa) - Einen Tag vor dem EU-Sondergipfel zum Brexit sucht die britische Premierministerin Theresa May Unterstützung bei Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron.

May will am Mittwoch in Brüssel für ihre Bitte um eine Verlängerung der Austrittsfrist bis zum 30. Juni werben. Die EU hat klargemacht, dass sie dafür einen Plan vorlegen muss, wie es im Gezerre um den EU-Austritt der Briten konkret weitergehen soll.

Bislang ist der Brexit für Freitag (12. April) geplant, notfalls ohne Abkommen mit der EU. Sollte sich der Austritt über den 22. Mai hinaus verschieben, müsste Großbritannien einen Tag später an der Wahl des EU-Parlaments teilnehmen, wie eine Regierungssprecherin am Montag sagte. Die Briten wählen immer donnerstags, das wäre der 23. Mai. Gewählt wird in der EU von Donnerstag, 23. Mai, bis Sonntag, 26. Mai.

Sowohl in Großbritannien als auch in den anderen EU-Ländern gibt es Vorbehalte gegen eine Teilnahme der Briten an der Wahl. Bisher ist aber in London kein Kompromiss der zerstrittenen politischen Lager darüber in Sicht, wie das Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien nach der Scheidung aussehen soll. Am Montag nahmen Vertreter der Regierung und der oppositionellen Labour-Partei ihre Gespräche dazu wieder auf. Mays mit der EU ausgehandeltes Brexit-Abkommen war im britischen Parlament dreimal durchgefallen.

Ziel der britischen Regierung bleibt, noch vor der Europawahl eine Lösung zu finden, wie ein Sprecher am Montag bekräftigte. Ohne ein Abkommen aus der EU zu scheiden, will May aber verhindern. Denn dann droht Chaos an den Außengrenzen Großbritanniens zur EU - die Folge wären kilometerlange Lastwagenstaus und Kontrollen auch an der Grenze zwischen Irland und dem britischen Nordirland mit der Gefahr eines Wiederaufflammens des Konflikts in der ehemaligen Bürgerkriegsregion.

May telefonierte am Montag unter anderem mit EU-Ratspräsident Donald Tusk, Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, dem irischen Regierungschef Leo Varadkar, dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte und Maltas Premierminister Joseph Muscat.

Tusk hatte eine Verzögerung des Brexits um bis zu zwölf Monate vorgeschlagen - mit der Option, die EU früher zu verlassen, wenn eine Einigung auf einen Brexit-Deal gelingt. Ursprünglich war der Austritt aus der Staatengemeinschaft bereits für den 29. März geplant.

Kanzlerin Merkel will einen Brexit ohne Deal ebenfalls vermeiden. Regierungssprecher Steffen Seibert unterstrich in Berlin, dass es in diesen schwierigen Zeiten des Übergangs wichtig sei, die Einheit der übrigen 27 EU-Länder zu wahren. Die Gespräche mit London würden im Geiste des Respekts geführt und mit Blick auf das Anliegen, nach dem Austritt ein partnerschaftliches Verhältnis aufrechtzuhalten.

Präsident Macron, den May nach dem Treffen mit Merkel aufsuchen will, sieht eine weitere Verschiebung des Austritts mit großer Skepsis. Die EU könne nicht dauerhaft «Geisel» einer politischen Krisenlösung in Großbritannien sein, hatte er vergangene Woche erklärt.

EU-Chefunterhändler Michel Barnier betonte die Solidarität der Europäischen Union mit Irland. Falls Großbritannien die EU ohne Abkommen verlasse, werde nichts mit London besprochen, bevor es keine Vereinbarung zum Verhältnis zwischen Irland und Nordirland gebe, sagte Barnier nach einem Gespräch mit Regierungschef Varadkar in Dublin. Varadkar sagte, Irland sei bereit, die Brexit-Frist zu verlängern, damit eine Einigung möglich werde.

Das Verhältnis zwischen Irland und dem britischen Nordirland gehört zu den größten Streitpunkten beim Brexit. Zollkontrollen könnten den Nordirland-Konflikt wieder hochkochen lassen - gleichzeitig muss die EU ihre Außengrenze sichern, wenn es keine anderweitige Vereinbarung gibt.

Es könnte auch sein, dass May ihren Antrag auf Verlängerung der Austrittsfrist bis zum 30. Juni noch einmal überarbeiten muss. Denn im Oberhaus in London wurde am Montag über einen Gesetzentwurf debattiert, der dem Parlament das Recht geben soll, über die Länge der Brexit-Verschiebung zu entscheiden. Tritt das Gesetz noch rechtzeitig in Kraft, darf das Unterhaus über die Dauer des Aufschubs abstimmen, bevor May nach Brüssel reisen kann. Am Montagabend war noch unklar, ob das Gesetz rechtzeitig in Kraft treten werde.

Der britische Außenminister Jeremy Hunt warb bei dem Treffen um Unterstützung für Mays Brexit-Kurs. Die Premierministerin lasse nichts unversucht, um das Brexit-Problem so schnell wie möglich zu lösen, versicherte Hunt. Angesichts der Tatsache, dass die Regierung wegen verschiedener Abweichler keine eigene Mehrheit im Parlament für Mays Deal habe, müsse man mit anderen Parteien eine Einigung suchen.

Brexit-Hardliner wie der frühere Außenminister Boris Johnson sind besorgt, dass May als Preis für einen Deal mit Labour-Chef Jeremy Corbyn eine Beibehaltung der Zollunion akzeptieren könnte. «Wenn Großbritannien sich verpflichtet, in der Zollunion zu bleiben, wäre das ein totaler und heilloser Unsinn mit Blick auf das Ergebnis des (Brexit-)Referendums», schrieb Johnson im «Daily Telegraph».