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Schwere Schlappe für Johnson
Supreme Court: Parlaments-Zwangspause ist rechtswidrig

Johnson in New York
Daumen hoch: Der britische Premierminister Boris Johnson zeigt sich äußerlich unbeeindruckt von seiner krachenden Niederlage vor dem Supreme Court. Foto: Matt Rourke/AP
Boris Johnson
Für Premier Boris Johnson ist die Entscheidung des Supreme Courts eine weitere schwere Schlappe im Ringen um den Brexit. Foto: Daniel Leal-Olivas/PA Wire/AFP POOL
Supreme Court
Die Richter im Supreme Court um Präsidentin Lady Hale. Foto: Supreme Court/PA
Speaker John Bercow
Alles in Order: Unterhaus-Sprecher John Bercow verkündet, dass das Parlament schon morgen wieder zusammenkommt. Foto: Matt Dunham/AP
Reaktion von Corbyn
Der Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn reagiert auf dem Parteitag in Brighton mit einer eindeutigen Geste. Foto: Gareth Fuller/PA Wire
Jubel vor dem Gericht
Ian Blackford, Fraktionsvorsitzender der Scottish National Party im Unterhaus, verlässt jubelnd den Obersten Gerichtshof. Foto: Jonathan Brady/PA Wire
Reaktionen
Gina Miller, Geschäftsfrau und prominente Aktivistin gegen einen harten Brexit, zeigt sich vor dem Supreme Court erleichtert. Foto: Jonathan Brady/PA Wire
Jubel bei Brexit-Gegnern
Brexit-Gegner jubeln nach der Entscheidung vor dem Supreme Court in London. Foto: Jonathan Brady/PA Wire
Johnson - schuldig?
Ein Mann vor dem Gericht hat sich als Boris Johnson in Sträflingskleidung verkleidet. Seine Meinung: Der Premier ist «schuldig». Foto: Jonathan Brady/PA Wire
Britisches Parlament
Das britische Parlament darf seine Zwangspause beenden. Foto: House Of Commons/PA Wire
In Rage
John Bercow, der scheidende Präsident des britischen Unterhauses, hatte Premierminister Boris Johnson vor einer Missachtung des Gesetzes gegen einen ungeregelten Brexit gewarnt. Foto: Yui Mok/PA Wire
Brexit
Lastwagen auf der A526 außerhalb von Dover: Die britische Regierung testete schon vor Monaten jede Möglichkeit, das Brexit-Chaos zu begrenzen. Foto: Gareth Fuller/PA Wire Foto: dpanitf3
Brexit
Fähren im Ärmelkanal: Die britische Regierung hat Verträge mit Reedereien abgeschlossen, um mögliche Engpässe nach dem Brexit mithilfe von gecharterten Fähren abzufedern. Foto: Gareth Fuller/PA Wire
Mini
Produktion von Mini-Fahrzeugen im Werk Oxford: Die britische Autoindustrie muss den Brexit besonders fürchten. Foto: BMW AG
Brexit
Verkleidet als Superhelden: Demonstranten spotten vor dem Obersten Gerichtshof über Premier Johnson, der Großbritannien mit dem Superhelden «Hulk» verglichen hatte. Foto: Kirsty O'Connor/PA Wire
Richter im Supreme Court in London
Richter im Supreme Court in London. Foto: Supreme Court/Press Association Images
Supreme Court
Der Supreme Court in London. Foto: Kirsty O'connor/PA Wire
Vernichtende Niederlage für Premierminister Boris Johnson: Das oberste britische Gericht attestiert dem Regierungschef, mit der Zwangspause für das Parlament gegen die Verfassung verstoßen zu haben. Die Suspendierung des Parlaments ist null und nichtig.

London/Brüssel (dpa) - Paukenschlag in London: Das oberste britische Gericht (Supreme Court) hat die von Premierminister Boris Johnson auferlegte Zwangspause des Parlaments für rechtswidrig erklärt und mit sofortiger Wirkung aufgehoben.

Die Abgeordneten werden am Mittwoch um 12.30 Uhr (MESZ) wieder zusammentreten, teilte der Präsident des Unterhauses, John Bercow, am Dienstag in London mit.

Für den Regierungschef ist das eine vernichtende Niederlage. Oppositionschef Jeremy Corbyn von der Labour-Partei forderte Johnson am Dienstag umgehend zum Rücktritt auf.

Der Supreme Court entschied, dass die Zwangspause die Abgeordneten in «extremer» Weise an der Ausübung ihres verfassungsmäßigen Auftrags hindere, wie die Vorsitzende Richterin Lady Brenda Hale bei der Urteilsverkündung ausführte. Das Parlament habe aber ein Recht darauf, in der Zeit vor einem wichtigen Ereignis wie dem geplanten EU-Austritt am 31. Oktober eine Stimme zu haben.

Die von Johnson bei Königin Elizabeth II. erwirkte Anordnung zur Parlamentsschließung gleiche einem «weißen Blatt Papier», so Hale. «Das Parlament ist nicht suspendiert. Das ist das einstimmige Urteil aller elf Richter.» Es handelt sich laut Hale um einen einmaligen Fall, den es unter diesen Umständen noch nie gegeben habe und «den es wahrscheinlich auch nie wieder geben wird».

Ex-Generalstaatsanwalt Dominic Grieve zufolge stieß das Gericht in ein Vakuum vor, «das der Premierminister geschaffen hat, indem er sich entschlossen hat, die ungeschriebenen Regeln unserer Verfassung zu missachten», sagte der von Johnson geschasste ehemalige Tory-Abgeordnete dem Sender Sky News. «Bei der britischen Verfassung beruht vieles auf Konventionen, das bedeutet auf dem Vertrauen, dass sich die Leute in einer bestimmten Weise verhalten.»

Johnson habe aber gezeigt, dass er sich nicht an diese ungeschriebenen Regeln halten wolle. Eine dieser Regeln laute, dass das Parlament nicht suspendiert werden darf, um politische Ziele zu erreichen.

Großbritannien hat, anders als Deutschland, keine in einem einzelnen Dokument niedergelegte Verfassung. Sie besteht stattdessen aus einer ganzen Reihe von Gesetzen, Gerichtsentscheidungen und Konventionen. Die Verfassung entwickelt sich durch Gesetzgebung oder neue Interpretationen bestehender Regeln ständig weiter und wird neuen Verhältnissen angepasst.

Manchmal ist daher auch von einer politischen Verfassung die Rede. Trotzdem widersprachen die Richter der Auffassung der Regierung, die Justiz sei im vorliegenden Fall nicht zuständig.

Die EU-Kommission wollte das Urteil des britischen Supreme Court nicht kommentieren. Es handele sich um interne verfassungsrechtliche Fragen eines Mitgliedstaats, zu denen man keine Stellung nehme, sagte eine Sprecherin am Dienstag. Für die EU-Kommission bleibe die britische Regierung Ansprechpartner in Sachen Brexit.

Begonnen hatte die Zwangspause in der Nacht zum 10. September. Bei der Abschlusszeremonie kam es zu tumultartigen Szenen. Das Parlament sollte erst am 14. Oktober - etwa zwei Wochen vor dem geplanten Brexit - wieder zusammentreten.

Trotz Zwangspause konnte Johnson nicht verhindern, dass die Abgeordneten ein Gesetz verabschiedeten, das den Premierminister zum Beantragen einer weiteren Verlängerung der Brexit-Frist verpflichtet. Sollte bis zum 19. Oktober kein Abkommen ratifiziert sein, müsste Johnson einen entsprechenden Antrag nach Brüssel schicken.

Der Regierungschef will sich dem jedoch nicht beugen. Wie das gehen soll, ohne das Gesetz zu brechen, erklärte Johnson bisher nicht. Gut möglich, dass auch dieser Streit wieder vor Gericht landen wird.

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