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Klage und Proteste
Trotz Zwangspause: Opposition will No-Deal-Brexit stoppen

Britisches Parlament
Blick auf das britische Parlament während einer Fragestunde (Archiv). Foto: House Of Commons/PA Wire
Pro-europäische Demonstranten in London
Pro-europäische Demonstranten protestieren vor dem Parlament in London. Foto: Matt Dunham/AP
Boris Johnson
Premier Boris Johnson will die Parlamentspause vor dem Brexit-Termin durchsetzen. Foto: Will Oliver/EPA
Anti-Brexit-Demonstranten in London
Anti-Brexit-Demonstranten versammeln in London. Foto: Matt Dunham/AP
Brexit-Gegner vor dem Parlament in London
Brexit-Gegner protestieren vor dem Parlament in London. Foto: Vudi Xhymshiti/AP
«RIP British Democracy»
Ein Mann verkleidet mit einem riesigen Kopf des britischen Premierministers Johnson neben einem symbolischen Grabstein mit der Aufschrift «RIP British Democracy» (Ruhe in Frieden britische Demokratie). Foto: Stefan Rousseau/PA Wire
John Bercow
Der Schritt stelle einen «Frevel gegen die Verfassung» dar, sagte Parlamentspräsident John Bercow. Foto: PA Wire/House Of Commons
Westminster
Blick auf den Palace of Westminster, das britische Parlament. Foto: David Parry/PA Wire
Die Entscheidung des britischen Premierministers Johnson, das Parlament in London kurz vor dem Brexit-Datum lahmzulegen, trifft auf großen Widerstand. Mehr als eine Million Menschen unterzeichnen eine Petition gegen die Maßnahme.

London/Edinburgh (dpa) - Die von Premierminister Boris Johnson erwirkte Zwangspause des britischen Parlaments hat auch am Tag nach der Entscheidung erhebliche Kontroversen ausgelöst. Ein Mitglied der konservativen Regierungspartei im Oberhaus, David Young, legte aus Protest sein Fraktionsamt nieder.

Eine Online-Petition gegen die Suspendierung des Parlaments erreichte derweil um die Mittagszeit rund 1,4 Millionen Unterschriften. Die Eingaben an das Parlament haben jedoch hauptsächlich symbolischen Charakter.

Das oberste Gericht in Schottland beraumte indessen eine kurzfristige Anhörung in der Sache an. Eine Gruppe von Abgeordneten hatte dort Klage eingereicht und forderte eine einstweilige Verfügung bis geklärt ist, ob die Zwangspause für das Parlament rechtmäßig ist. Wann eine Entscheidung getroffen werden soll, war zunächst unklar. Auch die Aktivistin und Geschäftsfrau Gina Miller erklärte, sie habe rechtliche Schritte eingeleitet.

Die britische Opposition will trotz der Suspendierung des Parlaments versuchen, einen No-Deal-Brexit per Gesetz zu verhindern. Das sagte der Labour-Politiker Barry Gardiner in einem BBC-Interview. «Wir werden versuchen, die entsprechende Gesetzgebung in diesem engen Zeitrahmen, den uns die Regierung auferlegt hat, durchzubringen», sagte Gardiner.

Die Abgeordneten haben nur wenige Tage Zeit, um ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren durchzuführen, wenn das Parlament am kommenden Dienstag erstmals nach der Sommerpause wieder zusammentritt. Zwischen dem 9. und 12. September soll die laufende Sitzungsphase beendet werden.

Alle bis dahin nicht abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahren verfallen dann. Ein zweites Zeitfenster im Oktober ist ähnlich eng. Angesichts der vielen Hürden im Gesetzgebungsverfahren ist es kaum möglich, ein Gesetz in dieser kurzen Zeit zu verabschieden.

Sorgen bereitet den No-Deal-Gegnern vor allem das Oberhaus, weil dort regierungstreue Lords mit einer Flut von Anträgen und Filibuster (Dauerreden) versuchen könnten, Zeit zu verschwenden. Verfassungsexperten zufolge könnten die Abgeordneten einige Tage gewinnen, wenn das Parlament beschließt, auch Samstag und Sonntag zu Sitzungstagen zu erklären.

Sollte es nicht gelingen, ein Gesetz gegen den Brexit ohne Abkommen zu verabschieden, bliebe wohl nur ein Misstrauensvotum gegen die Regierung. Umstritten ist jedoch, wer eine Interimsregierung nach dem möglichen Sturz Johnsons anführen soll. Oppositionsführer Jeremy Corbyn gilt dafür als zu kontrovers. «Diese Gespräche müssen jetzt in aller Kürze und in aller Dringlichkeit geführt werden», sagte die deutschstämmige liberale Abgeordnete Wera Hobhouse dem SWR am Donnerstag in einem Interview.

Die am Donnerstag zurückgetretene Chefin der schottischen Konservativen, Ruth Davidson, wies indessen Spekulationen zurück, sie habe ihr Amt wegen des Brexit-Kurses der Regierung abgegeben. Die Gründe dafür seien in erster Linie privat, sagte die 40-Jährige bei einer Erklärung in Edinburgh. Sie wolle mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen.

Davidson gilt als eine der erbittertsten Gegnerinnen eines ungeregelten Brexits in der Tory-Partei. Ihre Botschaft an Johnson sei: «Premierminister, besorgen sie uns einen Deal mit der Europäischen Union.» Sie sei überzeugt, dass Johnson ein Abkommen mit der EU vor dem Austrittsdatum am 31. Oktober erreichen wolle. Die No-Deal-Gegner im Parlament rief sie dazu auf, für ein Abkommen zu stimmen. Davidson galt einst als Hoffnungsträgerin ihrer Partei.

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