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Polit-Thriller in Kiew
Trumps Ukraine-Affäre bringt Selenskyj in die Zwickmühle

Trump und Selenskyj
Donald Trump (r) und Wolodymyr Selenskyj am Rande der UN-Generalversammlung in New York. Foto: Evan Vucci/AP/dpa
In der Ukraine-Affäre von US-Präsident Trump spielt Kiews Staatschef Selenskyj ungewollt eine zentrale Rolle. Aber auch das Engagement von Trumps demokratischem Rivalen Joe Biden und dessen Sohn Hunter in der Ukraine wirft viele Fragen auf.

Kiew/Washington/Moskau (dpa) - Die stürmische Ukraine-Affäre in den USA lässt in Kiew auch Präsident Wolodymyr Selenskyj nicht zur Ruhe kommen.

Eigentlich trat der 41-Jährige zu Beginn dieses neuen Monats vor die Presse, um Fortschritte bei der Lösung des blutigen Konflikts in der Ostukraine zu verkünden. Doch das interessierte weniger als mögliche neue Enthüllungen dazu, wie US-Präsident Donald Trump ihn unter Druck gesetzt haben könnte, um sich seinen demokratischen Rivalen Joe Biden vor der Präsidentenwahl 2020 vom Hals zu schaffen. Ob sie Kinder hätten, fragte Selenskyj die Reporter, er müsse jetzt nämlich zu seinen Kindern. Weg war er.

Es gab nur einen Mini-Happen vom ukrainischen Präsidenten, der sagte, dass er Trumps Anwalt Rudy Giuliani nie getroffen und auch nie mit ihm telefoniert habe. Seit der Veröffentlichung einer Protokollnotiz zu einem Telefonat mit Trump ist Selenskyj bemüht, möglichst keinen Satz mehr zu viel zu sagen. Keinen Satz, der entweder ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump befeuern oder Biden und seinen Sohn Hunter in ein schlechtes Licht rücken könnte. Das dringend auf US-Hilfe angewiesene Land will es sich mit niemandem verscherzen.

Nach erst wenigen Monaten im Amt findet sich der frühere Fernseh-Komiker nun in einem handfesten Polit-Thriller wieder. Und der dreht sich in der Ukraine weniger um Trump als um Vater und Sohn Biden. Dauerbrenner ist hier ein Video, in dem Biden im Januar 2018 davon erzählt, wie er als Vize-Präsident ein gutes Dutzend Mal in der Ukraine war und bei Präsident Petro Poroschenko darauf bestanden habe, dass Generalstaatsanwalt Viktor Schokin entlassen werde. Und Biden erzählt auch, dass dies die Bedingung gewesen sei für weitere Finanzhilfen der USA an die Ukraine.

In dem Video-Mitschnitt gibt Biden seine früheren Äußerungen gegenüber der ukrainischen Seite wie folgt wieder: «Ich fliege in sechs Stunden ab. Wenn der Staatsanwalt bis dahin nicht gefeuert ist, dann bekommt ihr kein Geld.» Es ging immerhin um eine Milliarde US-Dollar. Das sieht vor allem nach Auffassung des Trump-Lagers in den USA nach Erpressung aus. Trump beklagte, dass die US-Medien nicht sähen, dass Bidens Verhalten in der Ukraine korrupt gewesen sei.

Doch geht es hier um eine andere, womöglich weitreichendere Frage - und zwar die, ob Biden mit seinem Druck auf die ukrainische Führung auch seinen Sohn schützen wollte. Generalstaatsanwalt Schokin hatte nämlich zu der Zeit gegen den skandalumrankten Gasförderer Burisma wegen der Vergabe von Förderlizenzen ermittelt. Bidens Sohn Hunter hatte dort 2014 als Aufsichtsratsmitglied angeheuert - mit rund einer halben Million Euro Jahreseinkommen. Was er für das Geld genau machte, ist unklar.

Schon im Mai sagte Schokin der Internetzeitung «Glavred», dass Biden ihn habe feuern lassen wegen der Ermittlungen gegen Burisma. Schokin selbst sieht sich von Biden aber jetzt als korrupter Beamter verunglimpft. Dass Selenskyj nun Licht bringen lässt in diesen Fall, ist kaum zu erwarten. Er betont die Unabhängigkeit der ukrainischen Justiz. Auch der für Schokin eingesetzte Generalstaatsanwalt Juri Luzenko hat inzwischen das Land verlassen.

Joe Biden dementiert kategorisch, dass er als Vizepräsident seinen Sohn vor Ermittlungen in der Ukraine geschützt habe. «Nicht die Spur eines Beweises» gebe es dafür, meinte er unlängst. Doch wirkt seine Wahlkampfmannschaft nervös. Bidens Team forderte Fernsehsender am Sonntag schriftlich auf, Trumps persönlichem Anwalt Giuliani «im Dienste der Fakten» keine Sendezeit mehr einzuräumen, wie US-Medien berichteten. Der Versuch des Biden-Teams, derart Einfluss auf die Sender zu nehmen, ist ungewöhnlich.

Gut möglich aber, dass die Vorgänge nicht nur Trump in Bedrängnis bringen, sondern am Ende auch Biden schaden könnten. In Umfragen unter den Bewerbern für die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten liegt der Ex-Vizepräsident immer noch vorne, aber längst nicht mehr so deutlich wie noch vor wenigen Monaten. Bei Wahlkampfauftritten wirkt Biden gelegentlich vergesslich und unbeholfen - und nun kommt noch der Wirbel um seinen Sohn hinzu. Die Zeitschrift «The New Yorker» veröffentlichte schon Anfang Juli ein langes Porträt über ihn mit der Überschrift: «Wird Hunter Biden den Wahlkampf seines Vaters gefährden?»

Vor allem die Russen schauen mit großer Lust auf das ukrainisch-amerikanische Spektakel - zum einen, weil es für sie der beste Beweis ist für ihre immer wieder geäußerte Kritik, dass die ukrainische Politik direkt aus dem Weißen Haus gesteuert werde. Der prominente russische Außenpolitiker Konstantin Kossatschow wirft den USA auch vor, sie hätten ein Interesse am Krieg in der Ostukraine, um mit ihren Waffenlieferungen an das Land Geld zu verdienen. Die US-Mittel für das ukrainische Militär würden den Friedensbestrebungen zuwiderlaufen, meint er.

Und so macht sich auch in Moskau Hoffnung breit, dass der Skandal in Washington nun die außenpolitische Energie der USA aus der Ukraine etwas abzieht - und den Weg freimacht für eine Friedenslösung. Selenskyj will sich noch in diesem Monat in Paris mit Kanzlerin Angela Merkel, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und Kremlchef Wladimir Putin zu einem neuen Gipfel treffen. Von den USA, die er mal mit dabei haben wollte, ist jetzt keine Rede mehr. Und Putin äußerte sich nun auch zum ersten Mal zu dem Telefonat seiner beiden Kollegen aus den USA und der Ukraine: Belastendes könne er in dem Gespräch nicht erkennen - auch nicht für Trump.