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Flüchtlinge
UN-Flüchtlingskommissar will Fortsetzung deutscher Politik

Filippo Grandi
Der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge Filippo Grandi (M) besucht das Flüchtlingslager Kara Tepe auf der griechischen Insel Lesbos. Foto: Angelos Tzortzinis/dpa
Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge wünscht sich mehr deutsche Führungsstärke in der Flüchtlings- und Friedenspolitik weltweit. Er hat auch ein Rezept gegen Unmut wegen hoher Migrantenzahlen.

Genf (dpa) - Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, appelliert an Deutschland, nach der Bundestagswahl die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel fortzusetzen.

Die Bundesrepublik sei in Sachen Aufnahme und Integrationsangebot für Geflüchtete ein Vorzeigeland, sagte Grandi der Deutschen Presse-Agentur. Er wünsche sich politisch eine größere Führungsrolle Deutschlands, im Verbund mit anderen Europäern.

«Zeigen Sie Führungsstärke in Europa», forderte er deutsche Politikerinnen und Politiker auf. «Wenn Deutschland hier nicht führt, werden wir keinen Erfolg haben.» Das gelte auch für Afghanistan. Das Opfer der dort gefallenen deutschen Soldaten dürfe nicht umsonst gewesen sein, sagte Grandi. Mit dem US-Truppenabzug steige das Risiko von Konflikten zwischen der Regierung und den Taliban. Die Europäer müssten alles daransetzen, dass der Friedensprozess vorankomme, das sei nicht allein Sache der Amerikaner.

«Was machen die Europäer?», fragte Grandi. «Afghanistan ist nebenan, wenn es dort eine Flüchtlingswelle gibt, kommt sie auch hierher.» Er hoffe sehr, dass die Europäer ihr politisches Engagement ausweiten. Das geschehe oft nicht effektiv und entschlossen genug.

«Deutschland ist in den letzten Jahren während der Amtszeit von Frau Merkel eine sehr große humanitäre Macht geworden», sagte Grandi. «Das muss fortgesetzt werden.» Berlin sei nach den USA der zweitgrößte bilaterale Geber des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR). «Ich hoffe, dass das weitergeht.»

Der Hochkommissar lobte Merkel für ihre Flüchtlingspolitik 2015. Auf die Frage, ob er die Bundeskanzlerin nach dem Ende ihrer Kanzlerschaft als seine Nachfolgerin vorschlagen wolle, sagte Grandi lachend: «Es wäre anmaßend, wenn ich das täte.» Grandi ist noch bis Anfang 2023 im Amt. Merkel wird bei der Bundestagswahl im September nicht wieder kandidieren und will sich danach aus der Politik zurückziehen.

Angesichts von wachsendem Unmut über hohe Migrantenzahlen riet Grandi zu einer Reform des Asylwesens. «Man kann den Asylprozess effizienter machen und trotzdem fair bleiben», sagte er. Abgewiesene Asylbewerber müssten schneller in ihre Heimatländer zurück geschickt werden. Dafür sei mehr Personal nötig. «Wer diese Investitionen tätigt, spart später, weil man dann weniger Fälle hat», sagte Grandi. «Wenn dieses Problem gelöst und der Prozess effizienter wird, gibt es auch weniger Missbrauch.». Über offensichtlich unbegründete Anträge könne innerhalb von Wochen «oder noch schneller» entschieden werden.

© dpa-infocom, dpa:210717-99-418072/2