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Corona-Pandemie
Ungarns Parlament gibt Orban mit Notstandsgesetz freie Hand

Viktor Orban
Viktor Orban während einer Rede im Parlament in Budapest. Foto: Tamas Kovacs/MTI/AP/dpa
Ungarns starker Mann neigte schon bisher zu einem autoritären Regierungsstil. Für die Bewältigung der Corona-Krise und ihrer Folgen sichert sich Viktor Orban nun beispiellose Vollmachten. Kritiker befürchten, dass er das Land in eine Art Notstands-Diktatur führen könnte.

Budapest (dpa) - Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban kann künftig mit ebenso umfassenden wie umstrittenen Sondervollmachten gegen die Corona-Pandemie vorgehen.

Das Parlament in Budapest billigte am Montag ein Notstandsgesetz, das es dem rechts-nationalen Regierungschef ermöglicht, ohne zeitliche Befristung auf dem Verordnungsweg zu regieren.

Für die Vorlage stimmten 137 Abgeordnete aus dem Regierungslager, 53 Abgeordnete der Opposition stimmten dagegen. Stimmenthaltung gab es keine. Damit war die Zweidrittelmehrheit erreicht, die erforderlich war, um ein Gesetz von dieser Tragweite für Bürger- und Freiheitsrechte beschließen zu können.

Das Gesetz soll dafür sorgen, «dass die Regierung alle zur Eindämmung beziehungsweise Abwehr der Folgen der Covid-19-Pandemie nötigen außerordentlichen Maßnahmen treffen kann», heißt es in der Einleitung. Dabei, so heißt es im Gesetzestext, könne sie «die Anwendung einzelner Gesetze suspendieren, von gesetzlichen Bestimmungen abweichen und sonstige außerordentliche Maßnahmen treffen».

Die Dauer dieser Vollmachten ist nicht konkret begrenzt - sie bemisst sich daran, wie lange die Regierung den Pandemie-Notstand als gegeben ansieht. Zwar kann auch das Parlament ein Ende des Notstands beschließen. Das neue Gesetz besagt aber zugleich, dass die Vollmachten der Regierung im Falle der Verhinderung des Parlaments ohne zeitliche Frist bestehen bleiben. Zudem enthält der Gesetzestext keine Kriterien dafür, wann das Parlament als verhindert anzusehen ist.

Weitere Bestimmungen beinhalten, dass während des Pandemie-Notstands keine Wahlen und Referenden stattfinden dürfen. Außerdem werden die Strafen für Verstöße gegen Quarantänebestimmungen sowie für die Verbreitung von Falschnachrichten massiv verschärft.

Vor allem letztere Regelung ist Kritikern zufolge bewusst schwammig formuliert. So kann jemand, der eine wahre Tatsache auf eine Weise wiedergibt, die dazu angetan ist, «größere Gruppen von Menschen zu beunruhigen», mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft werden. Unabhängige Journalisten befürchten, dass ihnen wegen kritischer Berichterstattung Haftstrafen drohen könnten.

Die Opposition forderte bis zuletzt vergeblich das Einziehen eines zeitlichen Horizonts für die Dauer der Sondervollmachten. In seiner fast zehnjährigen Amtszeit hat Orban nach Ansicht von Kritikern die demokratischen Institutionen in seinem Land ausgehöhlt und einen autoritären Regierungsstil gepflegt.

In der EU läuft wegen der mutmaßlichen Einschränkung von Bürger- und Grundrechten ein Grundwerteverfahren gegen Ungarn, das theoretisch zum Entzug der Stimmrechte in der Union führen kann. Das neue Notstandsgesetz hatten zuletzt auch der Europarat und das UN-Menschenrechtsbüro als zu weitgehend kritisiert.

Die Grünen-Europapolitikerin Franziska Brantner forderte die EU-Kommission auf, diesen «klaren Verstoß gegen die demokratischen Prinzipien der EU» zu kritisieren und zu sanktionieren. Orban nutze die Corona-Krise «schamlos aus, um seine Macht auszubauen und die Demokratie auszuhöhlen», erklärte die Politikerin in Berlin.

Entwurf des Notstandsgesetzes, Ung.