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Neutralitätsgesetz bestätigt
Urteil: Lehrerin darf nicht mit Kopftuch unterrichten

Eine muslimische Lehrerin zieht vor Gericht, weil sie mit Kopftuch vor Grundschülern stehen will. Ein Berliner Gesetz erlaubt das aber nicht. Das Urteil fällt anders aus, als es nach der mündlichen Verhandlung erwartet wurde.

Berlin (dpa) - In Berlin bleibt es vorerst beim Kopftuchverbot für Lehrerinnen an allgemeinbildenden Schulen. Das Arbeitsgericht in der Hauptstadt wies die Klage einer muslimischen Grundschullehrerin ab, die mit Kopftuch vor der Klasse stehen wollte.

Mit dem Urteil bestätigte das Gericht überraschend klar das Berliner Neutralitätsgesetz. «Es ist gültig, es ist nicht verfassungswidrig, es ist anzuwenden», sagte Richter Arne Boyer. Die Klage sei unbegründet. Eine Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ist möglich.

Das Neutralitätsgesetz untersagt Berliner Polizisten, Lehrern an allgemeinbildenden Schulen und Justizmitarbeitern, religiös geprägte Kleidungsstücke im Dienst zu tragen.

Die junge Frau hatte vor der Einstellung bejaht, dass sie das Gesetz kenne. Sie war einen Tag an einer Grundschule und wurde wegen ihres Kopftuchs einem Oberstufenzentrum mit älteren Schülern zugewiesen, wo das Kopftuch erlaubt ist. Sie ist derzeit in Elternzeit.

Es ist nicht der erste Fall einer muslimischen Lehrerin, der in Berlin vor Gericht landete. 2017 hatte das Landesarbeitsgericht einer Frau mit Kopftuch eine Entschädigung von 8680 Euro zugesprochen. Sie hatte argumentiert, sie sei wegen des Kopftuchs abgelehnt worden. Das Gericht sah eine Benachteiligung, sprach jedoch von einem Einzelfall.

Zwei weitere Verfahren liegen beim Arbeitsgericht. Eines davon betrifft die Lehrerin aus dem aktuellen Rechtsstreit. Sie will vom Land in einem zweiten Verfahren entschädigt werden. Sie sei wegen ihrer Religion benachteiligt worden, hat sie laut Gericht geltend gemacht.

Die Klägerin kam nicht zur Urteilsverkündung. Ihre Anwältin sagte, über eine Berufung werde sie zunächst mit ihrer Mandantin beraten. Vertreter des Senats waren ebenfalls nicht im Gerichtssaal.

Die Anwältin und liberale Moscheegründerin Seyran Ates, die die Bildungsverwaltung vertritt, sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Ich freue mich über die Entscheidung.» Es wäre die sauberste juristische Lösung, das Gesetz dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller und Bildungssenatorin Sandra Scheeres (beide SPD) hatten bekräftigt, an dem Gesetz festzuhalten. Der Grünen-Koalitionspartner findet es hingegen nicht rechtskonform. Die Linke ringt noch um eine Position.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2015 ein pauschales Kopftuchverbot an nordrhein-westfälischen Schulen gekippt und die Bedeutung der Religionsfreiheit betont. Allein vom Tragen eines Kopftuches geht demnach keine Gefahr aus. In den Bundesländern wird das Thema unterschiedlich gehandhabt. In Bremen etwa dürfen Lehrerinnen ein Kopftuch tragen, in Nordrhein-Westfalen und Bayern wird das Tragen immer im Einzelfall geprüft.

In der mündlichen Verhandlung sah es noch nach einer Niederlage für den Berliner Senat aus. Nun betonte Richter Boyer, die Kammer halte das Neutralitätsgesetz für richtig. Jede religiöse Person dürfe in Berlin unterrichten, es aber nicht nach außen zeigen. Die Religionsfreiheit müsse hinter einer neutralen Ausgestaltung der Schulen zurückstehen.

Dem Land Berlin sei keine Wahl geblieben, als den Unterricht der Lehrerin mit Kopftuch zu verhindern, so der Richter. Sonst hätte Berlin gegen sein eigenes Gesetz verstoßen. Die Lehrerin müsse nach ihrem Arbeitsvertrag auch an einem Oberstufenzentrum unterrichten. Eine Benachteiligung wegen der Religion sah das Gericht nicht.

Für das Antidiskriminierungsnetzwerk des Türkischen Bundes sagte Zeynep Cetin zu dem Urteil: «Wir sind sehr traurig.» Das Neutralitätsgesetz treffe praktisch nur Frauen mit Kopftuch. Sie sprach von einem Berufsverbot für eine Gruppe religiöser Menschen.

Dokumentation zu Kopftuch tragenden Lehrerinnen

Pressemitteilung zu Kopftuchurteil 2015 des BVerfG