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Oppositonsbündnisse vorn
Wahl in Tschechien: Regierungschef Babis erleidet Niederlage

Wahlverlierer
Noch-Premierminister Andrej Babis hat am Abend seine Niederlage eingeräumt. Foto: Petr David Josek/AP/dpa
Konservative in Tschechien vorn
Petr Fiala (M) vom konservativen Oppositionsbündnis Spolu freut sich über den Sieg. Foto: Darko Bandic/AP/dpa
Wahlsieger in Tschechien
Der Spolu-Vorsitzende Petr Fiala. Foto: Darko Bandic/AP/dpa
Parlamentswahl in Tschechien
Anhänger des konservativen Oppositionsbündnisses Spolu jubeln über das Wahlergebnis. Foto: Darko Bandic/AP/dpa
Andrej Babis
Tschechiens amtierender Premierminister Andrej Babis am Wahlabend in Prag. Foto: Petr David Josek/AP/dpa
Damit haben die Meinungsforscher nicht gerechnet: Die Oppositionsparteien in Tschechien sichern sich eine Mehrheit im Parlament. Wie es weiter geht, liegt jetzt an Präsident Zeman.

Prag (dpa) - Bei der Parlamentswahl in Tschechien haben zwei liberal-konservative Oppositionsbündnisse überraschend die Mehrheit errungen. Der populistische Regierungschef Andrej Babis musste nach Auszählung fast aller Stimmen eine Niederlage einräumen.

Der Multimilliardär gratulierte seinem Kontrahenten Petr Fiala am Samstagabend zu einem «tollen Endspurt». Die ANO von Babis kam nach letzten Ergebnissen nur auf 27,1 Prozent und voraussichtlich 72 Mandate. Die Oppositionsbündnisse kamen gemeinsam auf mindestens 108 der 200 Sitze im Abgeordnetenhaus in Prag. Das konservative Wahlbündnis Spolu (Gemeinsam) lag demnach bei 27,8 Prozent der Stimmen, die Allianz von Piraten- und Bürgermeisterpartei bei 15,6 Prozent.

Babis war zum Ende des Wahlkampfs mit Enthüllungen aus den «Pandora Papers» konfrontiert worden. Nach Recherchen eines internationalen Journalistennetzwerks soll Babis 2009 über ausländische Briefkastenfirmen Immobilien in Frankreich gekauft haben. Er bestritt Vorwürfe der Geldwäsche.

Babis sagte: «So ist das Leben, wir verstehen und akzeptieren das. Zugleich warf der 67-Jährige der Opposition eine «Schmutzkampagne» vor und ließ sich eine Hintertür offen. Sollte ihn Präsident Milos Zeman dennoch mit der Regierungsbildung beauftragen, werde er verhandeln, gab Babis bekannt.

Wie es weitergeht, ist unklar

«Der Wechsel ist da, wir sind der Wechsel», sagte Spolu-Spitzenkandidat Fiala, der Anspruch auf die Bildung einer Mehrheitsregierung erhob.

Nach der Wahl droht eine Pattsituation. Präsident Zeman hatte in der Vergangenheit mehrmals betont, er werde keiner Koalition, sondern der stärksten Einzelpartei den Regierungsauftrag geben. Das wäre in jedem Fall die populistische ANO von Babis, da Spolu aus den drei Parteien ODS, TOP09 und KDU-CSL besteht.

Ein Sprecher des Präsidenten kündigte an, dass dieser Babis bereits am Sonntagvormittag zu einem Gespräch empfangen werde. Der 77-jährige Zeman macht aus seiner Unterstützung für den Politiker keinen Hehl.

«Im Grunde respektiert er nicht die Mehrheit im Parlament», sagte der Politologe Tomas Lebeda im Sender CT. Das widerspreche der Verfassung, die darauf abziele, Mehrheiten zu finden.

Babis' Partner stürzen ab

Die Beteiligung an der Wahl lag bei rund 65 Prozent - deutlich mehr als beim letzten Urnengang vor vier Jahren.

Ein Debakel erlebten die bisherigen Partner der Babis-Partei: Die Sozialdemokraten (CSSD), die mit ihr koaliert, und die Kommunisten, die sie toleriert hatten, scheiterten an der Fünfprozenthürde. Innenminister Jan Hamacek gab seinen Rücktritt als CSSD-Parteivorsitzender bekannt.

Die Regierung war unter anderem wegen ihres Corona-Krisenmanagements in die Kritik geraten. In Tschechien mit seinen 10,7 Millionen Einwohnern starben mehr als 30.500 Menschen im Zusammenhang mit Covid-19.

Im Parlament werden nur noch vier Parteien vertreten sein. Die rechte Freiheit und direkte Demokratie, die gegen Migranten, Muslime, die EU und die Nato wettert, kam auf knapp zehn Prozent der Stimmen.

© dpa-infocom, dpa:211009-99-538490/10