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Am Bodensee leuchtet ein neues «Licht gegen den Hass»

Menschen jüdischen Glaubens laufen und tanzen
Menschen jüdischen Glaubens laufen und tanzen mit Torarollen von der alten zur neuen Synagoge. Foto: Felix Kästle/dpa
Neue Synagogen in Deutschland, ist das nach dem Anschlag von Halle sinnvoll? Bei der Einweihung der neuen Synagoge in Konstanz wirft ein hoher Rabbiner diese Frage auf. Seine Antwort ist ebenso klar und ermutigend wie die Rede von Ministerpräsident Kretschmann.
Konstanz.

Konstanz (dpa/lsw) - Mehr als acht Jahrzehnte nach der Zerstörung der Synagoge in Konstanz durch die nationalsozialistische SS ist dort ein neues jüdisches Gotteshaus eingeweiht worden. Bei einem Freudenzug durch die Gassen der Bodenseestadt trugen am Sonntag Gläubige die heiligen Thorarollen vom Ort der alten Synagoge zu dem rund 50 Meter entfernten Neubau unweit des Konstanzer Hafens. Vier Wochen nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle in Sachsen-Anhalt riefen Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und andere Redner unter verstärktem Polizeischutz dazu auf, den Antisemitismus entschlossen zu bekämpfen.

Die Einweihung der neuen Synagoge verdeutliche die «Wiedererrichtung jüdischen Lebens in unserer Mitte», sagte Kretschmann. «Wir begehen damit einen Triumph jüdischer Religiosität, unserer freiheitlichen Grundordnung und unseres interreligiösen Zusammenlebens über die Mächte von Hass und Gewalt.» An alle Jüdinnen und Juden in Baden-Württemberg gewandt, sagte der Ministerpräsident: «Ihr seid ein wertvoller und unverzichtbarer Teil unserer Gesellschaft. Und wer Euch diskriminiert, bedroht oder angreift, der greift uns alle an.»

Der Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, nannte den Zulauf zu Rechten in Deutschland beunruhigend. Er sagte, die AfD wolle die Bundesrepublik von innen her aushöhlen. «Wer AfD wählt, wählt das bewusste Ausblenden der Verbrechen des Nationalsozialismus, den Abschied von der Toleranz für Minderheiten und das potenzielle Aus für die Religionsfreiheit in diesem Land.» Lehrer appellierte «an die demokratischen Volksparteien, standhaft zu bleiben und sich auch in Zukunft nicht auf eine Koalition mit den rechten Rattenfängern einzulassen.»

Viele Juden würden sich nach dem Anschlag von Halle am Feiertag Jom Kippur fragen, ob es überhaupt noch sinnvoll sei, in Deutschland Synagogen zu eröffnen, berichtete Badens Landesrabbiner Moshe Flomenmann. «Ja, der Bau von Synagogen ist sinnvoll», gab er zur Antwort. «Er ist genau das richtige Zeichen. Er bringt Licht in das Dunkel der Welt. Dieses Licht brauchen wir - gegen den Hass, gegen die Ausgrenzung, für uns alle.»

«Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit zerstören den gesellschaftlichen Zusammenhalt», warnte der Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden (IRG), Rami Suliman. «Wir brauchen eine Null-Toleranz-Haltung gegen Ausgrenzung, Bedrohung und körperliche Angriffe.»

Die alte Synagoge von Konstanz war im November 1936 durch Brandstiftung schwer beschädigt worden. Während der Novemberpogrome 1938 wurde sie von SS-Männern erneut angezündet und schließlich gesprengt. Damals verwüsteten Nationalsozialisten in Deutschland etwa 7500 jüdische Geschäfte und Einrichtungen in Deutschland. Sie zündeten einen Großteil der rund 1200 Synagogen und Gebetshäuser an und zerstörten jüdische Friedhöfe. Die Pogromnacht gilt als Auftakt zur systematischen Vernichtung der jüdischen Bevölkerung. Bis zum Kriegsende 1945 wurden im Holocaust etwa sechs Millionen Juden umgebracht.

Bauherr der neuen Synagoge, die auch als Ausdruck eines wiederaufblühenden jüdischen Lebens in Deutschland gesehen wird, ist die IRG. Die Baukosten gab die Religionsgemeinschaft mit rund fünf Millionen Euro an, die Stadt Konstanz habe sich mit einem Zuschuss von 155 000 Euro beteiligt. Zudem stellte die Stadt Grundstücke für den Neubau kostenlos zur Verfügung.

Informationen der Gemeinde zum Synagogenbau