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Anklagen wegen mutmaßlichen Betrugs am Klinikum Stuttgart

Figur Justitia
Eine Figur «Justitia» steht im Landgericht auf einem Schreibtisch. Foto: picture alliance / dpa
Krumme Geschäfte mit Auslandspatienten am Klinikum sollen die Stadt Stuttgart Millionen gekostet haben. Seit Jahren wird ermittelt, es gab Verfahren, Razzien und zahlreiche Verdächtige. Nun hat das Landgericht Anklagen erhoben. Es werden wohl nicht die letzten sein.
Stuttgart.

Stuttgart (dpa/lsw) - Der mutmaßliche Betrugsskandal mit abgerechneten Behandlungen ausländischer Patienten am Klinikum Stuttgart hat nun auch das erwartete gerichtliche Nachspiel. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen fünf Männer und eine Frau erhoben. Sie müssen sich unter anderem wegen des Verdachts des Betrugs, der Anstiftung oder Beihilfe zur Untreue und der Bestechung verantworten, wie eine Sprecherin der Justizbehörde am Dienstag mitteilte. Gut möglich, dass es nicht das letzte Kapitel in der Prozessgeschichte um die womöglich krummen Geschäfte ist: Gegen 20 weitere Verdächtige aus ganz Deutschland werde noch ermittelt, sagte Staatsanwältin Melanie Rischke.

Die mutmaßlichen Betrüger waren Mitarbeiter des Klinikums oder Vermittler von Gesundheitsdienstleistungen. Sie sollen in den Jahren 2012 bis 2015 für die Vermittlung und Betreuung ausländischer Patienten und die Zusammenarbeit mit dem Klinikum Stuttgart nicht erbrachte Leistungen abgerechnet und dafür unzulässige Provisionen kassiert haben. Vor zweieinhalb Jahren hatte die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit den krummen Geschäften in der mittlerweile geschlossenen Auslandsabteilung des Klinikums bundesweit Durchsuchungen durchgeführt und bei Razzien Computer, Handys und Unterlagen beschlagnahmt.

Bei der jüngsten Anklage wird unter anderem drei Männern im Alter von 48, 50 und 53 Jahren vorgeworfen, als Dienstleister ausländische Patienten vermittelt und betreut sowie entsprechende Projekte zur Behandlung einer Vielzahl libyscher Kriegsverletzter am Klinikum Stuttgart eingeführt zu haben. «Hierfür sollen sich die drei Angeschuldigten in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern des Klinikums Stuttgart unzulässige Provisionen verschafft haben», wirft ihnen die Staatsanwaltschaft vor. Sie sollen diese ohne Wissen des libyschen Kostenträgers auf die Patientenrechnungen aufgeschlagen und nicht erbrachte Leistungen abgerechnet haben. Die angeklagte 47-Jährige soll den 53-Jährigen beraten und den Kontakt zu einem ehemaligen leitenden Mitarbeiter des Klinikums vermittelt haben.

Laut Staatsanwaltschaft liegt der Schaden für das Klinikum in zweistelliger Millionenhöhe. Geschädigte sind den Ermittlern zufolge das Klinikum und die Rechnungsempfänger für ausländische Patienten, die vor allem aus Libyen, Kuwait, Saudi-Arabien, Oman und den Vereinigten Arabischen Emiraten kamen. Die größte Gruppe stammte aus Libyen. Im Juni 2013 hatte die Auslandsabteilung einen Vertrag mit der damaligen libyschen Übergangsregierung zur Behandlung von Kriegsversehrten unter anderem im Klinikum Stuttgart geschlossen.

Die Akquise reicher arabischer Patienten als Medizin-Touristen sollte sich zunächst als lukrativ für die größte Klinik im Südwesten erweisen. Im Jahr 2016 zog die Stadt allerdings die Konsequenzen aus dem gescheiterten Geschäft mit Patienten aus Libyen und einem nicht weniger erfolglosen Beratervertrag mit Kuwait. Die Auslandsabteilung wurde als eigenständige Abteilung aufgelöst und in die regulären Strukturen des Klinikums mit seinen jährlich rund 90 000 Patienten und mehr als 7000 Beschäftigten überführt. Träger der Klinik mit seinen drei Häusern ist die Stadt Stuttgart.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit 2016. Leiter der Internationalen Abteilung war zwischen 2008 und 2016 der langjährige Landesvorsitzende der Grünen, Andreas Braun. Er war nach Ermittlungen der Steuerfahndung Mitte 2016 von seinen Aufgaben entbunden worden und hatte danach auch die Öko-Partei verlassen, der er von 1999 bis 2006 vorstand.

Staatsanwaltschaft Stuttgart