1. Startseite
  2. Überregionales
  3. Stuttgart & Südwest
Logo

«Da war was auf der Straße»: Prozess um Unfallflucht

Ein Richterhammer aus Holz
Auf der Richterbank liegt ein Richterhammer aus Holz. Foto: Uli Deck/Archiv
Vor den Ermittlern hatte er geschwiegen. Doch vor Gericht spricht der Mann nun, der ein Baby und dessen Oma totgefahren haben und geflüchtet sein soll. Eine Geschichte von sehr viel Alkohol und sehr wenig Erinnerung entfaltet sich.
Rastatt.

Rastatt/Gaggenau (dpa/lsw) - Eine Großmutter und ihr Enkel starben bei einem schweren Unfall mit Fahrerflucht - nach langem Schweigen hat ein 48-Jähriger jetzt vor Gericht eingeräumt, die beiden totgefahren zu haben. An den genauen Hergang des verhängnisvollen Unfalls vom vergangenen Juli in Gaggenau (Kreis Rastatt) erinnere er sich jedoch nicht, sagte der Angeklagte am Montag im Prozess vor dem Amtsgericht Rastatt.

«Ich habe nur gemerkt, dass ich was umgefahren habe», sagte der bärtige Mann, der geduckt und bedrückt und zeitweise den Tränen nahe schien. «Nie im Leben hab‘ ich gedacht, dass das Menschen waren.» Aus Angst um seinen Führerschein habe er nicht angehalten. Zuvor hatte der 48-Jährige bereits über seinen Anwalt mitteilen lassen, dass die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft im Wesentlichen zuträfen.

Die Anklage geht davon aus, dass er den sieben Monate alten Jungen und dessen Oma im vergangenen Juli betrunken und bekifft überfuhr und zurückließ, ohne sich um die Schwerstverletzten zu kümmern. Den Angaben zufolge war die Frau von der Motorhaube seines Autos erfasst und 39 Meter weggeschleudert worden. Das Kind wurde aus dem Kinderwagen katapultiert. Ersthelfer am Unfallort fanden das Baby röchelnd auf der Straße liegend vor; es starb wenige Stunden später in einem Karlsruher Krankenhaus. Die Frau starb sofort. Der Unfallort, so ein später hinzugekommener Zeuge, «sah aus, wie nach einer Bombenexplosion».

Der Mann gab vor Gericht an, am Unfalltag schon während der Arbeit getrunken zu haben. Zudem habe er abends in einer Gaststätte sieben Pils und vier Ouzo konsumiert, so die Anklage. Laut Blutprobe, die aber erst Stunden nach dem Unfall genommen werden konnte, hatte er mindestens 1,17 Promille im Blut gehabt. Nach Worten eines Arbeitskollegen war der 48-Jährige nach dem Unfall in völliger Panik und habe gesagt: «Da war was auf der Straße.»

An seinen Erinnerungslücken für die Zeit nach dem Unfall ließ die Staatsanwaltschaft aber Zweifel erkennen. Auch die Richterin versuchte herauszufinden, ob dem Angeklagten tatsächlich nicht klar war, das er zwei Menschen überfahren hatte. Sie hielt ihm vor, nach dem Unfall gegenüber Zeugen von einer Frau und einem Kinderwagen gesprochen zu haben. Der 48-Jährige bestritt jedoch auch auf mehrmaliges Nachfragen jegliche Erinnerung daran.

Er sprach stattdessen von jahrelangem Alkohol- und Drogenmissbrauch und bezeichnete sich selbst als abhängig. Teilweise habe er nach dem Scheitern seiner Ehe «tagelang gesoffen». Am Abend der Unfallfahrt habe er einen Filmriss gehabt. Weder an die Strecke, noch die Geschwindigkeit, noch an den Zusammenstoß erinnere er sich.

Am Unfallort war das Nummernschild des demolierten Autos zurückgeblieben. Wenige Stunden später nahm die Polizei den 48-Jährigen fest. Im Zuge der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten hatte die Polizei auch eine Indoor-Marihuanaplantage mit 48 Stauden gefunden. Dem 48-Jährigen droht daher auch eine Strafe wegen unerlaubten Drogenbesitzes.

Vor Verhandlungsbeginn waren umfangreiche Personenkontrollen angeordnet gewesen; im Gerichtssaal fanden wegen des großen Publikumsinteresses nicht alle Besucher Platz. Das Gericht hat zahlreiche Zeugen sowie zwei Sachverständige geladen. Ein Urteil könnte am 17. Mai gefällt werden. (Az.: 11 Ls 301 Js 9879/18).

Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft vom 17. Oktober 2018