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Karlsruhe setzt auch auf Gewerbeflächen gegen Wohnungsmangel

Frank Mentrup
Frank Mentrup (SPD), Oberbürgermeister von Karlsruhe, aufgenommen beim Rathaus Karlsruhe. Foto: Uli Deck/Archivbild
Wohnungen fehlen vor allem in größeren Städten. Karlsruhe ist keine Ausnahme. Die badische Stadt versucht es mit Verdichtung und zum Verkauf angebotenen Gewerbeobjekten. Kann eine Umwandlung das Problem lindern?
Karlsruhe.

Karlsruhe (dpa/lsw) - Wohnungen statt Gewerbe? Karlsruhe will sich nach Angaben von Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) vermehrt Gewerbeflächen sichern. «Wir versuchen gerade, anders als vor sieben oder acht Jahren, intensiv an große Flächen ranzukommen», sagte er. Wenn es gelinge, aus Gewerbegebieten Misch- oder Wohngebiete zu machen, könnte das gegen Wohnungsnot helfen.

Karlsruhes Problem ist der Mangel an Bauflächen. Die Stadt könnte den Prognosen nach bis 2030 auf rund 350 000 Einwohner wachsen - aktuell sind es fast 313 000. «Wir rechnen aber eher mit 335 000, weil wir das vom Angebot nicht abdecken können», sagt Mentrup. Mit knapp 1800 Einwohnern je Quadratkilometer ist Karlsruhe deutlich weniger dicht besiedelt als etwa Stuttgart oder Mannheim.

Auch der Städtetag Baden-Württemberg bewertet das Problem fehlender Wohnungen als sehr dringlich. Er trage deswegen die Ergebnisse der Wohnraumallianz Baden-Württemberg mit, sagte eine Sprecherin in Stuttgart. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte bei der Vorstellung der Wohnraumoffensive der Landesregierung im Mai das Thema zu einer der wichtigsten sozialen Fragen im Land erklärt. «Wir wollen, dass die Menschen auch an dem Ort leben können, an dem sie arbeiten.» Kommunen und Wohnbaugenossenschaften sollten gestärkt werden. Weitere Maßnahmen sind eine intensivere Suche nach Flächen und die Absicht, diese nicht mehr nach Höchstpreis, sondern nach dem besten Konzept zu vergeben.

In den nächsten Jahren müssten nach Mentrups Angaben 14 000 Wohnungen in Karlsruhe gebaut werden, wahrscheinlich werde aber nur die Hälfte geschafft. 258 Hektar würden bis zum Jahr 2050 gebraucht. «Wir haben aber nur 85 Hektar gefunden.» Daher habe die zweitgrößte Stadt des Landes Kontingente für den Wohnungsbau an umliegende Gemeinden abgegeben. «Die Region puffert vieles ab.» Aber der Zuzug nach Karlsruhe werde so gebremst.

Voraussetzung für mehr Wohnungsbau im Landkreis Karlsruhe sei ein funktionierendes Verkehrsangebot. Denn: «Die Menschen wollen nach Karlsruhe, weil sie die Großstadt wollen, weil sie hier Arbeit oder einen Studienplatz haben». Dabei helfe des ÖPNV-System, das mit dem aktuellen Ausbau in der Innenstadt auch für das Umland stabiler werde. Außerdem setzt Karlsruhe stark auf das Fahrrad. «Wir werden versuchen, die Radrouten besser auszubauen», sagte der Rathauschef.

Auch Hochhäuser, von denen es in Karlsruhe nicht viele gibt, sind für Mentrup eine Möglichkeit. Aus seiner Sicht eher für zusätzliche Büroflächen als für Wohnungen. Das würde aber wegen des geringeren Flächenverbrauchs auch die Spielräume für den Wohnungsbau vergrößern. Einzelne Leuchtturmprojekte für Wohnhochhäuser könne er sich vorstellen. «Ich bin da sehr offen. Aber es muss einen Investor und den Platz geben.»

Ein Glücksfall sei die stadteigene Volkswohnung, ist der 54 Jahre alte Oberbürgermeister sicher. In Karlsruhe gelinge es sogar, die Zahl der Wohnungen mit Sozialbindung zu erhöhen. Von 2012 bis 2018 habe das Unternehmen 841 Wohnungen gebaut, davon 307 öffentlich gefördert. «Wenn man das nicht über eine eigene Wohnungsbaugesellschaft machen kann, hat man Probleme, solche Zahlen zu erreichen. Mentrup sprach sich für eine vorsichtige Nachverdichtung von Wohngebieten aus. Das könne sogar bedeuten, dass es hinterher mehr Grün gebe, etwa mit Hecken, Dach- und Fassadenbegrünung. «Wir müssen das ganze Wohnumfeld aufwerten.»

Wenig abgewinnen kann Mentrup dem Vorstoß seines Tübinger Amtskollegen Boris Palmer (Grüne), der bauunwillige Grundstücksbesitzer enteignen möchte. Er sehe eher in der neuen Grundsteuer ein Instrument, den Bau auf bestimmten Grundstücken zu beschleunigen. «Ich würde erstmal gerne bei uns erheben wollen, um wie viele Grundstücke es geht.» Viel spannender sei die Frage, auf welche Gebäude man noch ein Geschoss draufsetzen könne. «Das halte ich für sinnvoller, als den Leuten mit Enteignungsdebatten einen Schrecken einzujagen.»

Mitteilung zur Wohnraumoffensive