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Ersatz für Hakenkreuz? Kretschmann für Reichsflaggen-Verbot

Winfried Kretschmann
Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, spricht. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild
Es sind drei waagerechte Streifen in Schwarz-Weiß-Rot und sie erhitzen die Gemüter. Reichsflaggen wehten in den vergangenen Wochen immer wieder - auf dem Stuttgarter Wasen und anderswo in der Republik. Sie gehören verboten, fordern Politiker aus dem Südwesten.
Stuttgart.

Stuttgart (dpa/lsw) - In Baden-Württemberg ist eine Debatte um ein bundesweites Verbot von Reichsfahnen und Reichskriegsflaggen entbrannt. «Das fände ich angemessen», sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) auf Nachfrage am Dienstag in Stuttgart. Die Innenminister der Länder müssten besprechen, wie sich ein Verbot durchsetzen lasse. Innenminister Thomas Strobl (CDU) sprach sich nicht deutlich für ein Verbot aus, kündigte aber an, das Thema in die nächste Innenministerkonferenz einbringen zu wollen. Zuvor hatte die SPD-Fraktion ein Verbot für Baden-Württemberg von Strobl gefordert.

Vom Gesetzgeber verboten ist bisher nur die mit dem Hakenkreuz versehene Reichsfahne. Reichskriegsflaggen, die immer mehr als Symbol rechter Gruppierungen benutzt werden, sind davon ausgeschlossen. In den Fokus der Öffentlichkeit gerieten die schwarz-weiß-rot gestreiften Reichsfahnen zuletzt Ende August, als Demonstranten die Treppe des Reichstagsgebäudes in Berlin besetzten und sieschwenkten.

Das Thema beschäftigt auch andere Bundesländer. Nach einem Erlass der der Bremer Innenbehörde ist das Zeigen von Reichskriegsfahnen und Reichsfahnen im Bundesland Bremen seit dieser Woche verboten. Die Polizei kann diese Flaggen nun konfiszieren und die Eigentümer mit einem Bußgeld von bis zu 1000 Euro zur Kasse bitten.

Die SPD im Landtag drängt deshalb auf ein Verbot der Reichsfahne und Reichskriegsflagge auch im Südwesten. Zunehmend würden diese als Erkennungszeichen von Rechtsextremen, Reichsbürgern und anderen Feinden der freiheitlich demokratischen Grundordnung zur Schau gestellt, sagte der SPD-Rechtspolitiker Boris Weirauch der Deutschen Presse-Agentur. «Machen wir uns nichts vor, die Flagge ist in der rechten Szene zum Ersatzsymbol des Hakenkreuzes geworden», sagte Weirauch. «Das ist definitiv keine Folklore, sondern eine zunehmende Provokation und Störung des öffentlichen Friedens in unserem Land. Unsere Farben sind Schwarz-Rot-Gold!»

Die SPD fordert von Strobl einen Erlass zum ordnungsrechtlichen Verbot von Reichs- und Reichskriegsflaggen im Südwesten. «Die Landesregierung muss hier deutlich Flagge zeigen», betonte Weirauch. «Wir werden nicht hinnehmen, dass Extremisten diese strafrechtlich gerade noch erlaubten Symbole wählen, um Hakenkreuzfahnen zu ersetzen.»

Michael Blume, der Antisemitismusbeauftragte in Baden-Württemberg, unterstützt klar die Forderung nach einem Verbot. «Ich kann bestätigen, dass die Reichskriegsflagge verschwörungsmythisch umgedeutet wird», sagte er. «Sie wird nicht mehr gezeigt, um sich positiv auf die Geschichte zu beziehen, sondern um die Existenz der Bundesrepublik zu bestreiten.»

Das Hakenkreuz erfülle einen Straftatbestand, die Reichsfahnen und Reichskriegsflaggen bislang nicht, sagte Strobl. «Deshalb bedienen sich rechtsextreme Kreise jetzt dieses Symbols.» Unterschiedliche Regelungen in den Ländern führten aber zu Absurditäten, die nicht zu rechtfertigen seien. Es brauche eine bundeseinheitliche Regelung.

SPD-Politiker Weirauch gab sich nicht mit der Ankündigung Strobls zufrieden, das Thema in die Innenministerkonferenz einspeisen zu wollen. «Das ist originäre Ländersache, und Baden-Württemberg sollte wie Bremen ein Zeichen setzen, statt wieder zu zaudern und zuzuwarten. Innenminister Strobl darf nicht zulassen, dass Rechtsextreme in unserem Land noch Fahnen schwenken dürfen, die anderswo schon verboten sind.»

Nachdem Reichsflaggen bei den Corona-Protesten in Berlin Ende August geschwenkt worden waren, hatten sich Innenpolitikerinnen von Linken und Grünen gegen ein Verbot ausgesprochen. «Natürlich ist es gerade vor dem Hintergrund unserer Geschichte kaum zu ertragen, wenn die Präsenz solcher Flaggen ein Demonstrationsgeschehen prägen», hatte Irene Mihalic, innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, der Düsseldorfer «Rheinischen Post» gesagt. «Aber wir haben nicht das Problem mit Rechtsextremismus, weil diese Flaggen gezeigt werden, sondern es ist umgekehrt.»

«Ein Verbot der kaiserlichen Fahnen, die zwar auch von Faschisten genutzt werden, aber ursprünglich keine faschistischen Symbole waren, erscheint mir zwar nicht nötig», hatte Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, gesagt. Wer eine solche Fahne trage, stelle damit aber in jedem Fall seine antidemokratische Gesinnung offen zur Schau.