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Kritik der Tierärzte: Minister wusste von Personallücken

Landwirtschaftsminister von Baden-Württemberg Peter Hauk (CDU)
Landwirtschaftsminister von Baden-Württemberg Peter Hauk (CDU). Foto: Bernd Weissbrod/dpa
Erst die Tierschützer, dann die Opposition, jetzt auch die Tierärzte: Nach drei Schlachthof-Skandalen prasselt von allen Seiten die Kritik ein auf Landwirtschaftsminister Peter Hauk. Der war überzeugt von den Kontrollen. Die Tierärzte staunen darüber.
Stuttgart.

Böblingen (dpa/lsw) - Nach dem Skandal um mutmaßliche Tierschutzverstöße in mehreren Schlachthöfen haben Tierärzte die Äußerungen von Landwirtschaftsminister Peter Hauk zur Kontrolldichte in den Betrieben kritisiert. Der unter Druck geratene CDU-Politiker hatte erklärt, es gebe bei der Betäubung eine 100-prozentige Kontrolle durch Amtstierärzte. In keinem anderen Wirtschaftsbereich stehe die Polizei immer daneben und überwache. «Diese Darstellung des Ministers ist falsch», kritisierte die Landestierärztekammer Baden-Württemberg am Donnerstag. Eine solche Personalabdeckung gebe es für die Lebensmittelsicherheit und den Verbraucherschutz, nicht aber für den Tierschutz.

«Einem zuständigen Fachminister müssten die wesentlichen Zusammenhänge der Überwachung an einer Schlachtstätte eigentlich geläufig sein», heißt es in einer Stellungnahme der Tierärzte weiter. Für eine 100-prozentige Kontrolle des Tierschutzes vor Ort reiche die vorhandene Personaldecke nicht aus. Es werde lediglich «regelmäßig und risikoorientiert nach vorliegenden Erkenntnissen» überwacht. Hauk sei in den vergangenen Jahren wiederholt darüber informiert worden.

Der Minister wies den Vorwurf zurück. Es gehe nicht darum, den kompletten Schlachtvorgang und alle Betäubungen zu verfolgen. «Die 100-Prozent-Überwachung beim Betäubungs- und Schlachtvorgang bezieht sich darauf, dass der Veterinär den gesamten Prozess begleitet und eine Gesamtübersicht über die Vorgänge hat und behalten muss», sagte er.

In der vergangenen Wochen waren Bilder aus dem Schlachthof Biberach aufgetaucht, die zeigen, wie das Töten von Rindern durch fehlerhafte Bolzenschussgeräte qualvoll in die Länge gezogen wurde. Anfang 2018 war bereits ein Schlachthof in Tauberbischofsheim geschlossen worden, im Sommer traf es einen Betrieb in Gärtringen im Kreis Böblingen. Daraufhin kündigte Hauk mehrere Maßnahmen an, um die Kontrollen in der Branche zu verschärfen und regionale Schlachthöfe zu fördern.

In Gärtringen hat der Skandal nun auch Konsequenzen: Das Landratsamt Böblingen trennt sich von den dort eingesetzten amtlichen Kontrolleuren. Es handle sich um zwei amtliche Tierärzte, sagte ein Sprecher des Landratsamts auf Anfrage. Landrat Roland Bernhard erklärte, Verfehlungen seien zwar menschlich, dürften aber im sensiblen Bereich des Tierschutzes «nicht toleriert» werden. Für einen «glaubwürdigen Neustart des Schlachthofes» brauche man unbefangenes Kontrollpersonal.

Der Landkreis hat nach eigenen Angaben im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen den nach wie vor geschlossenen Schlachthof inzwischen mehr als 500 Stunden Video-Rohmaterial ausgewertet. Man habe die Frage klären wollen, ob amtliche Tierärzte der Veterinäraufsichtsbehörde Dienstpflichten verletzt hätten. Einer amtlichen Tierärztin hätten bei vier Schlachtvorgängen Verstöße nachgewiesen werden können, hieß es. Mögliche Verfehlungen der Schlachter seien nicht untersucht worden, hierzu ermittle die Staatsanwaltschaft. Bei der Neuauswahl des Kontrollpersonals werde auf eine «intensive Schulung» geachtet.

Das Ministerium betonte: «Nach geltendem EU-Kontrollrecht gehört seit 2006 verbindlich zu den amtlichen Kontrollen in Schlachthöfen durch den amtlichen Tierarzt neben der Schlachttier- und Fleischuntersuchung auch die Kontrolle der Einhaltung der Tierschutzanforderungen.» Im Dezember 2019 sei die Definition des Begriffs Schlachttier- und Fleischuntersuchung angepasst und die Kontrolle des Tierschutzes bei Schlachttieren in die Definition integriert worden. «Somit können wir die Darstellung der Landestierärztekammer nicht nachvollziehen», so das Ministerium.