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Mann lässt tote Freundin verwesen

Landgericht in Offenburg
Ein Hinweisschild steht vor dem Landgericht und Amtsgericht. Foto: Patrick Seeger/dpa/Symbolbild
Zuerst sind da die merkwürdigen Erdbeergeschenke des neuen Nachbarn. Dann verschwindet dessen Lebensgefährtin - und die Gründe, die der Mann dafür vorbringt, wirken immer unglaubwürdiger. Schließlich herrscht grausige Gewissheit.
Offenburg.

Offenburg (dpa/lsw) - Eine ältere Frau verliebt sich, der neue Freund zieht kurz darauf in ihr Haus und macht sich mit Geschenken bei den Nachbarn beliebt. Wenige Monate später ist die Frau tot - und ihre Leiche verwest über viele Wochen in einem Plastiksack in dem Offenburger Haus. In diesem Fall muss sich seit Dienstag der heute 66 Jahre alte Lebensgefährte der Toten vor dem Offenburger Landgericht verantworten - wegen Körperverletzung mit Todesfolge und Computerbetrugs.

Zum Prozessauftakt äußert sich der Beschuldigte nicht zu den Anklagepunkten der Staatsanwaltschaft. Diese wirft ihm vor, die 71-Jährige im August 2020 im Streit gewürgt zu haben, woraufhin sie gestürzt und gestorben sei (Az.: 1 Ks 303 Js 17866/20). Statt Rettungskräfte zu alarmieren, habe der Mann die Leiche in einen Sack gesteckt und den Tod der Frau verschleiert. In den Wochen darauf soll der wegen Betrugs diverse Male vorbestrafte Mann mit der EC-Karte eines Ex-Freunds der Toten Tausende Euro abgehoben haben. Erst nach Hinweisen besorgter Nachbarn wurde die stark verweste Leiche im Oktober in dem Offenburger Haus gefunden.

Der Mann schildert sich vor Gericht als einen notorischen Betrüger; sein Leben sei ein ständiges «Rein-Raus» aus dem Gefängnis gewesen. Seine Antworten auf die Fragen des Gerichts zur Person sind vernuschelt und kaum zu verstehen. Insgesamt wirkt der gebürtige Franke fahrig, wendet sich immer wieder hilfesuchend an seinen Rechtsanwalt und gibt an, Fragen nicht zu verstehen. Im März habe er in U-Haft einen Schlaganfall erlitten.

Eine ganz andere Person scheinen Nachbarn der Toten zu beschreiben, die als Zeugen über den heute 66-Jährigen aussagen. Er sei «ratzfatz» eingezogen bei seiner neuen Freundin, sagt ein Nachbar. Ständig habe er Erdbeeren und anderes Obst an Nachbarn verschenkt und freundlich mit ihnen geplaudert. Er habe den Eindruck erweckt, der gut situierten Frau finanziell ebenbürtig zu sein. Diese habe ihn als perfekten Koch und sozial sehr engagiert beschrieben.

Der Angeklagte habe stets mit seinem Geld und seinen Autos geprotzt, sagt eine langjährige Freundin der Toten. Doch ihr erster Eindruck sei gewesen: «Ist das ein Penner?» Er habe keine Zähne im Mund gehabt und sei ungebildet gewesen. Immer wieder sei es in Gesprächen ums Erben gegangen.

Als die rüstige 71-Jährige im Sommer 2020 plötzlich verschwand, sei ihr Freund nie um Erklärungen verlegen gewesen, berichtet der Nachbar: Sie sei im Krankenhaus und wolle keinen Besuch. Sie sei nach Portugal zu ihrem Ex-Freund gereist, um die Hunde nach Deutschland zu holen. Sie stecke wegen Corona in Portugal fest. Die Hunde seien in Quarantäne. Erst nach vielen Wochen habe man gemeinsam mit anderen Nachbarn ernsthaft Verdacht geschöpft und schließlich die Polizei gerufen.

Eine andere Zeugin beschreibt es so: «Er hat sich in unsere Nachbarschaft eingeschlichen durch seine freundliche Art.» Sie sei eingelullt gewesen und habe ihm vertraut.

Die langjährige Bekannte sagt noch aus, dass ihre Freundin im Sommer immer wieder von rätselhaften Müdigkeitsanfällen heimgesucht worden sei: So habe sie teils von Mittag bis zum nächsten Morgen durchgeschlafen und einmal sei sie ihr völlig verwirrt erschienen. Auch die medizinische Sachverständige fragt zu diesem Thema stets wieder nach.

Ein Polizist, der mit dem heute Beschuldigten telefonierte, nachdem die Nachbarn aktiv geworden waren, sagt: Er habe sehr ruhig gewirkt und sich auch nicht verhaspelt, als er Gründe dafür vorbrachte, warum seine Freundin nicht selbst ans Telefon kommen könne. Dennoch sei schnell klar gewesen, dass da etwas nicht stimme. Bei einer Hausdurchsuchung wurde schließlich die Leiche entdeckt - sie war so stark verwest, dass die Todesursache nicht mehr eindeutig geklärt werden konnte. Für den Prozess sind fünf Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil könnte am 20. Juli fallen.

© dpa-infocom, dpa:210614-99-990723/6