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Nadelverlust und Dürre: Ist der Wald noch zu retten?

Peter Hauk (CDU), Forstminister in Baden-Württemberg
Peter Hauk (CDU), Minister für Ländlichen Raum in Baden-Württemberg. Foto: Tom Weller/dpa/Archivbild
Der Zustand der Wälder in Baden-Württemberg verschlechtert sich weiter. Das bestätigt ein aktueller Bericht des Agrarministeriums. Der Anteil geschädigter Bäume steigt erneut. Der Wald der Zukunft wird ein anderer sein - aber es gibt Lichtblicke.
Stuttgart.

Stuttgart (dpa/lsw) - Dem Wald im Südwesten geht es nicht gut - der aktuelle Waldzustandsbericht des Agrarministeriums belegt dies: Mittlerweile gelten 46 Prozent der Waldfläche als deutlich geschädigt. 2019 lag der Wert noch drei Prozentpunkte darunter. «Damit haben wir ein noch nie da gewesenes Schadniveau seit Beginn der Waldzustandserhebung erreicht», sagte Agrarminister Peter Hauk (CDU) angesichts der Vorstellung des Berichts am Donnerstag.

Schäden sind laut dem Bericht, der sich auf stichprobenartige Untersuchungen des Nadel- und Blatt-Behangs stützt, auf die Folgen von Hitze und Dürre zurückzuführen. «Das extreme Trockenjahr 2018 wirkt nach, weil wir 2019 und 2020 zu wenig Niederschläge hatten. Dann funktioniert die Erholung nicht gut und verzögert sich», sagte Nicole Schmalfuß, Forstamts-Leiterin in Freiburg. Viele Laub- und Nadelbaumarten seien geschwächt. «Sie sind lichter belaubt und haben Schäden an der Rinde.»

Ein einzelnes Trockenjahr könne noch ausgeglichen werden, wenn Bäume bei der Blätterbildung genug Wasser bekämen. Die Folgen der drei letzten warmen und trockenen Jahre sind laut Bericht bei allen Baumarten zu beobachten. Vor allem die Fichte, noch häufigste Baumart im Land, mache wegen Trockenheit und Borkenkäferbefalls eine besorgniserregende Entwicklung durch. Die Schäden durch den gefürchteten Käfer in den hiesigen Wäldern seien in diesem Jahr etwa so groß wie 2019. Von 2018 auf 2019 waren die Schäden stark gestiegen, berichtet Ulrich Kohnle von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt.

Wie stark sich das Borkenkäferproblem im kommenden Jahr fortsetzt, hängt nach Kohnles Angaben von mehreren Faktoren ab: Neben dem Wetter spiele vor allem die Größe der Population am Anfang des Jahres eine Rolle - für 2021 sieht er zunächst keine Entlastung. Damit sich Fichten gegen Borkenkäfer wehren können, bräuchten sie Harzdruck. «Die Vitalität gegen Borkenkäferbefall hängt eins zu eins an der Wasserversorgung», sagt er.

Werde ein Baum vom Borkenkäfer angegriffen, laufe sofort Harz aus dem Loch. Wenn der Wasserdruck fehle, könne das Harz nicht ausfließen. In und um Freiburg hat Forstamts-Leiterin Schmalfuß weniger Schäden des Borkenkäfers vorgefunden, als sie noch im Frühjahr prognostiziert hatte.

Der Zustand der Baumkronen habe den schlechtesten Wert seit Beginn der Erhebungen in den 1980er Jahren erreicht, erklärte Hauk. In den vergangenen beiden Jahren sei der Anteil abgestorbener Bäume in den Wäldern Baden-Württembergs zudem stark gestiegen.

Lichtblicke mit deutlich verbesserten Kronenzuständen konnten für die Eiche nachgewiesen werden, heißt es in dem Bericht. Auch der Zustand der Tanne habe sich stabilisiert. Die Forstwirtschaft könne Dürre nicht aufhalten, sagte Schmalfuß: «Die Politik muss Wege finden, den Klimawandel zu verlangsamen.» Auch für den Landesverband des Naturschutzbunds (NABU) ist der beste Waldschutz ein konsequenter Klimaschutz, teilte der Landesvorsitzende Johannes Enssle mit.

Schmalfuß fördert in ihrem Wald die Mischung unterschiedlicher Baumarten. Wärmeliebende Bäume wie Eiche, Spitzahorn oder Elsbeere könnten Wälder stabilisieren. Hauk sprach von Anbauversuchen mit einer Tannenart aus den Karpaten und Zederbäumen aus dem Libanon. «Mit solchen Anbauversuchen wollen wir austesten, welche Baumarten bei uns in Mitteleuropa in Zukunft bei wärmeren Verhältnissen geeignet sind», sagte Hauk. Diese Bäume sollten bestehende Arten aber nicht verdrängen.

Nach Einschätzung der Landesforstkammer rennt die Zeit für Waldbesitzer - immer mehr gehe ihnen die finanzielle Puste aus, um Wälder zu erhalten und neu aufzubauen. Das Land unterstützt Besitzer daher seit diesem Sommer mit 30 Millionen Euro pro Jahr - die Mittel sind auf vier Jahre ausgelegt. Anspruch auf Hilfe haben private und kommunale Waldbesitzer. Staatliche Hilfen gibt es nach Hauks Angaben unter anderem für die Aufarbeitung, die Lagerung und den Transport des Schadholzes. Außerdem für das Auffinden der vom Borkenkäfer befallenen Bäume und für den Aufbau klimastabiler Wälder. Das Land will auch zusätzlich Geld in die Forschung investieren.