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Polizei: Smarte Videoüberwachung hilft

Andreas Stenger
Andreas Stenger. Foto: picture alliance / Franziska Kraufmann/dpa/Archivbild
Künstliche Intelligenz soll der Polizei die Arbeit erleichtern, sie effizienter und schneller machen. Ein Beispiel ist die intelligente Videoüberwachung in Mannheim. Aber auch sie muss noch einiges lernen.
Mannheim.

Mannheim (dpa/lsw) - Wird hier jemand geschlagen oder umarmt? Für die an Kriminalitätsbrennpunkten installierte smarte Videoüberwachung in Mannheim sind solche Szenen noch schwer einzuordnen. Doch das deutschlandweit einzigartige Pilotprojekt für die algorithmenbasierte Kameraüberwachung ist aus Sicht des Mannheimer Polizeipräsidenten Andreas Stenger erfolgversprechend. «Die intelligente Software hat schon viel gelernt und hilft uns, schneller und zielgerichteter zum Einsatzort zu gelangen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Wichtig sei auch die Straftaten vorbeugende Wirkung sowohl von konventionellen als auch von digitalen Kameras an Kriminalitätsbrennpunkten.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft ist uneingeschränkt begeistert von dem System und will es in weiteren Städten installiert wissen. Vor allem bei Krawallen wie kürzlich in Stuttgart wäre die Innovation bestens einsetzbar, sagte Gewerkschaftschef Ralf Kusterer. Sie bringe schnellere Interventionszeiten und ein Plus bei der Prävention. Innenminister Thomas Strobl (CDU) befürwortet die Einführung in weiteren Städten grundsätzlich. Sie sei aber derzeit noch nicht konkret vorgesehen. Abhängig von den Testergebnissen werde dies zu einem späteren Zeitpunkt geprüft.

Für Stenger ist die vor eineinhalb Jahren initiierte Maßnahme allerdings kein Allheilmittel, sondern ein Mosaikstein in einer umfassenderen Interventionsstrategie für den öffentlichen Raum. Diese bestehe aus polizeilicher Präsenz, Kontrolldruck an relevanten Orten und niederschwelligem Einschreiten bei Ordnungsstörungen und Straftaten.

Bislang sind 68 von 72 geplanten Digital-Kameras an Orten mit laut Statistik erhöhtem Verbrechensaufkommen installiert. Nur wenn dieses vorliegt, hat die Überwachung eine Rechtsgrundlage. Kriminalitätsschwerpunkte sind der Bahnhofsvorplatz, der Parade-, Markt- und der Messplatz sowie Teile der Einkaufsmeile Breite Straße. Laut Innenministerium wurden bereits zahlreiche Straftaten erkannt und Täter teils noch an Ort und Stelle festgenommen. Minister Strobl: «Wenn es im öffentlichen Raum Plätze gibt, an denen die Sicherheit durch Straftaten massiv beeinträchtigt wird und die Bevölkerung verunsichert oder gar verängstigt ist, dann besteht dringender Handlungsbedarf.»

Damit Straftäter wie Taschendiebe nicht anderswo ihr Unwesen treiben, hat die Polizei nach Stengers Worten den sogenannten Videoschatten - also Plätze ohne Überwachung, aber mit Kriminalitätspotenzial - besonders im Blick. «Wir wollen keine Kriminalitätsverlagerung, sondern bestenfalls bereits agieren, bevor etwas passiert.»

Stenger und Strobl versprechen sich von dem System deutlich verbesserte Interventionszeiten. Im Schnitt liege die Spanne von der Meldung einer Gefahrensituation oder Straftat bis zum Eingreifen der Beamten derzeit bei gut zwei Minuten. Bei der konventionellen Videoüberwachung sitzen pausenlos Beamte vor den Monitoren; bei der smarten Version sichten sie im Endausbau nur die dem Lagezentrum vom System gemeldeten verdächtigen Bewegungsmuster. Damit kann Personal eingespart und für andere Aufgaben eingesetzt werden. Auch Gewerkschafter Kusterer meinte: «Wir werden deutlich entlastet.»

Bislang kann die Software schon zwischen Gegenständen wie einem liegengebliebenen Koffer und einem Menschen unterscheiden. Auch grobmotorische Bewegungen wie Schlagen, Treten, Fallen, die auf eine Straftat hinweisen könnten, filtert das System bereits heraus. Es gibt aber auch noch Fehlalarme, weil der Unterschied zu harmlosen Bewegungen - etwa einer Umarmung - nicht erkannt wird. «Damit die derzeit noch im unteren zweistelligen Bereich liegende tägliche Fehlerquote geringer wird, müssen wir die Software weiter mit Daten füttern», sagte Stenger. Deshalb sei das Vorhaben auch auf fünf Jahre angelegt. Von voreiligem Lob hält er nichts: «Abgerechnet wird zum Schluss.»

Das Karlsruher Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung hat das System nach den polizeilichen Bedürfnissen entwickelt. Dabei wurde das Thema Datenschutz ernst und der oberste Datenschützer mit ins Boot genommen. «Die enge Kooperation mit dem Landesdatenschutzbeauftragten Stefan Brink ist ein Erfolgsgarant», betonte Stenger. Auf die Überwachung wird mit Schildern hingewiesen. Brink sieht in der Innovation einen deutlichen Vorteil für den Datenschutz: Die Polizei schaue sich dabei nur verdächtige Szenen an und nicht wie bislang das gesamte Bildmaterial.

Künstliche Intelligenz spielt in der polizeilichen Arbeit eine immer größere Rolle. Das Landeskriminalamt investierte im vergangenen Jahr 6,5 Millionen Euro in die Digitalisierung der Kriminaltechnik, etwa für Forensik, Erkennung von Fälschungsmerkmalen von Dokumenten, Identifizierung kinderpornografischer Darstellungen und bessere Spurenauswertung.

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