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Reibestein «Fund des Jahres»: Farbe für Jäger und Sammler

Farbherstellung in der Steinzeit
Museumleiterin Stefanie Kölbl legt im Urgeschichtlichen Museum einen Stein in eine Vitrine. Foto: Stefan Puchner Foto: dpanitf3
Für Laien mag er unscheinbar sein. Fachleuten verrät ein Stein mit roten Sprenkeln viel über unsere Urahnen. Doch warum sie erst hellere Ockertöne und später dunklere bevorzugten, ist noch unklar.
Blaubeuren.

Blaubeuren (dpa/lsw) - So grau wie mancher meinen mag, war die «graue Vorzeit» wohl nicht: Jedenfalls haben nach Ansicht von Archäologen schon die Jäger und Sammler Körper und Gegenstände gern mit kräftigen Ockertönen bemalt. Erkenntnisse zu ihren Werkzeugen und Methoden ermöglicht ein kleiner Reibestein, der am Donnerstag von Experten der Universität Tübingen als «Fund des Jahres» 2018 bei der Erforschung der Welterbe-Höhlen auf der Schwäbischen Alb präsentiert wurde.

Der in der Höhle Hohle Fels nahe Schelklingen (Alb-Donau-Kreis) entdeckte Stein zähle «zu den wenigen Artefakten, die uns über die Bearbeitung und Herstellung von Ockerpulver vor rund 40 000 Jahren Auskunft geben», sagte der Leiter der Grabungen, Professor Nicholas Conard, vor Reportern im Urgeschichtlichen Museum in Blaubeuren (urmu).

Farb- und Abriebspuren sowie Schlagnarben an dem Stein (in den Maßen 7,8 x 7,1 x 4,1 Zentimeter) zeigten, dass Bewohner der Alb-Region es schon in der Altsteinzeit verstanden, geeignete Gesteinsbrocken zu Pulver zu verreiben und daraus mit Wasser Farbpaste herzustellen.

«Die Farben sind übrigens auch nach vielen Jahrtausenden erstaunlich fest und haltbar», sagte Conard, der die Abteilung Ältere Urgeschichte und Quartärökologie der Universität Tübingen leitet. Nach Einschätzung der Archäologen wurden solche Farbpasten auch zum Gerben von Leder und als Schutz vor Insekten verwendet.

Im Hohle Fels seien zwar im Laufe der Jahre mehr als 850 Ockerfarbartefakte gefunden worden, dennoch seien Stücke wie der Reibestein, die Fachleuten Erkenntnisse etwa über die Aufbereitung von mineralischen Farbbrocken berichten, auf der Alb sowie in ganz Deutschland eher selten, sagte Conard.

Interessante Überlegungen ermöglicht nach Darstellung des Forschers auch ein Vergleich mit jüngeren Steinfunden aus dem Hohle Fels: Vor 40 000 Jahren seien anscheinend hellere Farbtöne bevorzugt worden, eine Tausend Jahre später dann aber dunklere. «Ob dies mit der Nutzung neuer Ockerquellen oder mit einer Art neuen Zeitgeschmacks zu tun hat, wissen wir nicht mit Sicherheit.»

Gefunden wurde der Reibestein kurz nach dem Beginn der sechswöchigen Grabungssaison des vergangenen Jahres am 28. Juni 2018 von dem syrischen Archäologen und Doktoranden Firas Jabbour. An den Grabungen beteiligt war ein großes Team von Studierenden aus Deutschland, Großbritannien, Indien, dem Iran, Italien, den Niederlanden, Pakistan, Spanien, Syrien und den USA.

Bis Anfang 2020 wird der «Fund des Jahres» im urmu gezeigt. Der Hohle Fels gehört zu den Steinzeithöhlen, die 2017 von der Unesco zum Welterbe «Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb» ernannt wurden.