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SPD fordert Hilfe gegen Gasthof-Sterben auf dem Land

Das Gebäude des ehemaligen "Gasthaus Bären"
Das Gebäude des ehemaligen "Gasthaus Bären" ist jetzt ein Kindergarten. Foto: Philipp von Ditfurth/dpa
Dorfgasthöfe sollen nicht nur Touristen anziehen, sie können für die Menschen in der Gemeinde auch Orte der Begegnung sein. Doch es gibt immer weniger Gasthäuser auf dem Land. Deshalb muss den Wirten mehr geholfen werden, direkt und unkompliziert, fordert die SPD.
Stuttgart.

Stuttgart/Waldkirch (dpa/lsw) - Wirte sollten nach Ansicht der SPD im Landtag direkt gefördert werden, um das rasante Gasthofsterben zu stoppen. Ginge es nach der Oppositionspartei, sollten Betreiber für den Erhalt und die Modernisierung ihrer Häuser Geld aus einem eigenen Topf erhalten. Bislang ist vom Land zwar eine spezielle Förderung in Höhe von insgesamt 20 Millionen Euro in diesem und im kommenden Jahr vorgesehen. Das Geld muss aber über die Kommunen beantragt werden, wie Sabine Wölfle, die tourismuspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, kritisiert. «Eine eigenständige Förderung von Gasthöfen ist nicht nur für den Tourismus relevant, sondern auch für das Zusammenleben in einer Gemeinde.» Die Bürger hätten immer weniger Möglichkeiten, sich zu begegnen.

Im Staatsanzeiger war zuletzt die Sonderausschreibung Dorfgasthäuser/Grundversorgung bekannt gemacht worden. Voraussetzung für eine Förderung ist allerdings, dass der Antrag der Kommune an die Landratsämter «mit aktuellen Darlegungen zur strukturellen Ausgangslage und zu den Entwicklungszielen mit direktem Bezug zu den beantragten Projekten» untermauert ist.

Der für den ländlichen Raum zuständige Minister Peter Hauk (CDU) betonte: «Mit unserer neuen Sonderlinie «Dorfgasthäuser/lokale Grundversorgung» setzen wir ein klares politisches Zeichen und stärken damit den Ländlichen Raum und die Menschen, die dort leben und arbeiten, insgesamt.» Ein Betrieb kann bis zu 35 Prozent seiner Investitionssumme und maximal 200 000 Euro beantragen. Dorfgasthäuser seien ein erhaltenswertes Kulturgut, betonte Hauk.

Sein Parteifreund Guido Wolf (CDU) sagte: «Ohne Gasthäuser tut sich auch der Tourismus schwer. Deswegen nehmen wir richtig Geld in die Hand: nun zwei Mal zehn Millionen für die Gastronomie.» Außerdem seien die jährlichen Mittel für den Tourismus im Land seit 2016 verdoppelt worden, sagte der Tourismusminister.

Die Sozialdemokratin Wölfle unterstrich die Funktion der gastronomischen Betriebe als Orte der Zusammenkunft. «Wo werden Geburtstage und Hochzeiten gefeiert, wo treffen sich Trauernde nach einer Beerdigung, wo versammeln sich Vereinsmitglieder, wenn kein Gasthof mehr im Dorf ist?», fragte Wölfle. Als Präsidentin des Oberbadischen Blasmusikverbandes habe sie Erfahrung bei der Suche nach Räumlichkeiten.

In den Jahren 2005 bis 2015 ist nach Zahlen der Tourismuskonzeption Baden-Württemberg jeder vierte Gastronomiebetrieb verschwunden. Vor fünf Jahren gab es noch 18 150 Häuser - mit rückläufiger Tendenz. In Wölfles Dorf, dem zu Waldkirch (Kreis Emmendingen) gehörenden Siensbach, gibt es seit Jahren keinen Gasthof mehr. Nach vielen Jahren im Familienbesitz und Pächterwechseln wurde 2016 aus dem Gasthaus «Bären» das «Bärenhaus» für Kindergarten- und Krippen-Kinder. Lediglich im Sommer gebe es einen Biergarten auf einem Campingplatz, klagte Wölfle. Sie verlangt mit anderen Fraktionskollegen von der Landesregierung in einem Berichtsantrag Informationen über die Förderung von Gastronomiebetrieben.

Die Gasthöfe sterben nach Ansicht Wölfles aus, weil der Nachwuchs oder potenzielle Pächter angesichts enormer Investitionen die Betriebe nicht fortführen wollen. Mit Schlafzimmern aus den 70er Jahren und einem Speisenangebot «Schnitzel, Pommes, Salat» seien heute keine Gäste mehr zu locken, meinte Wölfle. Auch die Personalengpässe bereiteten den Wirten Kopfzerbrechen. Angesichts schwieriger Arbeitszeiten würden Köche und Servicekräfte händeringend gesucht. Auch Minister Hauk ging mit den «starren und überzogenen gesetzlichen Regelungen bei den Arbeitszeiten» ins Gericht.

Außerdem zieht es die Leute zunehmend in die Städte, es ändern sich auch die Freizeitgewohnheiten: Wer seine Abende vor der Spielekonsole oder mit seinen Facebook-Freunden im Internet verbringt, kann nicht gleichzeitig an der Theke im Gasthaus sein Bier trinken. Und wer am Sonntag nicht den Gottesdienst besucht, kommt dann auch nicht zum Stammtisch oder Frühschoppen. «Letztlich bestimmt die Bevölkerung durch ihr Verhalten selbst, ob gastronomische Angebote in ihrer Heimat eine Chance haben», sagte Minister Hauk.

Nach Angaben des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) brauchen im Südwesten rund 4000 Betriebe in den nächsten fünf Jahren wegen Generationenwechsels einen neuen Betreiber. Daniel Ohl, Sprecher des Landesverbandes, sagte: «Wohin die Entwicklung geht, merkt jeder, der mit dem Rad übers Land fährt und die Gasthof-Ruinen sieht.»

Sein Verband begrüße die SPD-Forderung, verweise aber auch auf die neue Sonderlinie. Das Interesse der Gastronomen daran sei groß, jeden Tag erreichten den Verband Fragen dazu, sagte Ohl. Der Verband hoffe auf eine transparente und unbürokratische Handhabung bei der Bearbeitung der Anträge.

Wölfle ist nicht überzeugt, dass die Gemeinden bei den Gaststätten ihre Schwerpunkte setzen. Sie plädiert für Mittel beim Ministerium für Tourismus mit Zweckbindung und einer Rangfolge für dringliche und weniger dringliche Projekte. So sollten Betriebe gefördert werden, ohne die keine Alternative im Ort mehr vorhanden seien. In Bayern gebe es bereits ein Programm sein, das 30 Millionen Euro direkte Hilfe für die Gastwirte umfasse.

MdL Sabine Wölfle

Tourismuskonzeption BW

Dehoga

Antrag Wölfle

Bekanntmachung der Förderlinie im Staatsanzeiger