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Steuerzahlerbund: Wieder Millionenverschwendung im Südwesten

Verschiedene Euro-Geldscheine liegen auf einem Haufen
Verschiedene Euro-Geldscheine liegen auf einem Haufen. Foto: Jens Büttner/zb/dpa
Ein sinnloser Kreisverkehr für Radfahrer und kostspielige Bildungsprojekte der Landesregierung: Der Bund der Steuerzahler kritisiert Steuerverschwendung vom Schildbürgerstreich bis hin zum Millionengrab. Einige Behörden wehren sich.
Stuttgart.

Stuttgart (dpa/lsw) - Der Bund der Steuerzahler prangert neun Fälle von «sorglosem Umgang mit dem Geld der Steuerzahler» in Baden-Württemberg an. In dem am Dienstag vorgestellten Schwarzbuch für 2019 und 2020 bezeichnet der Bund gleich zwei Projekte des Kultusministeriums als «Millionengräber».

- MILLIONENGRAB «ELLA»: Die geplante digitale Bildungsplattform für Schüler, Eltern und Lehrer «ella» ist laut dem Steuerzahlerbund ein finanzielles Desaster. Der Entwickler Iteos konnte keine gültigen Verträge mit einem Subunternehmer vorweisen. Der Vorvertrag mit Iteos wurde von beiden Seiten aufgelöst - da waren an den Entwickler schon 6,5 Millionen Euro geflossen.

- MILLIONENGRAB «ASV»: Mit der Amtlichen Schulverwaltung (ASV) kann laut Kultusministerium etwa die amtliche Schulstatistik elektronisch abgegeben oder die Schüler- und Lehrerverwaltung organisiert werden. Im Mai 2019 startete dem Steuerzahlerbund zufolge ein Pilotversuch der Software - 13 Jahre nach Projektstart. Die Kosten erhöhten sich von ursprünglich rund 4 Millionen Euro auf 18,5 Millionen Euro. Berücksichtige man auch Personalkosten, käme man sogar auf rund 47 Millionen Euro, schreibt der Steuerzahlerbund.

«Bei beiden Projekten haben wir Empfehlungen des Rechnungshofes aufgegriffen, damit sich die Fehler aus der Vergangenheit nicht wiederholen», kommentierte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU).

- STEIGENDE KOSTEN IM NATIONALPARK: Immer teurer wird nach Angaben des Steuerzahlerbundes der Bau des neuen Besucherzentrums im Nationalpark Schwarzwald. 2014 war noch mit rund 25,5 Millionen Euro kalkuliert worden. Mittlerweile rechnet das Finanzministerium mit rund 50 Millionen Euro. Das Besucherzentrum war schon im Schwarzbuch 2017/18 ein Kritikpunkt. Die Baubranche boome, der Kostendruck bei Bauvorhaben des Landes sei daher hoch, teilte das Finanzministerium mit. Während der Planung seien neue Vorgaben dazugekommen - etwa, dass weitestgehend mit Holz gebaut werden solle.

- VIEL GELD, WENIG FAHRGÄSTE: Seit Oktober 2018 fahren wochentags Schnellbusse der Linie X 1 zwischen dem Stuttgarter Stadtteil Bad Cannstatt und der Stuttgarter Innenstadt. Baumaßnahmen beliefen sich laut Steuerzahlerbund auf rund 2,5 Millionen Euro; der Betrieb koste pro Jahr rund 2,7 Millionen Euro. Die Busse seien aber nicht gut ausgelastet. Laut Stadt braucht es erfahrungsgemäß mindestens zwei Jahre, bis die Annahme neuer Angebote beurteilt werden kann.

- RENOVIERUNG OHNE AUSSCHREIBUNG: Die Renovierung des Rathauses in Aidlingen im Kreis Böblingen kostete laut Steuerzahlerbund statt der geplanten 160 000 Euro letztendlich 300 000 Euro. Der Auftrag sei nicht ausgeschrieben worden, daher habe die Gemeinde nicht auswählen und sich für das wirtschaftlichste Angebot entscheiden können.

- UNGELIEBTER KREISEL: Ein Kreisverkehr für Radfahrer sollte in Winterbach im Rems-Murr-Kreis eine unübersichtliche Verkehrssituation entschärfen. Kosten: 3500 Euro. Doch die Radler ignorierten den Kreisel oft, bremsten nicht ab oder fuhren in falscher Richtung durch. Schließlich entschied das Regierungspräsidium Stuttgart, den Kreisverkehr wieder abzubauen und an einem der Wege ein Stoppschild anzubringen. Kosten für Rückbau und neuen Asphalt: 10 000 Euro.

- UMLEITUNG VERGESSEN: Im Kreis Böblingen soll ein Radweg zu einer Radschnellverbindung ausgebaut werden. Kalkuliert waren dem Steuerzahlerbund zufolge ursprünglich rund 1,4 Millionen Euro, die Kosten stiegen aber auf rund 2,1 Millionen Euro. Dazu dürfte beigetragen haben, dass erst nicht bedacht worden war, dass der Weg während des Umbaus nicht genutzt werden kann und ein Waldweg zur Umleitungsstrecke gemacht werden muss. Es sei schwer nachvollziehbar, warum in Zeiten einer Klimakrise eine Maßnahme herausgegriffen werde, die ökologisch wichtig sei, konterte der Kreis Böblingen.

- DRECKIGE WELLE: Auf dem Neckar surfen - das war die Vision von privaten Initiatoren, die sich für den Bau einer «Neckarwelle» in Stuttgart-Untertürkheim einsetzten. Die Stadt steuerte für eine Machbarkeitsstudie 93 000 Euro bei. Das Landesgesundheitsamt wies aber nach, dass der Neckar dauerhaft mit Fäkalien und Krankheitserregern belastet ist - der Bau der «Neckarwelle» fiel ins Wasser. Die Wasserqualität hätte die Stadt schon früher im Blick haben können, meint der Steuerzahlerbund. Es habe nur eine jahrealte Studie gegeben, in der der Standort nicht berücksichtigt war, teilte die Stadt dazu mit. Erst durch im Rahmen der Machbarkeitsstudie entnommene Wasserproben sei die Verschmutzung aufgefallen.

- WINDIGE AUSSEGNUNG: «Richtig skurril» ist laut dem Steuerzahlerbund der Fall einer Aussegnungshalle auf einem Friedhof in Stuttgart-Birkach. Die war seitlich offen, bot kaum Windschutz und sollte daher renoviert werden. Doch der Denkmalschutz hatte Einwände gegen eine vollständige Verkleidung. Die Kompromisslösung der Stadt: Die Vorderseite blieb offen, an die Seiten kamen Glasflächen mit luftigen Lücken. «Eine zugige Angelegenheit», findet der Steuerzahlerbund. Da noch dazu Vögel gegen die Scheiben flogen, wurde eine 2000 Euro teure Vogelschutzfolie angebracht.