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Grüne und CDU stimmen Koalitionsvertrag im Südwesten zu

Thomas Strobl, der Landesvorsitzende der CDU in Baden-Württemberg
Thomas Strobl, der Landesvorsitzende der CDU in Baden-Württemberg. Foto: Bernd Weißbrod/dpa
Der Koalitionsvertrag im Südwesten nimmt die letzte Hürde: Grüne und CDU winken das Werk mit breiter Mehrheit durch. Während sich die Union offene Kritik verkneift, ist bei den Grünen auch Misstrauen gegenüber dem alten wie neuen Koalitionspartner zu spüren.
Stuttgart.

Stuttgart (dpa/lsw) - Kurz vor dem Zusammentreten des neuen Landtags haben Grüne und CDU in Baden-Württemberg dem Koalitionsvertrag für eine Neuauflage ihrer Regierung zugestimmt. Grüne und CDU votierten am Samstag auf getrennten Parteitagen mit großer Mehrheit für das Abkommen. Damit kann sich der Grüne Winfried Kretschmann am Mittwoch zum dritten Mal zum Ministerpräsidenten wählen lassen.

Beide Parteitage fanden größtenteils virtuell statt. Zunächst hatten die Grünen dem Vertrag zugestimmt - 188 Delegierte votierten mit Ja, 23 mit Nein, 9 enthielten sich. Dann folgten die Delegierten der CDU - mit 209 Ja-Stimmen, 44 Nein-Stimmen, 11 Enthaltungen.

Kretschmann und CDU-Landeschef Thomas Strobl hatten zuvor eindringlich um Zustimmung zum Vertrag geworben - und jeweils die inhaltlichen Akzente ihrer Partei in dem Abkommen betont. «Das ist der grünste Koalitionsvertrag aller Zeiten. Und damit meine ich nicht nur Baden-Württemberg, sondern die gesamte Republik», sagte etwa Kretschmann. Er nannte den Vertrag «grasgrün» - «aber nicht, weil wir die CDU geknebelt haben, sondern weil die Zeiten es erfordern».

Bei der Landtagswahl hatten die Grünen in Baden-Württemberg einen historischen Sieg eingefahren und ihren Koalitionspartner CDU 8,5 Prozentpunkte hinter sich gelassen. Im Zentrum des grün-schwarzen Koalitionsvertrags steht nun der Klimaschutz - allerdings stehen alle Projekte aufgrund riesiger Haushaltslücken unter Finanzierungsvorbehalt. In seiner Rede warb der grüne Regierungschef um Verständnis, dass wegen des Geldmangels nicht sofort alle Vorhaben umsetzbar seien. Er sei aber zuversichtlich, dass in einem Jahr oder in zwei Jahren die Steuerquellen wieder stärker sprudeln werden.

Vor allem die Jüngeren in der Partei wollen mehr Tempo beim Klimaschutz. «Es darf keinen Haushaltsvorbehalt für Klimaschutz geben», sagte Lena Schwelling, die frühere Vorsitzende der Grünen-Jugend im Südwesten. Die Schuldenbremse biete die Möglichkeit, im Falle von Naturkatastrophen von ihr abzuweichen. «Wenn die Klimakrise keine Naturkatastrophe ist, was denn dann?», fragte Schwelling, die als Anwärterin auf den Grünen-Landesvorsitz gehandelt wird. Der grüne Bundestagskandidat Sebastian Schäfer nimmt der CDU nicht ab, dass sie vom Klimaschutz überzeugt sei. «Wir wissen, dass wir der Union nicht vertrauen können.» Die führenden Personen bei der CDU hätten zwar «Kreide gefressen», seien aber noch fast dieselben wie vor fünf Jahren.

Bei der CDU ist am Samstag keine offene Kritik an dem Vertragswerk zu hören. Mehrere Delegierte äußerten in Wortmeldungen, sie hätten sich nicht alle Punkte so gewünscht - sie warben aber trotzdem für das Abkommen. «Wir passen auf unsere Ziele und auf unsere schwarze Tinte auf», sagte der Landtagsabgeordnete Raimund Haser. «Nicht alles, was im Koalitionsvertrag steht, stand bei mir auf dem Weihnachtswunschzettel», räumte die Abgeordnete Marion Gentges ein. Aber das Wahlergebnis habe dort eben auch nicht gestanden.

Strobl sprach von einem «steilen und steinigen Weg» der Koalitionsverhandlungen. «Die Grünen sind ziemlich breitbeinig aufgetreten und es war auch nicht immer ganz leicht.» Die CDU habe intensiv mit den Grünen gerungen, es sei ganz gut gelungen, viele Ideen der CDU zu verankern. Strobl, der in Baden-Württemberg Innenminister ist, betonte dabei etwa die innere Sicherheit und Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik. Die CDU müsse sich nun durch gutes Regieren profilieren.

Der CDU-Bundesvorsitzende Armin Laschet war als Gast geladen - er lobte den Koalitionsvertrag und die Regierungsbeteiligung der CDU. Wenn es im Industrieland Baden-Württemberg gelänge, Klimaschutz und Wirtschaft zu verbinden, dann sei das ein Vorbild für ganz Deutschland. Der CDU-Wirtschaftsexperte Friedrich Merz, der im Südwesten viele Anhänger hat, warb vor den Delegierten um Geschlossenheit mit Blick auf den Bundestagswahlkampf. Die CDU brauche mindestens 30 Prozent, um im Bund an der Regierung zu bleiben - im Südwesten müsse sie dafür noch ein deutlich besseres Wahlergebnis - an die 40 Prozent - erzielen.

Die baden-württembergische CDU ist der zweitgrößte Landesverband. Im Rennen um den CDU-Bundesvorsitz hatte sich die Landes-CDU in großen Teilen gegen Laschet gestellt und dessen Konkurrenten Merz gestützt. Laschet hatte erst vor kurzem bei einer Videoschalte mit der Südwest-CDU verkündet, dass er Merz in sein Wahlkampfteam holen will. Merz bedankte sich am Samstag für die Unterstützung aus dem Südwesten. Aber die Entscheidung sei getroffen. Er stelle sich in den Dienst der Mannschaft, versicherte er.

Murren gibt es in Teilen der Parteibasis im Südwesten über die Personalpläne für das neue grün-schwarze Kabinett - insbesondere regt sich Widerstand gegen die mögliche Besetzung des Justizministeriums mit dem ehemaligen Fraktionschef Wolfgang Reinhart (64). Der Bezirksverband Südbaden forderte in einem Antrag am Samstag auch ein «deutliches Zeichen der inhaltlichen, personellen und strukturellen Erneuerung».

Strobl kündigte eine umfassende Aufarbeitung des Wahldesasters von Mitte März an. «Die Regierungsbeteiligung wird keinesfalls als Feigenblatt für unsere Probleme dienen», sagte Strobl. Das historisch schlechteste Ergebnis sei eine «riesengroße Enttäuschung» und eine Zäsur in der Geschichte der Partei gewesen, die gründlich analysiert und angegangen werden müsse. Dabei werde man Experten und Meinungsforschungsinstitute einbeziehen. Die CDU werde ein Design für eine Organisations- und Strukturreform erarbeiten. Der Aufarbeitungsprozess werde sich bis Herbst ziehen, so Strobl.

© dpa-infocom, dpa:210508-99-519346/5

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