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Grüne und CDU stimmen Koalitionsvertrag zu

Online-Parteitag Grüne Baden-Württemberg
Sandra Detzer, Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, auf dem Podium des Online-Parteitags. Foto: Marijan Murat/dpa
Grüne Tinte, schwarze Tinte: Der Koalitionsvertrag im Südwesten nimmt die letzte Hürde. Obwohl die CDU viele Zugeständnisse machen muss, verkneift sie sich größere Kritik. Bei den Grünen wollen die Jungen den Altvorderen und der CDU im Zweifel in den Allerwertesten treten.
Stuttgart.

Stuttgart (dpa) - Grüne und CDU im Südwesten haben den Weg für eine Neuauflage ihrer Koalition unter Führung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann frei gemacht. Sie stimmten am Samstag auf getrennten Parteitagen mit großer Mehrheit für das Abkommen. Damit kann sich der 72-jährige Grüne Kretschmann am Mittwoch im Landtag zum dritten Mal zum Ministerpräsidenten wählen lassen. Während es bei der CDU nur wenig Kritik gab, machten bei den Grünen vor allem die Jüngeren deutlich, dass sie der Union misstrauen. Der Grünen-Parteitag wurde von der Affäre um den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer überschattet. Die Grünen werfen ihm Rassismus vor und wollen ihn aus der Partei ausschließen.

Beide Parteitage fanden größtenteils virtuell statt, nur die jeweilige Führung traf sich in Stuttgart. Zunächst hatten die Grünen dem Vertrag zugestimmt: 188 Delegierte votierten mit Ja, 23 mit Nein, 9 enthielten sich. Dann folgte die CDU mit 209 Ja-Stimmen, 44 Nein-Stimmen und 11 Enthaltungen.

Kretschmann schwärmt vom «grasgrünen Koalitionsvertrag»

Kretschmann und CDU-Landeschef Thomas Strobl hatten zuvor um Zustimmung für den Vertrag geworben und jeweils die inhaltlichen Akzente ihrer Partei in dem Abkommen betont. «Das ist der grünste Koalitionsvertrag aller Zeiten. Und damit meine ich nicht nur Baden-Württemberg, sondern die gesamte Republik», sagte Kretschmann. Er nannte den Vertrag «grasgrün» - «aber nicht, weil wir die CDU geknebelt haben, sondern weil die Zeiten es erfordern».

Haushaltsvorbehalt als «Damoklesschwert»

Bei der Landtagswahl hatten die Grünen einen historischen Sieg eingefahren und ihren Koalitionspartner CDU 8,5 Prozentpunkte hinter sich gelassen. Im Zentrum des grün-schwarzen Koalitionsvertrags steht der Klimaschutz - allerdings stehen alle Projekte aufgrund riesiger Haushaltslücken unter Finanzierungsvorbehalt. In seiner Rede warb Kretschmann um Verständnis, dass wegen des Geldmangels nicht sofort alle Vorhaben umsetzbar seien. Er sei aber zuversichtlich, dass die Steuerquellen schon bald wieder stärker sprudeln werden.

Vor allem die Jüngeren bei den Grünen wollen mehr Tempo beim Klimaschutz und fordern stärkere Investitionen trotz Schuldenbremse. Die Sprecherin der Grünen-Jugend, Sarah Heim, sagte, sie glaube nicht daran, dass mit der CDU «die Bremsen wirklich gelöst werden». Der Haushaltsvorbehalt schwebe wie ein «Damoklesschwert» über der Koalition und sei falsch. «Was nutzt es uns, schuldenlos auf einem kaputtgesparten Planeten zu leben?», fragte sie.

Sie stellte auch die Schaffung des zusätzlichen Ministeriums für Wohnen infrage. Sie forderte, die Koalition müsse in den ersten 100 Tagen im Klimaschutz und beim Antidiskriminierungsgesetz schnell vorankommen. Sie drohte, die Grüne Jugend werde der Mutterpartei und der CDU ansonsten «jeden Tag richtig in den Arsch treten». Der grüne Bundestagskandidat Sebastian Schäfer nimmt der CDU nicht ab, dass sie vom Klimaschutz überzeugt sei. «Wir wissen, dass wir der Union nicht vertrauen können.»

CDU will «schwarze Tinte» nicht verwischen lassen

Bei der CDU ist am Samstag keine offene Kritik an dem Vertragswerk zu hören. Mehrere Delegierte äußerten in Wortmeldungen, sie hätten sich nicht alle Punkte so gewünscht - sie warben aber trotzdem für das Abkommen. «Wir passen auf unsere Ziele und auf unsere schwarze Tinte auf», sagte der Landtagsabgeordnete Raimund Haser. «Nicht alles, was im Koalitionsvertrag steht, stand bei mir auf dem Weihnachtswunschzettel», räumte die Abgeordnete Marion Gentges ein. Aber das Wahlergebnis habe dort eben auch nicht gestanden.

Strobl beschreibt grünes Auftreten als «breitbeinig»

Strobl sprach von einem «steilen und steinigen Weg» der Koalitionsverhandlungen. «Die Grünen sind ziemlich breitbeinig aufgetreten, und es war auch nicht immer ganz leicht.» Die CDU habe intensiv mit den Grünen gerungen, es sei ganz gut gelungen, viele Ideen der CDU zu verankern. Strobl, der auch Innenminister ist, nannte etwa die Innere Sicherheit und eine nachhaltige Finanzpolitik. Die CDU müsse sich nun durch gutes Regieren profilieren. Das Profil der CDU schärfen soll auch eine neue Generalsekretärin: Die 33-jährige Landtagsabgeordnete Isabell Huber soll auf Manuel Hagel folgen, der zum neuen Fraktionsvorsitzenden gewählt worden war. Strobl kündigte zudem eine umfassende Aufarbeitung des Wahldesasters von Mitte März an.

Merz nennt ehrgeizige Wahlziele für Bundestagswahl

Der CDU-Bundeschef Armin Laschet war als Gast geladen - er lobte den Koalitionsvertrag. Wenn es im Industrieland Baden-Württemberg gelänge, Klimaschutz und Wirtschaft zu verbinden, dann sei das ein Vorbild für ganz Deutschland. Der CDU-Wirtschaftsexperte Friedrich Merz, der im Südwesten viele Anhänger hat, warb vor den Delegierten um Geschlossenheit mit Blick auf den Bundestagswahlkampf. Die CDU brauche mindestens 30 Prozent, um im Bund an der Regierung zu bleiben - im Südwesten müsse sie dafür noch ein deutlich besseres Wahlergebnis - an die 40 Prozent - erzielen.

Özdemir spottet über Laschet

Cem Özdemir, Spitzenkandidat der Südwest-Grünen für die Bundestagswahl, sieht in der grün-schwarzen Koalition kein Vorbild für Berlin. Die Suche nach einem Koalitionspartner sei etwas anderes als die Partnersuche auf einem Datingportal. «Elitepartner sehe ich nun wirklich keinen», sagte der frühere Grünen-Bundeschef. Die Union und ihr Kanzlerkandidat Armin Laschet wüssten nicht, was sie mit Macht anfangen sollten. «Warum will die CDU eigentlich Kanzlerin werden», fragte Özdemir in Anspielung auf die Nachfolge von Angela Merkel und fügte hinzu: «Warum will Laschet eigentlich ins Kanzleramt, außer um da zu wohnen?»

© dpa-infocom, dpa:210508-99-518559/4

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