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Abellio macht Druck wegen wachsender Kosten

Regionalzüge Baden-Württemberg
Ein Regionalzug des privaten Bahnbetreibers Abellio fährt vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/archivbild
Das Bahnunternehmen Abellio will wegen unkalkulierbarer Mehrkosten Ausgleich von der Landesregierung. Verkehrsminister Hermann verweist auf einzuhaltende Verträge, will aber weiter mit dem Bahn-Konkurrenten sprechen.
Stuttgart.

Stuttgart (dpa/lsw) - Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat Forderungen der angeschlagenen Eisenbahngesellschaft Abellio an das Land zurückgewiesen. In einem Brief an den niederländischen Finanzminister Wopke Hoekstra wirft er dem staatlichen Unternehmen vor, wegen dessen Finanzproblemen mit einem möglichen Schutzschirmverfahren und engen Fristen zu drohen. Abellio kommentierte diesen Vorwurf am Mittwoch nicht. Ein Schutzschirmverfahren kann ein Unternehmen beantragen, wenn Zahlungsunfähigkeit droht, aber noch nicht besteht. Zudem darf die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos sein.

Diesen Schritt wollen die Niederländer laut Verkehrsministerium gehen, es sei denn, das Land erkenne rasch 100 Prozent der verlangten Nachzahlungen an. Eine Summe wurde weder von Abellio noch vom Verkehrsministerium genannt. «Als Verkehrsminister des Landes Baden-Württemberg muss ich ein solches Agieren mit ultimativen Drohungen und uneinlösbaren Fristsetzungen entschieden zurückweisen», betonte Hermann.

2016 hatte die Vergabe des begehrten Stuttgarter Netzes an die privaten Bahn-Konkurrenten Abellio und das britischstämmige Unternehmen Go-Ahead ab 2019 für Aufsehen gesorgt. Es umfasst allein ein Viertel der landesweit zu vergebenden Nahverkehrsstrecken. Die FDP im Landtag befürchtet, dass Teile des Schienenpersonennahverkehrs in Baden-Württemberg zusammenbrechen. Hermann müsse zu einem «fairen Ausgleich» mit Abellio kommen. «Abellio ist ein Dominostein. Wenn die fallen, fallen andere auch», sagte der Verkehrsexperte Christian Jung. Es sei nicht unwahrscheinlich, dass am Ende wieder die Deutsche Bahn in die Verträge einsteigen werde. Das wäre nicht im Sinne des Wettbewerbs.

Auf Anfrage teilte die Bahn mit, dass sich das Unternehmen nicht an Spekulationen über eine mögliche Insolvenz von Abellio beteilige. «Unsere Wettbewerber sind alle Ableger finanzstarker nationaler Bahnkonzerne im Ausland», betonte der Konzern. Aber man stehe grundsätzlich zu seiner Rolle «als Stabilisator und Anker des Systems».

Abellio Deutschland ist in fünf Bundesländern unterwegs - neben Baden-Württemberg in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Finanzminister Hoekstra hatte in einem Brief an alle Ministerpräsidenten um Hilfe für Abellio gebeten, auf den Hermann jetzt antwortete.

Abellio leidet nach eigenen Angaben unter extern verursachten Kosten, die nicht ausreichend von den Verkehrsverträgen gedeckt seien: Schienenersatzverkehr und personeller Mehraufwand wegen Baustellen, hohe Strafzahlungen wegen Unpünktlichkeit etwa infolge von Niederschlägen, höhere Tariflöhne. Das Ziel sei eine langfristige Vereinbarung, um solche Kosten auszugleichen.

Hermann betonte: «Rechtlich und tatsächlich sind Korrekturen der Verträge im Nachhinein, wenn überhaupt, nur in sehr eingeschränktem Maße möglich.» Dennoch sei sein Haus zu weiteren Gesprächen mit Abellio noch in diesem Monat bereit.

Abellio gehört zum Mutterkonzern Nederlandse Spoorwegen. Dessen Finanzvorstand Bert Groenewegen hatte 2020 seinem Frust Luft gemacht über das defizitäre Deutschlandgeschäft. Bei etwa einer halben Milliarde Euro Umsatz auf 50 Linien habe man im vergangenen Jahr 32,7 Millionen Euro Verlust gemacht. «Wenn wir keine Lösung finden, müssen wir dies vorzeitig beenden», sagte Groenewegen.

Laut Abellio haben die derzeitigen Verhandlungen mit dem Land keinerlei Auswirkungen auf den Fahrbetrieb von jährlich 7,3 Millionen Zugkilometern auf einem Liniennetz von 615 Kilometern.

© dpa-infocom, dpa:210616-99-18363/4

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