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Volle Grundrechte für Geimpfte und Genesene im Südwesten

Impfung
Eine Spritze wird vor den Schriftzug «Impfung» gehalten. Foto: Friso Gentsch/dpa/Symbolbild
Baden-Württemberg plant die Abschaffung der Corona-Einschränkungen für Genesene und Geimpfte. Für die anderen steht künftig verstärktes Testen an, um am öffentlichen Leben teilnehmen zu können.
Stuttgart.

Heilbronn/Stuttgart (dpa/lsw) - Menschen mit vollem Impfschutz gegen das Coronavirus und Genesene sollen nach den Plänen des Gesundheitsministeriums in Baden-Württemberg von Anfang September an alle Rechte zurückbekommen. Für sie entfallen dann die Corona-Einschränkungen, wie eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums am Mittwoch sagte. Zuvor hatten «Stuttgarter Zeitung» und «Stuttgarter Nachrichten» sowie «Heilbronner Stimme» und der «Südkurier» darüber berichtet.

Der Amtschef des Ministeriums, Uwe Lahl, sagte den Zeitungen, für nicht vollständig Geimpfte oder Ungeimpfte solle es dann eine Testpflicht geben bei Besuchen von Restaurants, Bars, Clubs, Kultur- oder Sportveranstaltungen. Über den Sommer solle die Corona-Verordnung des Landes noch zweimal überarbeitet werden, ehe Anfang September die Neuregelung in Kraft treten könne.

Unklar sei noch, ob die Pflicht-Tests für Nichtgeimpfte oder nicht vollständig Geimpfte ab einer Inzidenz von 10 oder von 35 Corona-Neuinfektionen je 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche gelten. In Baden-Württemberg ist die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz am Mittwoch auf 8,1 gestiegen und lag damit zwar noch unter der 10er-Grenze - der Trend zeigt allerdings deutlich nach oben.

Für Menschen, die wegen ihres Gesundheitszustands nicht geimpft werden können, könnte die Testpflicht entfallen, wenn sie ein Attest eines Arztes vorlegen können. Es müsse auch noch entschieden werden, wie mit der Maskenpflicht für vollständig Geimpfte umgegangen wird. Lahl sagte weiter, das Land wolle weiterhin aufklären und versuchen, alle impffähigen Menschen davon zu überzeugen, dass sie sich gegen das Coronavirus immunisieren lassen. Aktuell gehe die Impfbereitschaft zurück, obwohl es genügend Impfstoff gebe. «Wir wollen die Vorteile ins Schaufenster stellen, die das Impfen hat.»

Der Amtschef sagte der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten», das Leben für nicht geimpfte Erwachsene werde schon bald schwer werden. Diese Menschen würden «in den kommenden Wochen viele Testungen benötigen, um am öffentlichen Leben teilnehmen zu können.» Zudem stelle sich die Frage, ob sie selbst dafür zahlen müssen.

Die Sprecherin des Gesundheitsministerium sagte, es könne durchaus sein, dass der Bund die hohen Kosten für die Tests nicht mehr dauerhaft übernimmt. «Selbstverständlich sind all jene davon ausgenommen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können.»

Im Südwesten waren am Mittwoch 43,3 Prozent der Bevölkerung vollständig gegen das Coronavirus geimpft. Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) schloss am Dienstag eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen nicht aus, sollte sich das Impftempo nicht beschleunigen. «Eine berufsspezifische Impfpflicht kann diskutiert werden», sagte er. So sei die Impfquote von Assistenzkräften und Angelernten in stationären Pflegeeinrichtungen derzeit relativ gering. Man versuche gegenwärtig, mit den Trägern die Impfquote zu erhöhen.

Die Landesvorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, Monika Stein, hält die Debatte für ein Ablenkungsmanöver. Die Landesregierung müsse stärker über das Thema aufklären und dafür intensiver werben. Stein schätzt, dass 80 bis 90 Prozent der Lehrkräfte und Erzieher und Erzieherinnen schon geimpft sind. Verlässliche Daten darüber gibt es nicht. Wer sich gegen das Vakzin entscheide, mache das bewusst, sagte Stein. Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) erklärte, es sei notwendig, dass man nicht impfmüde werde und die Kinder schütze, die nicht geimpft werden könnten.

Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg sprach sich gegen eine Impfpflicht aus. Ein Sprecher sagte: Das heiße aber nicht, dass darüber nachgedacht werden könne, ob Geimpfte ihre Freiheitsrechte in einem stärkeren Maß zurückbekommen als Ungeimpfte. Die oppositionelle AfD forderte eine weitere Freiwilligkeit der Impfung. Die Drangsalierung der Bevölkerung müsse zudem durch die uneingeschränkte Rückgabe der Grundrechte beendet werden, sagte die sozialpolitische Fraktionssprecherin der AfD, Carola Wolle.

© dpa-infocom, dpa:210714-99-380513/5

Gesundheitsministerium