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Windenergie in Baden-Württemberg wächst nur noch langsam

Windrad vor Alpenkette
Ein Windrad bei Oberried vor der Kulisse der Schweizer Alpen. Foto: Patrick Seeger/Archiv
Baden-Württemberg muss fürchten, bei der Windenergie abgehängt zu werden. Der Ausbau stockt. Der windreiche Norden hat die Nase bei Ausschreibungen vorn. Der EnBW-Chef fordert eine Quote für den Süden.
Stuttgart.

Stuttgart (dpa/lsw) - Der Ausbau der Windenergie im Südwesten stockt. Nach 123 Anlagen im Jahr 2017 seien im vergangenen Jahr nur 35 Windräder in Baden-Württemberg neu gebaut worden, teilte Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) am Mittwoch in Stuttgart mit. «Das war das erwartet schwierige Jahr.» Als Grund nannte er die Umstellung der Förderung auf ein Ausschreibungssystem ohne Ausbauquote für den Süden Deutschlands. 2018 seien nur noch für 27 Anlagen Genehmigungen erteilt worden.

Der Vorstandsvorsitzende des Energiekonzerns EnBW, Frank Mastiaux, forderte eine feste Quote für den Süden. Unterstützung kommt auch vom NABU-Landesvorsitzenden Johannes Enssle. Obwohl es Konflikte gebe, müsse die Windenergie zum Ausbau der erneuerbaren Energien dazugehören. Aus Sicht des BUND geht es nicht nur bei der Windenergie in Baden-Württemberg in Trippelschritten voran. Die Landesregierung müsse sich beim Klimaschutz in allen Bereichen stärker engagieren, forderte Landesgeschäftsführerin Sylvia Pilarsky-Grosch.

Ende 2018 produzierten 720 Windräder in Baden-Württemberg Strom. Insgesamt seien 44 weitere Anlagen genehmigt und könnten gebaut werden. Damit könnte die installierte Leistung von mehr als 1500 Megawatt (MW) um weitere 155 MW steigen.

Alle Windräder im Südwesten zusammen produzieren bei günstigem Wind etwa so viel Strom wie der noch arbeitende Block 2 des Atomkraftwerks Philippsburg. «Die Windkraft ist eine Säule der Energiewende auch in Baden-Württemberg und damit ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz», wertete Untersteller die Zahlen. Er forderte, den Süden gegenüber dem Norden - wo im Durchschnitt stärkerer Wind weht - im Wettbewerb um neue Windkraftprojekte nicht zu benachteiligen.

Der energiepolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Gernot Gruber, warf der grün-schwarzen Landesregierung vor, selbst zu bremsen. So sei der Mindestabstand für Windkraftanlagen vor zwei Jahren faktisch von 700 auf 1000 Meter erhöht worden. Damit kämen viele Standorte nicht mehr in Frage, kritisierte der Politiker und forderte die Rückkehr zur alten Regelung.

Aus Sicht von EnBW-Chef Frank Mastiaux muss der Süden bei Windkraftanlagen deutlich aufholen. Aus Transport- und Kostengründen müsse Windenergie jedoch viel stärker dort produziert werden, wo sie verbraucht wird. «Windkraft muss deshalb gleichmäßiger verteilt werden. 25 Prozent der Windparks sollten daher südlich der Mainlinie gebaut werden», sagte der Chef von Deutschlands drittgrößtem Stromkonzern im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Die ehemals atomlastige EnBW hat sich in den vergangenen Jahren einem grundlegenden Wandel verschrieben und seit 2010 die Ökostrom-Sparte stark ausgebaut. Bis 2025 sollen weitere rund fünf Milliarden Euro in Erneuerbare Energien investiert werden, das meiste in Windkraft. Die derzeit rund 1000 MW installierter Leistung zu Land und auf hoher See sollen bis 2025 auf 3500 MW erweitert werden. Auch will Mastiaux das Know-how international in ausgewählten Ländern vermarkten. Derzeit betreibt die EnBW in der Türkei Windkraftprojekte. In den USA, Frankreich, Schweden und Taiwan sind die Karlsruher mit eigenen Ländergesellschaften vertreten. In Schweden baut die EnBW einen Windpark. Zugleich hat sie dort sieben Parks erworben.

Auch mit Sonne will das Unternehmen aus Karlsruhe künftig mehr glänzen: 13 Solarparks mit 55 Megawatt Leistung hat die EnBW derzeit, 8 Solarparks mit 45 Megawatt sind in Bau und in Planung. 200 bis 300 Megawatt, so schätzt Mastiaux, könnten hinzukommen. Die Solarenergieerzeugung werde «zunehmend interessant» weil es sich angesichts neuer Technologien, günstigeren Solarmodulen und größeren verfügbaren Flächen besser rechne. «Das war früher schlicht zu teuer, um es profitabel zu betreiben.»

Mastiaux forderte für den Ausbau der Erneuerbaren Energien verlässliche Rahmenbedingungen von der Politik und Änderungen bei Genehmigungsverfahren: «Es dauert inzwischen bis zu fünf Jahre, bis sie einen Windpark gebaut bekommen, das ist viel zu lang.» Auch könnte man im Rahmen von Ausschreibungen für neue Windräder den windschwachen Süden mehr berücksichtigen. Unabdingbar sei jedenfalls ein bestimmter Anteil an Reserve-Gas-Kraftwerken, die «auf Knopfdruck anspringen», wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint. «Wir sind ein Hochindustrieland, das wird immer unterschätzt.»

Umweltministerium zur Windenergie

Pressemitteilung Umweltministerium