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«Nationaler Klimakonsens»
Annegret Kramp-Karrenbauers Klima-Offensive

Annegret Kramp-Karrenbauer
Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Bundesvorsitzende, äußert sich im Konrad-Adenauer-Haus zum Thema Klimaschutz. Foto: Jörg Carstensen
Der Kampf gegen die Erderwärmung ist das Thema dieser Tage. Der Deutsche Wetterdienst misst Temperaturrekorde, Schüler streiken, die Grünen sind im Höhenflug. Und wo ist die CDU? Die gar nicht mehr so neue Parteichefin meldet sich zu Wort.

Berlin (dpa) - Am Wochenende, als Greta Thunberg bestürzt im Hambacher Forst steht, beschwört Annegret Kramp-Karrenbauer Klimaschutz «mit Optimismus und Offenheit, mit Forschergeist und Fantasie».

Ein «nationaler Klimakonsens» müsse her, fordert sie in einem ausführlichen Gastbeitrag in der «Welt am Sonntag». Die nachhaltige Entwicklung soll wie vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) vorgeschlagen als Staatsziel im Grundgesetz verankert werden. Dass die eigene Fraktion im Boot ist, zeigt die Wahl von Kramp-Karrenbauers Co-Autor: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Jung bastelt gerade mit seinem Gegenüber von der CSU, Georg Nüßlein, am Klimaschutzkonzept der Union.

Nach acht Monaten als CDU-Vorsitzende geht Kramp-Karrenbauer also in die Klima-Offensive. Als sie ihr neues Amt im Dezember antrat, trieb sie erkennbar anderes um: das Erbe von Angela Merkels Migrationspolitik, mit dem so mancher auch in der eigenen Partei hadert, die Aussöhnung mit der bayerischen Schwesterpartei CSU, die Schärfung des konservativen Profils.

Doch spätestens die beharrlich streikbereiten Fridays-for-Future-Aktivisten und der Erfolg der Grünen bei der Europawahl im Mai haben deutlich gemacht, dass sich keine Partei mehr eine programmatische Lücke leisten kann beim Kampf gegen die Erderwärmung. Es half auch nicht, dass Kramp-Karrenbauer nach einer heftigen Video-Attacke des YouTube-Stars Rezo gegen die CDU-Klimapolitik erst einmal laut über Regeln für «Meinungsmache» in Wahlkampfzeiten nachdachte. Kanzlerin Merkel fühlte sich zu öffentlichen Ratschlägen bemüßigt: Das Wichtigste sei, «dass man erstmal offen darauf reagiert und nicht gleich abwehrt und sagt, ist alles nichts», riet sie der Parteiführung.

Kramp-Karrenbauer gab sich einsichtig. «Die Baustelle habe ich übernommen und ich will, dass wir die bis September so bearbeitet haben, dass wir gut überzeugen können», sagte sie Mitte Juni im ZDF. Inzwischen drängt die Zeit: Schon in sechs Wochen, am 20. September, soll das Klimakabinett neue Pläne der Bundesregierung zur gesetzlichen Umsetzung der Klimaziele bis 2030 beschließen. Mindestens 55 Prozent des Treibhausgases CO2 will die Regierung bis dahin einsparen im Vergleich zu 1990 - aktuell hinkt Deutschland hinterher.

Nun also bläst Kramp-Karrenbauer frohgemut zum Angriff. Von der Wortwahl der schwedischen Klima-Ikone Thunberg («Die Zeit läuft uns davon») ist sie dabei weit entfernt. Die Emotion überlässt sie dem deutschen Astronauten Alexander Gerst, dessen Worte vom «zerbrechlichen Raumschiff Erde» sie gleich zum Einstieg zitiert. Sollen die Aktivisten unken, AKK setzt auf Klimaschutz «mit der richtigen Grundeinstellung», wie sie am Abend in Berlin ausführt. Man habe zuletzt «sehr viel gehört beim Thema Klimaschutz über Verbote, über Einschränkungen». Nicht so die CDU: «Wir wollen ein Konzept mit Innovationen, mit Optimismus, und vor allen Dingen eins, das die Menschen mitnimmt, das sie sozusagen zum Teil der Lösung auch macht.»

Für die CDU-Chefin ist der Umweltschutz «ein Innovationsmotor und damit ein wichtiger ökonomischer Wettbewerbsfaktor», so heißt es im Gastbeitrag. Eine Steuerreform mit «Entlastung für Bürger und Betriebe» will sie auch: «Es geht uns dabei um besseren Klimaschutz, nicht um mehr Staatseinnahmen.»

Und sie warnt, die Menschen dürften nicht zu «Verlierern einer gut gemeinten Politik» werden. «Wir wollen und müssen alle Menschen auf diesem Weg mitnehmen», fordern Jung und Kramp-Karrenbauer. Klimaschutz muss nicht weh tun, schwingt da mit. Vielleicht ein Grund, warum die beiden den Ruf des Weltklimarats vom Donnerstag nach einer klimafreundlicheren Landwirtschaft und einer Ernährung mit viel Gemüse nicht aufgreifen. «Wir müssen diese Veränderungen erfolgreich schrittweise gestalten, damit es nicht zu einer Schieflage kommt zwischen den einen, die sich ein hohes Tempo leisten können und anderen, die abgehängt werden.»

Es gehe nicht um «Politik gegen das Auto» sondern um eine «attraktive Bahn und Öko-Autos», schreiben Kramp-Karrenbauer und Jung, «nachhaltige Mobilität für alle». Apropos «nachhaltig»: Gleich vierzehn Mal taucht das Wort in Variationen auf im Gastbeitrag. Die energetische Sanierung von Gebäuden soll steuerlich gefördert werden, für alte Ölheizungen soll es eine «Abwrackprämie» geben. Und so wie ein Bundeshaushalt ohne neue Schulden, die «schwarze Null», künftige Generationen vor Überschuldung schützen soll, so solle künftig die «grüne Null» für «Klimaneutralität» stehen.

«Die grüne Null, die schaffen wir!», so ist der Klima-Aufschlag der CDU-Chefin überschrieben. Ihre Vorgängerin Merkel hat einmal eine ganz ähnliche Formulierung gewählt, im Sommer vor vier Jahren, als so viel Flüchtlinge nach Deutschland kamen. Die meisten messen sie noch heute daran.