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Genehmigungen erleichtern
Autoindustrie fordert Ladesäulen-«Gipfel»

Ladesäule für E-Autos
In manchen Gegenden Deutschlands muss man Ladesäulen für Elektroautos mit der Lupe suchen. Foto: Marijan Murat/dpa
Auf 13 Elektroautos kommt nach Branchenangaben derzeit ein Ladepunkt. Schon in einem halben Jahr müssten sich voraussichtlich 20 Autos einen teilen. Nun wollen sich Politik und Branche bald beraten.

Berlin (dpa) - Nach jahrelangem Zögern drücken Bund und Branche beim Ausbau des Ladesäulennetzes aufs Tempo.

«Ein Spitzengespräch zum Thema Ladesäulen zwischen Bundesverkehrsministerium, Bundeswirtschaftsministerium und der Branche ist derzeit in Planung», teilte das Verkehrsministerium in Berlin auf Anfrage mit.

Die Chefin des Branchenverbandes VDA, Hildegard Müller, forderte eine Konferenz mit Bund, Ländern und Kommunen sowie Vertretern weiterer Branchen. «Ich möchte einen Ladenetz-Gipfel mit allen Playern, und der sollte noch vor Weihnachten stattfinden», sagte Müller.

Zu Details wollte ein Ministeriumssprecher zunächst keine Angaben machen. Er verwies aber darauf, dass das Thema «bei vielen fachlichen Treffen (...) auf der Agenda» stehe.

Als Beispiele nannte er die «Konzertierte Aktion Mobilität», bei der sich seit Ende 2019 Politik und Autobranche regelmäßig austauschen, oder das Treffen zur Zukunft von Nutzfahrzeugen am vergangenen Mittwoch.

Müller will an dem Treffen außer Bund, Ländern und Kommunen auch Gebäudewirtschaft, Mineralölfirmen, Parkhausbetreiber und Flughäfen beteiligen. «Wir brauchen die neuen Akteure am Tisch, alle, die für den Aufbau einer Ladeinfrastruktur mitziehen müssen», sagte sie im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Freitag).

Zu den wichtigen Themen gehörten beschleunigte Planungsverfahren und erleichterte Genehmigungen für Ladestationen an Tankstellen, der Ausbau des Ökostroms und eine Befreiung des Ladestroms von der EEG-Umlage. «Ladestrom muss billiger sein als Diesel», sagte Müller und forderte zudem von den Städten und Gemeinden: «Jede Kommune sollte jetzt einen Ausbauplan für Elektromobilität vorlegen, jeder Bürgermeister muss das ganz oben auf die Agenda setzen.»

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) forderte mehr Anstrengungen beim Aufbau eines EU-weiten Ladenetzes für E-Autos und einen koordinierten Ausbau der erneuerbaren Energien. «Wir gehen davon aus, dass die Einsparziele bei den CO2-Emissionen durch die Europäische Union noch einmal deutlich verschärft werden», sagte Weil in Hannover. «Das setzt voraus, dass wir überall in Europa über leistungsfähige Ladenetze verfügen.» Neben der Autoindustrie müsse auch die Politik «ihren Teil dazu beitragen, dass die Transformation gelingt und der Automobilstandort Deutschland erhalten bleibt».

Weil kündigte an: «Niedersachsen wird ein Zentrum der E-Mobilität im internationalen Maßstab werden.» Für Wolfsburg und Osnabrück werde es im nächsten Jahr ebenfalls solche Perspektiven geben. Zur Aufstockung eigener Batteriezell-Kapazitäten etwa bei VW in Emden gebe es «konstruktive Diskussionen». Salzgitter bekommt schon eine Fertigung.

Beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hieß es, der «Hochlauf der Elektromobilität braucht die Automobilhersteller genauso wie die Energiewirtschaft, die Logistik und die Wohnungswirtschaft». Der Aufbau der Ladeinfrastruktur hänge maßgeblich vom Bedarf und der Anzahl der Fahrzeuge ab, sagte Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. «Mit einem Elektromobilitätsgipfel können wir einen kraftvollen und engagierten gemeinsamen Schritt nach vorne machen.»

VW stockt bis 2025 die Ausgaben für Alternativantriebe und Digitales auf 73 Milliarden Euro auf - fast die Hälfte der Gesamtinvestitionen von 150 Milliarden Euro. In die niedersächsischen Standorte Wolfsburg, Braunschweig, Salzgitter, Hannover, Osnabrück und Emden fließen über die kommenden fünf Jahre mehr als 16 Milliarden Euro.Der Stadtwerkeverband VKU zeigte sich aufgeschlossen.

Die kommunalen Unternehmen seien «in erhebliche Vorleistungen» gegangen, sagte VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. «Ein gemeinsamer Ladegipfel, bei dem Energie- und Automobilwirtschaft an einem Strang ziehen, um der Elektromobilität zum Erfolg zu verhelfen, ist daher richtig.» Liebing nahm besonders die Autobranche in die Pflicht. «Der Gipfel darf nicht nur dazu dienen, dass Automobilhersteller von ihren eigenen Versäumnissen bei der Mobilitätswende in den vergangenen Jahren ablenken», betonte er.

Die Nachfrage nach E-Autos boomt nicht nur hierzulande, auch wegen erhöhter staatlicher Kaufprämien, die die Nachfrage inmitten der Corona-Pandemie ankurbeln sollen. Im Oktober lag die Zahl neu zugelassener Pkw mit Elektro- oder Plug-In-Hybrid-Antrieb nach Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) bei fast 48.000. Das entspricht einem Marktanteil in dem Monat von 17,5 Prozent. Zum Vergleich: Im Januar war es mit gut 16.000 Autos noch ein Marktanteil von 6,7 Prozent. Die Bundesregierung hält sieben bis zehn Millionen E-Autos auf deutschen Straßen in Deutschland bis 2030 für notwendig, um Klimaschutzziele zu erreichen.

Von diesem Ziel ist der Autoverkehr allerdings noch weit entfernt: Anfang 2020 waren im gesamten Pkw-Bestand von 47,7 (2019: 47,1) Millionen lediglich 0,5 (0,3) Prozent reine E-Autos oder Plug-In-Hybride. Nachholbedarf sehen Experten vor allem beim Ladenetz. Unlängst hatte der europäische Herstellerverband Acea darauf hingewiesen, dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur nicht mit der stark wachsenden Nachfrage nach E-Autos Schritt halte.

Wenn das so bleibe, werde das Interesse der Kunden schnell wieder sinken, «und das wäre nicht gut für die Klimaziele», beklagte Müller. Aktuell stehe im Schnitt für 13 Elektroautos ein Ladepunkt zur Verfügung, schon in einem halben Jahr müssten sich voraussichtlich 20 Autos einen teilen. Müller nannte als Beispiel den neuen Hauptstadtflughafen BER, der bei 18.000 Parkplätzen nur 20 Ladestationen habe. «Das kann nicht deren Ernst sein», sagte Müller.

© dpa-infocom, dpa:201113-99-320144/6

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Acea zum Thema Ladesäulen