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Morddrohungen gegen Grüne
Bericht: Rechtsextremisten drohen Özdemir und Roth mit Tod

Claudia Roth
Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth ist mit dem Tode bedroht worden. Foto: Britta Pedersen/zb/dpa
Grünen-Politiker Cem Özdemir
Cem Özdemir wird von Rechtsextremisten mit Ermordung bedroht. Foto: Christoph Schmidt/dpa
Im vergangenen Jahr sind Politiker und Behördenvertreter rund 1250 Mal Opfer politisch motivierter Straftaten geworden. Auch aktuell kursieren Todesdrohungen von Rechtsextremen. Diesmal trifft es Spitzenpolitiker der Grünen.

Berlin (dpa) - Rechtsextremisten haben die Grünen-Politiker Cem Özdemir und Claudia Roth nach einem Medienbericht mit dem Tod bedroht.

Özdemir stehe als erster Name auf einer Todesliste, schrieb Ende Oktober eine Gruppe namens «Atomwaffen Division Deutschland» in einer E-Mail an das Büro des türkischstämmigen Bundestagsabgeordneten, wie die Zeitungen der Funke Mediengruppe berichteten. Der Bundestagsvizepräsidentin drohten sie, sie sei auf Platz zwei.

Eine rechtsextremistische Gruppe «Atomwaffen Division» (AWD) gibt es in den USA. Das Bundeskriminalamt verwies am Samstag allgemein auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linke-Fraktion vom Juli 2018. Darin hieß es, nach vorliegenden Erkenntnissen ergäben sich keine Anhaltspunkte, dass es sich bei der «Atomwaffen Division» um eine terroristische Vereinigung handle. Weiter hieß es: «Die Gefährdung durch extrem rechte und rechtsterroristische Gewalttaten in der Bundesrepublik Deutschland bleibt, auch nach der Ankündigung der Existenz eines deutschen Ablegers der AWD, unverändert auf einem abstrakt hohen Niveau.»

Die Zeitungen zitieren aus der ihnen vorliegenden Mail an Özdemir: «Zurzeit sind wir am Planen wie und wann wir Sie hinrichten werden, bei der nächsten öffentlichen Kundgebung? Oder werden sie von uns vor ihrem Wohnort abfangen.»

Roth sagte den Funke-Blättern: «Die Drohung mag diesmal gegen Cem und mich gerichtet sein, doch sie reiht sich ein in eine lange Liste versuchter Einschüchterungen - gegen Kommunalpolitikerinnen und die Zivilgesellschaft, gegen Jüdinnen und Muslime, gegen Künstlerinnen und Menschen mit Migrationshintergrund.» Und weiter: «Wer glaubt, uns mit seinem dumpfen Hass und seiner geschichtsblinden Hetze vom Einsatz für eine vielfältige und weltoffene Gesellschaft abbringen zu können, den muss ich bitter enttäuschen.»

Der 53-jährige Ex-Grünen-Chef gab die Droh-Mail an die Bundestagspolizei und das Bundeskriminalamt (BKA) weiter. Er wurde in der Vergangenheit bereits wegen seiner scharfen Kritik am türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan von türkischen Nationalisten massiv bedroht und erhält seit längerem Personenschutz.

Özdemir sagte den Zeitungen: «Ich kann mich auf den Begleitschutz durch das BKA verlassen. Doch was ist mit all den Kommunalpolitikerinnen und den ehrenamtlich Engagierten, die angefeindet werden und keinen Personenschutz haben?» Es müsse möglich sein, am Spielfeldrand, im Bus und auf der Betriebsfeier für eine offene Gesellschaft einzutreten, ohne danach Hasskommentare in den sozialen Netzen zu bekommen.

«Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass Hasskriminalität konsequenter ermittelt und zur Anklage gebracht wird», so Özdemir. «Dafür braucht es Schwerpunktstaatsanwaltschaften gegen Hasskriminalität und eine bessere Ausstattung und Ausbildung der Polizei, Strafverfolgungsbehörden und Gerichte zum Thema digitale Gewalt», sagte er.

Auf Twitter veröffentlichte Özdemir ein Foto von sich beim Unterschreiben von Strafanzeigen. «Dafür gehe ich sogar am Samstag gerne ins Büro: Prall gefüllte Unterschriftenmappen mit Strafanzeigen gegen deutsche und türkische Fanatiker für Bedrohungen, Verleumdungen bzw. Beleidigungen», schrieb er dazu.

Grünen-Chefin Annalena Baerbock erklärte, an die nahezu täglichen Drohungen dürfe sich die Gesellschaft nicht gewöhnen. «Wir müssen gemeinsam für Rechtsstaat und Demokratie einstehen. Mit aller Kraft gegen den Hass vor allem für die, die keinen Schutz haben», schrieb sie auf Twitter.

Die Bundesregierung hatte erst vor kurzem angekündigt, mit schärferen Strafen, erweiterten Kompetenzen der Behörden und einer Meldepflicht für strafbare Inhalte im Internet auf die rechte Gewalt der vergangenen Monate reagieren zu wollen. Der Plan sieht auch einen besseren Schutz für Kommunalpolitiker vor.

Im Juni war der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU) ermordet worden. Stephan E., der den Behörden vor Jahren als Rechtsextremist aufgefallen war, sitzt in diesem Fall als Hauptverdächtiger in Untersuchungshaft.

2018 wurden Politiker und Behördenvertreter insgesamt 1256 Mal Opfer politisch motivierter Straftaten. Darunter waren 43 Gewaltdelikte, wie BKA-Präsident Holger Münch und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) im Mai mitgeteilt hatten. 517 dieser Straftaten ordnete die Polizei der rechten, 222 der linken Szene zu.

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