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Sichere Herkunftsländer
Bundestag erklärt Maghrebstaaten und Georgien für sicher

Freiwillige Ausreise
Sie gehen freiwillig: Abgelehnte Asylbewerber aus Albanien und dem Kosovo auf dem Kassel-Airport. Foto: Uwe Zucchi
Abschiebung
Blick in den Aufenthaltsraum für «rückzuführende» Menschen auf dem Frankfurter Flughafen. Foto: Andreas Arnold
Proteste in Tunesien
Demonstranten gehen zum Jahrestag der tunesischen Revolution auf die Straßen, um gegen gestiegene Preise und ein neues Finanzgesetz der Regierung zu protestieren. Foto: Hassene Dridi/AP
Abschiebung
Polizisten überwachen eine Abschiebung auf dem Flughafen Leipzig-Halle. Foto: Sebastian Willnow
Mahnwache
Marokkaner legten nach dem Mord an zwei skandinavischen Studentinnen Blumen vor der Botschaft Norwegens ab. Foto: Mosa'ab Elshamy/AP
Bundestag
Sollen Georgien sowie die Maghreb-Staaten Tunesien, Algerien und Marokko als sichere Herkunftsstaaten gelten? Der Bundestag stimmt ab. Foto: Bernd von Jutrczenka
Annalena Baerbock
Annalena Baerbock hält das Instrument der Sicheren Herkunftsstaaten für ungeeignet. Foto: Patrick Pleul
Flüchtlinge auf dem Mittelmeer
Flüchtlinge aus Afrika in einem Schlauchboot vor der Küste von Libyen. Foto: Olmo Calvo
Erlaubt die Menschenrechtslage in Marokko, Tunesien und Algerien ihre Einstufung als «sichere Herkunftsländer»? Die Regierung sagt: Ja. Ihr ist das auch wichtig, weil Asylbewerber aus diesen Ländern häufiger straffällig werden als andere Schutzsuchende.

Berlin (dpa) - Der Bundestag hat mit großer Mehrheit einem Gesetzentwurf zur Einstufung von Georgien, Algerien, Tunesien und Marokko als sichere Herkunftsstaaten zugestimmt.

Einzig Vertreter der Fraktionen der Grünen und der Linkspartei sprachen sich am Freitag im Plenum gegen den Entwurf der Bundesregierung aus. Der SPD-Abgeordnete Helge Lindh sagte, die Regelung sei wichtig, um bei Menschen aus diesen Ländern keine falschen Hoffnungen auf eine Zukunft in Deutschland zu wecken. Sie sei zudem «Ausdruck eines gesunden Pragmatismus.»

Für den Entwurf stimmten 509 Abgeordnete. Mit «Nein» votierten 138: Alle anwesenden Parlamentarier von Linken und Grünen, die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler, sowie 11 weitere Sozialdemokraten. 4 SPD-Abgeordnete enthielten sich.

Sichere Herkunftsländer sind Staaten, bei denen die Vermutung besteht, dass es dort im Regelfall weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung gibt. Bislang fallen nur die EU-Staaten, Ghana, Senegal, Serbien, das Kosovo, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Montenegro und Albanien in diese Kategorie.

Neue Migranten aus Marokko, Tunesien und Algerien, die ohne Visum kamen, sind in den vergangenen Jahren laut Polizei-Statistik deutlich häufiger straffällig geworden als etwa Zuwanderer aus Konfliktregionen wie Syrien oder Afghanistan.

Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen, Luise Amtsberg, sagte, der Entwurf sei überflüssig, da die Zahl der Asylanträge von Menschen aus diesen vier Ländern zuletzt ohnehin stark zurückgegangen sei. Gleichzeitig habe die Zahl der Abschiebungen nach Georgien und in die Maghrebstaaten deutlich zugenommen.

Die Bundesregierung will mit dieser Änderung des Asylrechts erreichen, dass über Anträge von Menschen aus diesen Staaten schneller entschieden werden kann. Auch die Abschiebung soll dadurch beschleunigt werden. Pro Asyl kritisierte, der Gesetzentwurf ignoriere eine Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofs, wonach abgelehnte Asylbewerber die Möglichkeit haben müssten zu klagen, ohne dass sie währenddessen abgeschoben werden dürfen.

Die große Koalition war 2017 mit einem ähnlichen Entwurf zu den Maghrebstaaten im Bundesrat am Widerstand mehrerer Länder gescheitert, in denen Grüne oder die Linkspartei mitregieren. Damit es diesmal im Bundesrat vielleicht doch funktioniert, hatte der Innenausschuss des Bundestages den ursprünglichen Entwurf zuletzt noch einmal überarbeitet.

Ausländer, bei denen das Risiko besteht, dass sie ihre Rechte im Asylverfahren nicht wahrnehmen, weil sie Hemmungen haben, ihre Fluchtgründe vorzutragen, sollen jetzt Zugang zu einer speziellen Rechtsberatung erhalten. Das können Folteropfer, Opfer von Menschenhandel, unbegleitete Minderjährige oder Homosexuelle sein, die in den Maghrebstaaten diskriminiert werden. Die Grünen erklärten jedoch, dies sei nicht ausreichend.

Grünen-Chef Robert Habeck sagte dem Sender Phoenix (Freitag), die Listenerweiterung werde im Bundesrat wohl abgelehnt. In Landesregierungen mit grüner Beteiligung sei im Koalitionsvertrag festgelegt, sich in dieser Frage im Bundesrat zu diesem Thema zu enthalten, wenn man uneins sei. Nur das Grün-Schwarz regierte Baden-Württemberg unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) habe sich in dieser Frage anders entschieden. Der Vize-Regierungschef Thomas Strobl (CDU) sagte am Freitag: «Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wird an uns nicht scheitern».

Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) forderte die Grünen auf, bei der Abstimmung im Bundesrat «nicht wieder auf die Bremse zu treten». Die Aufnahme der Staaten in die Liste sei «längst überfällig».

Auch der CDU-Abgeordnete Alexander Throm betonte, Abschiebungen seien nicht nur für die Grünen ein schmerzhaftes Thema, sondern auch für Politiker anderer Parteien, für die Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und für die Bundespolizisten, die diese Ausländer außer Landes bringen müssten. Die Grünen hätten «keinen moralischen Alleinstellungsanspruch». Durch ihre Blockadehaltung bei dieser Asylrechtsänderung riskierten sie die Akzeptanz der Bevölkerung für das relativ liberale deutsche Asylrecht. CSU-Generalsekretär Markus Blume sagte: «Diese grüne Blockadehaltung spaltet das Land.»

Ein Antrag der FDP, zu überprüfen, ob Indien, Vietnam, die Ukraine und elf weitere Länder ebenfalls zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden sollten, fand keine Mehrheit. Er erhielt jedoch immerhin 150 Stimmen: 70 von der FDP, 79 von der AfD und die Stimme des fraktionslosen ehemaligen AfD-lers Uwe Kamann.

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