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Demonstrationen
«Corona-Diktatur»? SED-Aufarbeitungsbeauftragter übt Kritik

Demonstration  gegen Corona-Einschränkungen
Der Begriff «Corona-Diktatur» wird auf Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen immer wieder verwendet. Foto: Paul Zinken/dpa-Zentralbild/dpa
Bei Protesten gegen die Corona-Politik wird immer wieder der Begriff der «Corona-Diktatur» verwendet. Der SED-Aufarbeitungsbeauftragte sieht darin eine Verharmlosung.

Berlin (dpa) - In der Debatte über Corona-Beschränkungen kritisiert der Berliner Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur eine Verharmlosung des Begriffs Diktatur.

«Ich bin sehr dafür, dass man die Verhältnisse in einer Demokratie und einer Diktatur vergleicht, aber dabei muss man klar die Unterschiede herausstellen», sagte Tom Sello der Deutschen Presse-Agentur.

In der Bundesrepublik seien Meinungsäußerungen, Versammlungen und die Gründung von Vereinen möglich - anders als früher in der DDR. «Menschen, die das gleichsetzen, verkennen eben nicht nur unsere heutigen Verhältnisse, sondern die verharmlosen auch die Diktatur. Sie tun den Menschen Unrecht, die in Diktaturen leben und unter diesen Verhältnissen leiden.»

Absetzung der Regierung gefordert

Der Begriff der «Corona-Diktatur» taucht bei Protesten gegen Pandemie-Auflagen immer wieder auf. Bisweilen wird auch die Absetzung der Bundesregierung oder die Überwindung des politischen Systems gefordert.

Der Rückblick auf die DDR-Geschichte zeige, warum der Einsatz für Demokratie wichtig sei, so Sello. Er lobte die Pläne der Ampel-Koalition im Bund und der rot-grün-roten Landesregierung in Berlin, historische Orte für die Gedenkarbeit zu sichern, darunter die ehemalige Stasi-Zentrale in Lichtenberg und das frühere DDR-Polizeigefängnis in der Keibelstraße.

«Die Entwicklung historischer Orte ist besonders wichtig, weil es immer weniger Zeitzeugen gibt und man vor allem junge Leute auch künftig erreichen muss, die keine eigene Diktatur-Erfahrung haben», sagte der frühere DDR-Bürgerrechtler, der sein Berliner Amt seit 2017 bekleidet. Die Entwicklung der beiden historischen Orte für die Öffentlichkeit werde aber zehn bis 15 Jahre in Anspruch nehmen.

Wichtig ist aus Sellos Sicht auch der Plan der Ampel-Koalition für einen bundesweiten Härtefallfonds für ehemalige Verfolgte der SED-Diktatur. «Damit kann Menschen geholfen werden, die rehabilitiert wurden, aber bei allen Hilfsleistungen durch das Raster fallen und sich in einer finanziell oder gesundheitlich schwierigen Situation befinden», sagte der 64-Jährige.

Doch fügte er hinzu: «Schade finde ich, dass im Berliner Koalitionsvertrag von Rot-Grün-Rot sowohl der kommende 70. Jahrestag des 17. Juni 1953 im Jahr 2023 als auch 35 Jahre Mauerfall 2024 nicht erwähnt sind. Aber ich gehe davon aus, dass Berlin beides nicht vergessen wird.»

© dpa-infocom, dpa:211225-99-501040/5