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Pandemie
Corona-Zahlen steigen - RKI sieht mehr Ausbrüche in Kitas

Spahn und Wieler
«Diese dritte Welle müssen wir gemeinsam so flach halten wie möglich», sagte Institutschef Lothar Wieler hier mit Jens Spahn in Berlin. Foto: Kay Nietfeld/dpa
Eine ansteckendere Virusvariante und wieder mehr Betrieb etwa in Schulen und Kitas: In Deutschland scheint die Pandemie wieder Fahrt aufzunehmen. Die Gründe sind vielschichtig.

Berlin (dpa) - Der Aufwärtstrend bei den Corona-Fallzahlen in Deutschland hält nach Daten vom Freitag an. So meldeten Gesundheitsämter dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 12.834 Corona-Neuinfektionen - 2254 mehr als vor genau einer Woche.

Die Zahlen stiegen bei den Menschen unter 60 Jahren; bei Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren sogar «sehr rasant» seit Mitte Februar, sagte RKI-Chef Lothar Wieler in Berlin. «Wir sehen vermehrt Ausbrüche in Kitas.» Pro Kita-Ausbruch gebe es auch mehr Infizierte. Wie eine RKI-Sprecherin erläuterte, geht es um je 87 Ausbrüche pro Woche in den letzten beiden Februarwochen. Wieler sprach von einem möglichen Zusammenhang mit der ansteckenderen britischen Variante B.1.1.7.

Kleine Kinder haben bei Corona-Infektionen häufig keine Symptome und wurden oft nicht getestet, deshalb vermuteten Experten seit Pandemiebeginn eine recht hohe Dunkelziffer in dieser Gruppe. Vor gut zwei Wochen, am 22. Februar, waren in einer Reihe von Bundesländern weitere Grundschulen und Kitas geöffnet worden, teils zum Beispiel mit sogenanntem Wechselbetrieb und verbunden mit mehr Testangeboten. Nachdem die Inzidenz bei den Kindern zwischen 0 und 4 Jahren Mitte Februar auf rund 35 abgesunken war, lag sie vergangene Meldewoche bei 60, wie aus RKI-Zahlen (Stand: 9.3.) hervorgeht. Trotz des Anstiegs handelt es sich immer noch um den geringsten Wert unter den Altersgruppen bis 19 Jahre.

Aus Sicht des Infektionsschutzes sei eine Schließung von Schulen und Kitas «ein guter Weg», sagte Wieler. Es werde aber eine nachvollziehbare, gut begründete Abwägung getroffen. Kluge, klare Konzepte etwa zu Tests, Masken, Hygiene und Gruppenbildung müssten in den Einrichtungen umgesetzt werden. «Es wird nicht 100 Prozent schützen» - aber die Infektionsverbreitung könne damit zu einem großen Teil verhindert werden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ergänzte: Infektionsschutz sei wichtig, aber nicht absolut. Es gebe richtigerweise eine Debatte über die Auswirkungen monatelanger Schulschließungen für das Wohlbefinden von Kindern.

Zur Zahl der zuletzt durchgeführten Schnell- und Selbsttests konnte Spahn am Freitag keine Angaben machen. Wenn solche Tests positiv ausfallen, soll dies im Labor noch überprüft werden, erst bei einer Bestätigung gehen die Daten in die RKI-Statistik ein. Nach bisher verfügbaren Daten sind die PCR-Testzahlen zuletzt nicht deutlich angestiegen. Wieler widersprach dem Eindruck einer «künstliche Erhöhung von Fallzahlen», der Anstieg hänge nicht mit vermehrtem Testen zusammen. Er verwies auf klinische Daten und Anstiege bei Covid-19-Intensivpatienten in manchen Bundesländern. Er betonte, es sei wichtig, ansteckende Menschen möglichst früh «aus dem Verkehr zu ziehen», um die Weitergabe des Virus zu vermeiden.

Die Quote positiver Corona-Tests sei seit einigen Wochen stabil, «so dass der Anstieg akut wohl nicht auf vermehrte Testung und Entdeckung von Fällen zurückzuführen ist», erklärte auch die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie, Eva Grill, am Donnerstagabend auf dpa-Anfrage. Sie denke nicht, dass sich die Lockerungen schon so stark bemerkbar machten und verwies vielmehr auf die zunehmende Ausbreitung der Mutante B.1.1.7. Das RKI beziffert deren Anteil an den Proben mittlerweile auf mehr als die Hälfte.

Die Pandemie sei noch nicht zu Ende, betonte Wieler. Er rief zu verantwortungsvollem Verhalten auf: «Diese dritte Welle müssen wir gemeinsam so flach halten wie möglich.» Es gelte zu verhindern, in eine Situation wie vor Weihnachten mit vielen Erkrankungen, schweren Verläufe und Todesfällen sowie einer starken Belastung des Gesundheitssystems zu kommen. Die Pandemie sei ein Marathon, so Wieler - man sei nun im letzten, besonders anstrengenden Drittel. «Der beste Schutz ist eine niedrige Inzidenz.»

Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag am Freitagmorgen mit 72,4 deutlich höher als am Vortag (69,1) und höher als vor vier Wochen: Am 12. Februar betrug die Zahl 62,2. Die Fallzahlen hätten sich auf zu hohem Niveau eingependelt, sagte Wieler. Unter dem Durchschnitt liegen die Inzidenzen bei Menschen zwischen 60 und 79 Jahren (44) und über 80 (48).

Rund ein Fünftel der 412 Landkreise und kreisfreien Städte hatten am Freitag laut RKI eine Sieben-Tage-Inzidenz von über 100. Bund und Länder hatten beschlossen, dass in einem Bundesland oder einer Region dann strengere Corona-Regeln gelten und jüngste Lockerungen zurückgenommen werden sollen.

Innerhalb von 24 Stunden sind 252 weitere Todesfälle nach Corona-Infektionen verzeichnet worden, vor genau einer Woche waren es binnen eines Tages 10.580 Neuinfektionen und 264 neue Todesfälle.

Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 2.545.781 nachgewiesene Corona-Infektionen in Deutschland. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit etwa 2.345.600 an. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion gestorben sind, stieg auf 73.062.

Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Freitagabend bei 1,11 (Vortag 1,04). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 111 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab; liegt er anhaltend darüber, steigen die Fallzahlen.

© dpa-infocom, dpa:210312-99-792289/14

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