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Mehr Platz für Veggie-Produkte
Das Ende der Currywurst bei der Rügenwalder Mühle

Currywurst
Die Rügenwalder Mühle hat zum 1. September das Ende ihrer Currywurst aus Fleisch besiegelt. Der Wursthersteller braucht mehr Platz für seine vegetarischen Produkte. Foto: Julian Stratenschulte
Als die Rügenwalder Mühle anfing, Fleisch aus Pflanzen zu verkaufen, war der Widerstand im eigenen Haus groß. Doch mittlerweile macht der Wursthersteller fast 40 Prozent seines Umsatzes vegetarisch. Und der Firmenchef sagt: Es ist an der Zeit, weniger Tiere zu essen.

Bad Zwischenahn (dpa) - Egal, ob die Currywurst nun im Ruhrpott erfunden wurde oder doch in Berlin, aus einem Ort kommt Deutschlands wohl beliebtester Imbiss jetzt nicht mehr: In Bad Zwischenahn im Norden Niedersachsens hat die Rügenwalder Mühle für September das Ende ihrer Currywurst aus Fleisch besiegelt.

Der Wursthersteller brauche mehr Platz für seine vegetarischen Produkte, sagt Firmenchef Godo Röben. Mehr noch: Die Fleisch- und Wurstbranche habe es in den vergangenen Jahren übertrieben, Tierwohl und Klimaschutz seien auf der Strecke geblieben, sagt der 50-Jährige. «Es ist jetzt an der Zeit, mal 50 Prozent weniger Tiere zu essen.»

Bemerkenswerte Töne für einen der bekanntesten Fleischverarbeiter des Landes. Und eine Strategie, die auch im eigenen Haus anfangs nicht jeden überzeugte. «Natürlich gab es große Widerstände», sagt Röben über die Einführung der Veggie-Produkte der Rügenwalder Mühle vor fünf Jahren. «Der Vegetarier war ja der natürliche Feind des Fleisch- und Wurstherstellers.» Aber das bisherige Geschäftsmodell sei einfach nicht mehr zukunftsfähig gewesen.

Tatsächlich sind fleischlose Produkte bundesweit im Kommen. Nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Nielsen steigt der Wert der im Einzelhandel verkauften vegetarischen Produkte deutlich an. Zwischen Mitte 2018 und Mitte 2019 sei Veggie-«Fleisch» in Höhe von 163,1 Millionen Euro über die Ladentheken gegangen. Dies entspreche im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum davor einem Zuwachs von fast zehn Prozent auf Umsatzbasis, sagt Nielsen-Expertin Silke Schmitt.

Auch bei der Rügenwalder Mühle zeigt ein Blick in die Geschäftszahlen, dass es für Fleischersatzprodukte einen Markt gibt. Röbens Veggie-Strategie macht heute 35 bis 38 Prozent des Umsatzes der Rügenwalder Mühle aus. «Das Ziel von 40 Prozent werden wir im nächsten Jahr auf jeden Fall erreichen», sagt Röben.

Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) betont, vegetarische und vegane Produkte gehörten «zu den wichtigen Lebensmitteltrends der letzten fünf Jahre». In diesem Zeitraum sei der Absatz dieser Produkte um mehr als 15 Prozent gestiegen. Die Verbraucher investierten von Jahr zu Jahr mehr Geld in höherwertige Produkte und Sortimente. «Nachhaltigkeitsaspekte spielen dabei eine wesentliche Rolle. Dazu gehört auch das Tierwohl. Auf dieser Welle ist das Veggie-Sortiment bisher gut mitgeritten.»

Eine Entwicklung, die auch den Firmenlenkern der Rügenwalder Mühle zu denken gab. «Schon vor zehn Jahren konnte man sehen, dass wir drei riesige Probleme im Sortiment haben, die von Jahr zu Jahr größer werden: Tierleid, Gesundheit und Klimawandel», erinnert sich Röben. Es sei absehbar gewesen, dass die Massentierhaltung wegen der wachsenden Weltbevölkerung nicht weniger werde. Die Weltgesundheitsorganisation WHO habe gewarnt, es werde zu viel Fleisch gegessen. Und die Tierhaltung sei klimaschädlicher als der gesamte weltweite Verkehr. «Wenn man das sieht, dann muss man ein neues Geschäftsmodell haben.»

Bei der Rügenwalder Mühle kommen die Veggie-Produkte nun nicht einfach zusätzlich ins Sortiment. Die Fleischverarbeitung sei in den vergangenen vier Jahren um durchschnittlich drei Prozent zurückgegangen, heißt es - dadurch wurden Kapazitäten für vegane und vegetarische Produkte frei. Mit Blick auf die Branche bewerten die Marktforscher von Nielsen die vegetarischen Alternativen als «kleinen Lichtblick» im Gesamtsortiment von Fleisch- und Wurstwaren. Wobei beim Ende der Currywurst der Rügenwalder Mühle zur Wahrheit dazu gehört, dass das Unternehmen sie erst seit 2014 im Angebot hatte und einräumt, das Vermarktungsumfeld sei schwierig gewesen.

Das Interesse an Fleischersatzprodukten nimmt weltweit deutlich zu. «Neben Start-ups steigen auch traditionelle fleischverarbeitende Unternehmen in diesen Markt ein», berichtet der Interessenverband ProVeg. Um den Börsengang des US-Unternehmens Beyond Meat im Mai entstand ein derartiger Hype, dass selbst CSU-Politiker Alexander Dobrindt nach einem Besuch im Silicon Valley von fleischlosen Burgern schwärmte. Zum Ärger der Rügenwalder Mühle.

«Das ist, als wenn Sie sagen, der Tesla ist ja wohl das allerschönste Auto und vergessen, dass wir auch noch ein paar Autohersteller hier haben», kritisiert Röben. «Wir gehören zu den Top-Ten-Unternehmen in diesem Bereich weltweit. Tatsächlich sind deutsche Firmen nach ProVeg-Angaben im internationalen Vergleich führend. 15 Prozent aller weltweit neu auf den Markt gebrachten veganen Produkte zwischen Juli 2017 bis Juni 2018 stammen den Angaben zufolge aus Deutschland. Dies sichere der Bundesrepublik «den Titel des Weltmarktführers für vegane Produktinnovationen».

Überrollen die fleischlosen Alternativen also mehr und mehr den Markt? Trotz aller Umsatz- und Margensteigerungen ist es soweit noch lange nicht, wie der Lebensmittelhandelsverband BVLH deutlich macht. Das jährliche Umsatzvolumen im Handel mit solchen Produkten liege noch immer weit unter einem Prozent des gesamten Lebensmittelumsatzes. «Fleischersatz-Produkte gehören weiterhin zu den Nischen-Sortimenten», konstatiert ein Verbandssprecher.

Eine Rügenwalder Mühle, die irgendwann ganz ohne Fleisch auskommt, schließt Röben aber nicht gänzlich aus. «Das wird der Verbraucher entscheiden. Wir sind da keine Missionare», sagt er. Die Currywurst hat's schon erwischt.

Rügenwalder Mühle zum Veggie-Sortiment

Beyond-Meat-Mitteilung zu Quartalszahlen