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Impfprogramm
Der Impfturbo lässt auf sich warten

Impfung
Eine Person wird gegen Covid-19 geimpft. Foto: Friso Gentsch/dpa
Die Arztpraxen sollen spätestens Mitte April die Lizenz zum Impfen bekommen. Doch nach zähen Beratungen von Bund und Ländern zeigt sich: Es ist alles nicht so einfach.

Berlin (dpa) - Viele warten seit Wochen auf mehr Schub für die schleppenden Corona-Impfungen. Frust über knappen Impfstoff und überlastete Termin-Hotlines prägten bisher das Bild.

Den Durchbruch bringen sollen größere Liefermengen, die Einbeziehung des dichten Netzes der Praxen und Änderungen der Impfverordnung. Doch auch im April müssen sich viele Menschen wohl noch weiter bis zum schützenden Stich gedulden - ein Überblick:

Wann soll es in den Praxen losgehen?

Frühestmöglich, aber spätestens in sechs Wochen - in der 16. Kalenderwoche. Eine entsprechende Empfehlung beschlossen die Gesundheitsminister von Bund und Ländern. Die Entscheidung ist Chefsache - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten sollen darüber entscheiden. «Zeitnah», wie Regierungssprecher Steffen Seibert angekündigt hatte. Einzelne Länder können aber auch noch erklären, dass sie vorerst gar nicht mitmachen.

Kommt massenhaft Impfstoff in die Praxen?

Wohl nicht so schnell. Wie viel Impfstoff im April geliefert wird, ist noch unklar. Beschlossen ist aber, dass die Impfzentren und -teams der Länder wöchentlich kontinuierlich 2,25 Millionen Dosen erhalten. «Die Menge der pro Woche verfügbaren Impfstoffe, die die wöchentliche Lieferung an die Länder übersteigt, wird an die Arztpraxen ausgeliefert und dort routinemäßig verimpft.»

Wie viel Impfstoff kommt demnächst?

Von Biontech/Pfizer sollen es laut Ministerium von Anfang nächster Woche bis Ende März 3,23 Millionen Dosen sein, von Astrazeneca von diesem Donnerstag bis Ostern 2,54 Millionen Dosen und von Moderna bis Ostern 1,1 Millionen Dosen. Unterm Strich sollen innerhalb von rund drei Wochen also etwa 7 Millionen Dosen ankommen. Wenn sich die Liefermengen im April nicht stark erhöhen, bleibt für die Praxen erstmal nicht allzu viel übrig. Zu diesen bereits bekannten Mengen soll nun eine kurzfristige Ergänzung kommen, denn Biontech und Pfizer wollen in den nächsten beiden Wochen vier Millionen Dosen extra an die EU liefern, die dann auf die Staaten verteilt werden.

Warum wurde nicht von Anfang an in den Praxen geimpft?

Weil der Impfstoff teils sehr empfindlich ist und anfangs sehr rar war. So muss das Mittel von Biontech und Pfizer stark gekühlt werden. Dennoch kann er nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) auch in Praxen verimpft werden, weil er 120 Stunden bei Kühlschranktemperaturen lagerfähig ist. Geimpft wurden am Anfang generell vor allem Über-80-Jährige und Beschäftigte und Bewohner von Pflegeheimen, weitere Gruppen rückten nach. Und bei knappem Impfstoff könnte sich mancher Arzt gegenüber «seinen Patienten» mit der korrekten Impfreihenfolge schwer tun, hatte der Chef der Ständigen Impfkommission, Thomas Mertens, erläutert.

Wo steht Deutschland beim Impfen aktuell?

Bis Dienstag wurden laut Gesundheitsministerium 12,5 Millionen Impfdosen ausgeliefert und knapp 8,2 Millionen Dosen gespritzt. Knapp 5,6 Millionen Personen bekamen mindestens eine erste Impfdosis, 2,6 Millionen davon bereits beide nötigen Dosen. Gespritzt werden die Produkte von Biontech/Pfizer, Astrazeneca und Moderna. Immer mehr Bundesländer impfen nun aber auch schon mehr oder weniger umfangreich Lehrkräfte, Erzieherinnen oder Polizisten. Mertens warnte, so könnten Schwächste und Gefährdetste erstmal leer ausgehen. Zum Beispiel in Baden-Württemberg, wo Lehrer bereits geimpft werden könnten, gelten neuerdings auch Über-70-Jährige als impfberechtigt.

Wie groß ist die Kapazität zum Impfen überhaupt?

In den vergangenen sieben Tagen wurden rund 1,8 Millionen Dosen gespritzt - allein am Dienstag 237.000. Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) hatte Anfang der Woche schon von der Möglichkeit von zehn Millionen Impfungen pro Woche gesprochen. Die Bundesregierung dämpfte solch hohe Erwartungen nun aber erstmal wieder. So hoch würden die Mengen nicht gleich im April wachsen, erläuterte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im ZDF. Realistisch sei das eher für Juni, sagte Seibert. Im April soll die Impfkampagne aber schon deutlich Fahrt aufnehmen.

Was soll das Impfen in den Praxen bringen?

Eine unbürokratische Möglichkeit, bei steigenden Impfstoffmengen rasch mehr Menschen zu schützen. Mehr als 70.000 Praxen in der ganzen Republik haben Erfahrung mit Impfungen gegen anderen Erreger. Die Impfzentren können laut KBV rund 550.000 Impfungen pro Tag leisten, das wären in 7 Tagen knapp vier Millionen. Die Praxen könnten rund fünf Millionen pro Woche schaffen, so die KBV. Kassenärzte-Chef Andreas Gassen hatte darauf hingewiesen, dass für die Verbreitung des Virus die Priorisierung zweitrangig sei - wichtig sei, dass viele geimpft würden.

Wie soll das Impfen in den Praxen funktionieren?

Dafür gibt es eingespielte Abläufe. Großhändler sollen die Impfstoffe in Apotheken liefern, von wo sie in die Praxen gebracht werden. Die Ärztinnen und Ärzte sollen anhand der Priorisierungsempfehlungen selbst entscheiden.

Ändert sich noch mehr?

Ja. Eine neue Impfverordnung von Spahn tritt rückwirkend zu Montag in Kraft. Dann kann der Astrazeneca-Impfstoff, der zunächst mangels ausreichender Daten zu Älteren bisher Jüngeren vorbehalten war, nun allen über 18 gespritzt werden. In Sachsen, Bayern, dem Saarland und gegebenenfalls weiteren Länder können in Corona-Hotspots an der Grenze alle geimpft werden, jenseits aller Priorisierungen, um so eine Art Schutzriegel von Geimpften zu schaffen. Und es soll in geringerem Umfang Impfstoff für die Zweitimpfung zurückgelegt werden.

© dpa-infocom, dpa:210310-99-757540/5

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