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Abspann nach 18 Jahren
Der Mann mit dem Schal: Dieter Kosslicks letzte Berlinale

Dieter Kosslick
Der Mann mit dem Schal: 18 Jahre lang leitete Dieter Kosslick die Berlinale. Foto: Jens Kalaene
Seit 18 Jahren ist er der wichtigste Mann der Berlinale. Nun führt Direktor Dieter Kosslick zum letzten Mal durch das Filmfest. Erwartet werden Catherine Deneuve, Christian Bale und Juliette Binoche - auf einem roten Teppich aus alten Fischernetzen.

Berlin (dpa) - Wenn Festivalchef Dieter Kosslick auf den Teppich tritt, dann nur mit Markenzeichen. «Ich werde meinen roten Schal tragen. Sonst besteht die Gefahr, dass man mich nicht erkennt», sagt Kosslick scherzhaft.

Heute beginnen die Internationalen Filmfestspiele in Berlin. Für Kosslick wird es die letzte Berlinale als Direktor sein.

Viel Zeit habe er nicht, um über seinen Abschied nachzudenken. «Wir sind mittendrin in der Berlinale-Maschinerie», sagte der 70-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. Erwartet werden unter anderem Leinwandstar Catherine Deneuve, US-Schauspieler Christian Bale und die Schauspielerinnen Diane Kruger und Charlotte Rampling.

Oscar-Preisträgerin Juliette Binoche («Chocolat») ist Jurychefin. Mit ihrem Team entscheidet sie, wer die Bären-Preise bekommt. In der Jury sind auch Schauspielerin Sandra Hüller («Toni Erdmann») und Produzentin Trudie Styler, die Frau des Musikers Sting.

Insgesamt 17 Filme konkurrieren um die Auszeichnungen. Drei davon sind von deutschen Regisseuren. Fatih Akin zum Beispiel hat Heinz Strunks Roman «Der Goldene Handschuh» verfilmt. Er erzählt vom Hamburger Serienmörder Fritz Honka. Der Film feiert am Samstagabend seine Weltpremiere. In einem ersten Trailer geht es blutig zu.

Im Wettbewerb läuft auch Angela Schanelecs «Ich war zuhause, aber». Der Film erzählt davon, wie eine Familie mit einem Verlust umgeht. Als dritte deutsche Regisseurin zeigt Nora Fingscheidt ihren Debütspielfilm «Systemsprenger», der von einem Mädchen handelt, das es dem Jugendamt nicht einfach macht.

«Das Programm werden wir subsumieren unter dem 68er feministischen Spruch: "Das Private ist politisch"», hatte Kosslick angekündigt. Es seien überwiegend private Themen, die von Filmemachern abgehandelt worden seien. Familie scheine dabei ein zentrales Thema zu sein.

«Ich glaube, das hat auch damit etwas zu tun, dass je größer dieser ganze Globalisierungswahnsinn wird, desto mehr sehnen sich die Menschen nach Geborgenheit.» Die Filme auf der Berlinale dürften oft zeigen, wo es in Familien hakt.

Auch der Eröffnungsfilm «The Kindness of Strangers» von Lone Scherfig handle von einer schwierigen Familienkonstruktion. «Obwohl es eine Komödie ist, die auch noch gut ausgeht. Versprochen», sagte Kosslick. Das sind zumindest für den ersten Abend gute Aussichten. Eröffnet wird das Festival mit einer Gala. Der rote Teppich ist diesmal übrigens aus recycelten Fischernetzen.

Kosslick umgibt sich bei seiner letzten Berlinale als Direktor auch mit alten Bekannten. Im Wettbewerb sind drei chinesische Regisseure dabei, die alle schon mal einen Preis auf der Berlinale gewonnen haben: Wang Quan'an, Wang Xiaoshuai und Zhang Yimou. Auch die Spanierin Isabel Coixet ist wieder dabei.

Coixet nimmt sich in «Elisa y Marcela» eine Liebesgeschichte zwischen Frauen vor. Dass Netflix die Vertriebsrechte daran hält, dürfte für Debatten sorgen. Netflix produziert immer mehr Filme und gewann mit «Roma» in Venedig. Kinobetreiber sehen es kritisch, wenn Filme schnell online laufen. Und 2018 war kein gutes Jahr für die Kinos.

Auf der Berlinale werde eine filmpolitische Diskussion über Zeitfenster geführt werden müssen, sagte Kosslick. Dass ein Netflix-Film im Wettbewerb läuft, verstößt seinen Worten zufolge nicht gegen Vorgaben. «Wir verfahren einfach nach unseren Regeln», sagte Kosslick. Demnach zeige man im Wettbewerb nur Filme, die fürs Kino geeignet seien. Und Coixets Film komme in Spanien zuerst ins Kino.

Neben Cannes und Venedig zählt die Berlinale zu den drei großen Festivals. Bis 17. Februar laufen rund 400 Filme. Es steht kaum Hollywood, aber viel Kritisches im Programm. Regisseur François Ozon widmet sich dem Missbrauch in der Kirche. Erwartet werden Mafia-Kritiker Roberto Saviano und Koch Yotam Ottolenghi.

Kosslick war mit Schal, Hut und leicht abstehenden Haaren seit 2001 «Mr. Berlinale». Zuletzt hatte es Kritik an der Filmauswahl und dem immer größer werdenden Festival gegeben. Manche kritisierten, die Berlinale habe stark an Profil verloren. Prominente Regisseure forderten Ende 2017 einen inhaltlichen Neustart des Festivals.

Nun läuft Kosslicks Vertrag aus und eine Doppelspitze übernimmt. Der Italiener Carlo Chatrian wird künstlerischer Leiter, Mariette Rissenbeek übernimmt die Geschäftsführung. Beide wollten sich vorab nicht äußern. Ob Kosslick einen gemeinsamen Auftritt plant? «Wir werden auch auf dem roten Teppich einmal sein», sagte Kosslick.

Seine Nachfolger haben keine einfache Aufgabe: Zum einen müssen sie hochkarätige Filme gewinnen, zum anderen spannende Stars, auf die viele Fans hoffen. Dass die Berlinale im kommenden Jahr parallel zur Oscar-Verleihung stattfindet, dürfte das nicht einfacher machen.

2018 wurden rund 330 000 Kinokarten bei der Berlinale verkauft. Dass sie so viel Publikum erreichen könnten, sei am schönsten, sagte Kosslick. Auf ihn wartet nochmal das Rampenlicht. Damit Kosslick durchhält, hat er ein paar Gewohnheiten. «Ich darf keine Erkältung bekommen.» Da gebe es Rituale: «Ich nehme afrikanische Immuntropfen und trinke Ingwer-Zitronen-Wasser jeden Morgen und grünen Tee.»

Auch bei seinem Schal gibt es eine Tradition. Seine richtig roten Schals seien 17, 18 Jahre alt. «Ich habe mir damals schon welche an die Seite gelegt», sagte Kosslick. «Ich habe einen, der noch originalverpackt ist. Den leiste ich mir zur diesjährigen Eröffnung.»

Mitteilung zu Wettbewerbsfilmen

Homepage mit Details zum Programm

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Trailer "Der Goldene Handschuh"

Informationen zu "Ich war zuhause, aber"

Informationen zu "Systemsprenger"

Informationen zu "Der goldene Handschuh"