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Gesündere Ernährung?
Deutsches Anti-Zucker-Konzept hat wenig Druck

Auf der Waage
Ab Januar gilt die Initiative des Bundesernährungsministeriums für weniger Salz, Fette und Zucker in Fertiglebensmittel. Foto: Armin Weigel/Symbolbild
Zuckerplätzchen, Schokolade, Schlemmerbüffets, süße Getränke: wer sich um Weihnachten und Neujahr gesund ernähren will, ist besonders vielen Versuchungen ausgesetzt. «Abnehmen» gehört bei Vielen zu den guten Vorsätze für das neue Jahr. Kann die Bundesregierung helfen?

Genf (dpa) - Gesünder essen und trinken - dabei will die Bundesregierung die Menschen unterstützen.

Ab Januar gilt die Initiative des Bundesernährungsministeriums für weniger Salz, Fette und Zucker in Fertiglebensmittel. Die Industrie soll sich freiwillig daran beteiligen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wartet gespannt auf Ergebnisse, gerade bei Zucker. Sie kennt keinen Fall, in dem freiwillige Vereinbarungen mit der Industrie wirkten, wenn die Regierung keine Druckmittel einsetzte, wie Ernährungsspezialist Francesco Branca der Deutschen Presse-Agentur in Genf sagt.

«Eine Änderung der Rezepturen ist möglich, aber der Erfolg hängt vom Willen der Industrie ab und davon, mit welchem Nachdruck die Regierung die Veränderungen veranlasst», sagte Branca. «Wir empfehlen eine Steuer auf Zucker als kosteneffektive Lösung, um den Zuckerverbrauch runterzubringen. Studien zeigen: wenn der Preis rauf geht, geht der Verbrauch runter.»

Anders als 50 Länder, die solche Steuern eingeführt haben, etwa Mexiko und Großbritannien, lehnt die Bundesregierung das ab. Zwar beeinflussten solche Steuern das Kauf- und Konsumverhalten. Ob das anhaltend wirke, sei aber noch unklar, so das Ministerium. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) setzt stattdessen darauf, «auf freiwilliger Basis eine möglichst breite Mitwirkung der Wirtschaftsunternehmen zu erreichen», wie es in ihrem Strategiepapier heißt. Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch wirft Klöckner einen «Kuschelkurs mit der Lebensmittelwirtschaft» vor.

Die WHO empfiehlt weitere Maßnahmen, etwa Etiketten, die auf besonders hohen Zuckergehalt hinweisen. Länder wie Frankreich experimentieren mit Ampelfarben. «Man sollte auch Werbung, die sich an Kinder richtet, beschränken», sagt Branca. «Kinder sind sehr beeinflussbar, zum Beispiel, wenn Frühstückscerealien mit coolen Comic-Figuren beworben werden.» Behörden könnten für Schulen, Krankenhäuser oder Kantinen nur noch Lebensmittel mit reduziertem Zucker- und Salzgehalt kaufen - auch darauf reagiere die Industrie.

«Gezuckerte Getränke sind das größte Problem», sagt Branca. Eine Dose Limonade enthalte schon so viel Zucker, wie ein Mensch nach WHO-Empfehlung am ganzen Tag aus gezuckerter Nahrung oder Getränken zu sich nehmen sollte: «Da sind fast 50 Gramm Zucker drin.» Im Gebäude der WHO wurden vor ein paar Jahren sämtliche gezuckerten Getränke aus den Automaten genommen. Dort wird jetzt vor allem Wasser angeboten, um den Durst zu stillen.

Einer der größten Lebensmittelkonzerne der Welt, Nestlé, experimentiert mit Zucker in neuer Gestalt. Weil eigentlich nur wenige Kristalle etwa in einem Schokoriegel die Zunge berühren und der meiste Zucker «ungeschmeckt» im Magen landet, haben Nestlé-Forscher mit Zucker, Milchtropfen und heißer Luft in einem Spraytrockner Zuckerkugeln kreiert, die Luftlöcher enthalten: gleiche Süße, aber ein Drittel weniger Zucker. Vor ein paar Monaten kamen die ersten Schokoriegel damit auf den Markt.

«Eine interessante Entwicklung», sagt Branca. Technologie könne bei der Zuckerreduzierung helfen. Trotzdem müssten die Menschen am besten weniger Zuckerhaltiges zu sich nehmen. Dabei müsse in Festwochen wie über Weihnachten und Neujahr nicht jedes Plätzchen ein schlechtes Gewissen machen. «Manche Leute übertreiben es und sagen, jedes Gramm Zucker ist Gift - das ist nicht nötig.» Sinnvoll sei es, auf einige Zuckerquellen zu verzichten. «Wer Schokolade oder Plätzchen isst, sollte auf die Limonade verzichten - oder umgekehrt», so Branca.

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