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Festakt in Weimar
Die erste demokratische Verfassung Deutschlands wird 100

100 Jahre Weimarer Verfassung
Am 6. Februar 1919 tritt die Verfassungsgebende Deutsche Nationalversammlung in Weimar erstmalig zusammen, die Eröffnungsrede hält der Volksbeauftragte Friedrich Ebert. Foto: dpa
Festakt
Bundesratspräsident Daniel Günther(l-r), Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit Frau Elke Büdenbender in der Herderkiche in Weimar. Foto: Martin Schutt
Das heutige Grundgesetz wäre ohne sie wohl nicht denkbar: Die Weimarer Verfassung machte vor 100 Jahren ganz offiziell aus dem monarchischen Deutschen Reich eine parlamentarische Republik.

Weimar (dpa) - 100 Jahre nach Eröffnung der Nationalversammlung in Weimar haben führende Politiker die Bürger zu mehr Engagement für die Demokratie aufgerufen.

«Jede Generation muss wieder für Demokratie kämpfen», betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Ähnlich äußerte sich auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Mittwoch in Weimar, wo das Jubiläum mit einem Festakt, einem ökumenischen Gottesdienst und einem Bürgerfest gefeiert wurde.

Merkel und Steinmeier würdigten die Weimarer Verfassung als Grundlage für das heutige Grundgesetz. Der Bundespräsident beklagte, dass bisher zu sehr das Scheitern der Weimarer Republik gesehen wurde, deren Ablösung durch den Nationalsozialismus und nicht so sehr die Bedeutung als erste demokratische Republik.

Die Nationalversammlung war nach der Novemberrevolution 1918 und dem Sturz der Monarchie in Weimar am 6. Februar 1919 erstmals zusammengekommen, um eine Verfassung für die erste demokratische Republik auf deutschem Boden - die Weimarer Republik - auszuarbeiten.

In seiner Festrede mahnte Steinmeier, trotz des Grundgesetzes als beste aller Verfassungen gebe es keinen Grund, «dass wir uns zurücklehnen könnten», solange Parlamente als «Quatschbuden» verunglimpft, politisch Engagierte mit Worten oder gar mit Gewalt angegriffen würden und solange Menschen den Glauben an den Wert der Demokratie verlören.

Ein demokratischer Patriotismus brauche Symbole, die verbinden, erklärte Steinmeier. Eines sei die schwarz-rot-goldene Staatsflagge. Und es sei historisch geradezu absurd, wenn heute diese schwarz-rot-goldene Flagge am auffälligsten von denen geschwungen werde, «die einen neuen nationalistischen Hass entfachen wollten», so der Bundespräsident. Schwarz-Rot-Gold seien immer die Farben von Einigkeit und Recht und Freiheit gewesen. «Überlassen wir sie nicht den Verächtern der Freiheit», sagte er unter Beifall.

«Wir sollten die Weimarer Republik nicht länger nur von ihrem Ende her betrachten», erinnerte Steinmeier an deren Zerstörung durch die Nationalsozialisten. «Sie war mehr als nur die Vorgeschichte des Nationalsozialismus und sie war keine Einbahnstraße in die Barbarei.»

Damals seien wichtige Bürgerrechte wie das Wahlrecht für Frauen umgesetzt worden, sagte Merkel. Das heutige Grundgesetz, das in diesem Jahr 70 Jahre alt wird, sei auf der Grundlage der Weimarer Verfassung aufgebaut worden. Auch das heutige Europa sei als eine Lehre aus der Weimarer Republik und «der schrecklichen Periode des Nationalsozialismus und des Holocausts» entstanden.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) betonte, die Essenz der Weimarer Verfassung präge Deutschland heute noch und werde auch die Weichenstellungen der nächsten Jahrzehnte beeinflussen. Thüringens Landtagspräsidentin Birgit Diezel (CDU) hob die Bedeutung des Föderalismus für das heutige demokratische Deutschland hervor. Länder und Regionen blieben eine «Kraftquelle unserer Entwicklung», sagte sie.

In einem ökumenischen Gottesdienst mit mehreren hundert Menschen in der evangelischen Herderkirche - in die 1919 auch Abgeordnete der Nationalversammlung zum Gottesdienst kamen - kritisierte der Bischof des Bistums Erfurt, Ulrich Neymeyr, eine Verschärfung der Debattenkultur in den Parlamenten. «Im Herzen der Demokratie, in den Parlamenten, wird der Ton aggressiv und polemisch», sagte der katholische Geistliche. Ein demokratisches Miteinander sei mitunter mühsam, sagte die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann. Dazu gehöre auch fairer Streit.

Zu der Jubiläumsfeier waren auch Regierungschefs mehrerer Bundesländer und der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, gekommen. Die sonst von Touristen bevölkerte historische Altstadt und der Theaterplatz waren abgesperrt. Die Polizei war eigenen Angaben zufolge über mehrere Tage mit 1000 Beamten im Einsatz. Es sei aber alles friedlich verlaufen, sagte ein Polizeisprecher.

Hinter den Absperrungen drängelten sich Schaulustige, Merkel wurde von ihnen mit Beifall begrüßt. «Ich bin stolz, dass die Stadt so in aller Munde ist», sagte die Weimarerin Ingrid Menzel, die mit anderen auf die Kanzlerin wartete.

Die Weimarer Verfassung schrieb ein freies und gleiches Wahlrecht unabhängig von Geschlecht und Stand fest, sowie die Trennung von Staat und Kirche. Auch betriebliche Mitbestimmung, Schulpflicht, Gleichberechtigung von Mann und Frau waren dort verankert sowie eine Wirtschaftsordnung, die den Grundsätzen der Gerechtigkeit entsprach.