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Corona-Pandemie
Diskussion um Schulöffnungen und Impfungen für Kinder

Präsenzunterricht
Zwei Drittel der Bundesbürger sind auf jeden Fall oder eher für eine Rückkehr zum Präsenzunterricht. Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Wie lange sollen Kinder noch Wechselunterricht haben oder nur von zu Hause aus lernen? Politik und Wissenschaft diskutieren, wie ein normaler Schulbetrieb auch mit Impfungen wieder möglich werden kann.

Berlin (dpa) - Angesichts gesunkener Corona-Zahlen und mehr Lockerungen werden Rufe nach einer Rückkehr zum Präsenzunterricht in den Schulen lauter. Der Landkreistag mahnte, das Infektionsgeschehen erlaube dies noch vor den Sommerferien.

«Das Versprechen der Politik, die Schulen als erste wieder zu öffnen, sollte umgehend eingelöst werden», sagte Präsident Reinhard Sager der «Neuen Osnabrücker Zeitung». Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bekräftigte die Pläne für ein Impfangebot für Kinder ab zwölf Jahren im Fall einer bald erwarteten Impfstoffzulassung. Die Ständige Impfkommission (Stiko) behält sich eigene Klärungen für eine mögliche Impfempfehlung vor.

Der Stiko-Vorsitzende Thomas Mertens sagte am Dienstag im Deutschlandfunk, natürlich seien das Recht auf Bildung, normale Teilhabe am Leben und Freunde eine ganz wichtige Sache für Kinder. «Aber die Frage, die zu klären ist, ist, ob die Impfung wirklich die einzige und die richtige Möglichkeit ist, um das zu erreichen. Wir dürfen ja nicht vergessen, bei der Impfung werden ja keine Bonbons verteilt, sondern da wird ja immerhin ein medizinischer Eingriff vorgenommen.» Oberstes Ziel müsse das Wohlergehen der Kinder sein. Anderes wie die Öffnung der Schule, Teilhabe am Leben oder eine Beteiligung am Urlaub der Eltern seien «sekundäre Argumente, die für sich alleine genommen keine ausreichende Begründung liefern».

Spahn nannte die Diskussion über Nutzen und Risiken von Impfstoffen auch bezogen auf die jeweilige Altersgruppe wichtig. «Covid-19 ist für jemanden, der 80 ist, ein höheres Risiko als für jemanden, der 18 ist», sagte der Minister in Bernburg in Sachsen-Anhalt. Gleichzeitig gebe es Angaben über Langzeitwirkungen gerade auch bei jüngeren Infizierten in nicht geringer Zahl. «Wenn wir dieses Virus gut in Griff, unter Kontrolle, haben wollen, in Deutschland und Europa, dann werbe ich dafür, dass sich möglichst viele impfen lassen.» Er bekomme auch viel Post von Eltern mit Kindern mit Vorerkrankungen, die sehnsüchtig auf eine Impfung warteten.

Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern streben an, Kindern und Jugendlichen ab zwölf Jahren bis Ende August ein Impfangebot zu machen - über die Umsetzung wollen an diesem Donnerstag auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten beraten. Der Hersteller Biontech/Pfizer hat eine Zulassung seines Präparats ab zwölf Jahren bei der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) beantragt. «Wir gehen davon aus, dass es in den nächsten Tagen, diese oder nächste Woche, eine Zulassung geben kann», sagte Spahn. Es gehe nicht um eine Impfpflicht, sondern bleibe eine individuelle Entscheidung. Der Hersteller Moderna kündigte ebenfalls an, für seinen Impfstoff eine Zulassung ab zwölf Jahren zu beantragen.

SPD-Fraktionsvize Katja Mast befürwortete, dass älteren Kindern und Jugendlichen vor dem Ende der Sommerferien ein Impfangebot gemacht wird. «Nur so ist für die Zeit danach ein Mindestmaß an Normalität gewährleistet für Kinder, Jugendliche und deren Familien, die dieses Land durch die Krise getragen haben.» Sie appellierte an die Länder, Kinder-Impfungen logistisch gut vorzubereiten.

Druck für eine Rückkehr zum normalen Unterricht macht auch die FDP im Bundestag. «Luftfilter, Schnelltests, Impfungen für Lehrkräfte ermöglichen sicheren Präsenzunterricht», sagte Fraktionsvize Katja Suding der Deutschen Presse-Agentur. «Es gibt längst keinen Grund mehr, Kindern ihr Recht auf Bildung auch nur einen Tag länger zu verwehren.» Laut einer Umfrage im Auftrag der FDP-Fraktion sind 65,2 Prozent der Bürger bei Einhaltung von Test- und Hygienekonzepten für eine sofortige Rückkehr zum Präsenzunterricht. 24,7 Prozent sind auf jeden Fall oder eher dagegen. Jeder Zehnte ist unentschieden.

In den Ländern wird die Frage teils kontrovers diskutiert. So sollen in Nordrhein-Westfalen alle 2,5 Millionen Schüler ab 31. Mai wieder Präsenzunterricht erhalten - bei einer stabilen Sieben-Tage-Inzidenz von unter 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Die Landeselternkonferenz kritisierte dort, es werde die Empfehlung des Robert Koch-Instituts (RKI) ignoriert, erst bei einer Sieben-Tage-Inzidenz unter 50 zu öffnen.

In Niedersachsen wechseln Schulen und Kindergärten vom 31. Mai an in den Präsenz- und Regelbetrieb, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz in den jeweiligen Kreisen und Großstädten stabil unter 50 liegt. Baden-Württembergs Kultusministerin Theresa Schopper hatte in einem Interview gesagt, sie hoffe auf «ein bisschen Normalität» an den Schulen nach den Pfingstferien.

Laut dem jüngsten Tagesbericht des RKI sank in den vergangenen Wochen der Sieben-Tage-Wert der Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in allen Altersgruppen. Covid-19-Ausbrüche beträfen vor allem private Haushalte, aber auch das berufliche Umfeld sowie Kitas und Schulen. Mehr als 112.000 Fälle sind aus Kitas, Horten und Schulen gemeldet. 46.000 Mal waren dort Beschäftigte wie etwa Lehrkräfte betroffen.

© dpa-infocom, dpa:210525-99-727666/8